Die Theatermacher Die Architekten Fellner und Helmer aus Wien
Zwischen 1870 und 1913 entwarfen die Wiener Architekten Fellner und Helmer insgesamt 48 Theaterbauten in Europa, die alle im Stil vergleichbar sind: Schöne Kulturtempel von der Stange. Auch Fürth hat solch einen Bau. Zeit für Bayern-Autor Bernd Noack geht auf eine Reise durch die alte und aktuelle Theaterlandschaft Europas.
Es war das Ereignis des Jahres: Am 17. September 1902 wurde das Fürther Stadttheater eingeweiht. Es wollte aber so gar nicht in die damalige Fürther Realität passen. Denn draußen ging das Leben normal und gar nicht theatralisch seinen Gang: Neben dem Theater dampfte die Brauerei, in der Schwemme krachten volle Bierkrüge und hitzige Köpfe aneinander, in den engen Straßen und Hinterhöfen lärmte das Handwerk und in den umliegenden Mietshäusern wäre man schon froh gewesen über ein bisschen Brot und Kartoffeln vom ausladenden Eröffnungs-Diner.
Das Theater als Fremdkörper?
Wie ein gestrandeter Ozeandampfer lag das Theater auf einmal zwischen den eher bescheiden geduckten Häusern der Fürther Innenstadt. Hineingepflanzt als eine Art Mahnmal des Wahren, Guten und Schönen, wo doch in der Arbeiterstadt Fürth eher das Interesse an Barem und an Löhnen vorherrschte. Es begann also mit einem nicht nur architektonischen Widerspruch - zwischen bürgerlichem Anspruch und proletarischer Wirklichkeit.
Schielen auf Glanz und Gloria
Um die Jahrhundertwende hatte der Adel längst an Einfluss verloren. Der neue Geldadel der Gründerzeit, meist durch harte Arbeit nach oben gekommene Mittelständler und Handwerker, die schon immer neidisch auf Glanz und Gloria geschielt hatten, entdeckte die Annehmlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens und der Zerstreuung durch die schönen Künste. Hierfür brauchten sie einen Rahmen - nicht nur in Fürth, sondern in vielen vergleichbaren Städten in Europa: Hamburg und Wien, Augsburg und Darmstadt, Salzburg und Wiesbaden.
Baumeister der theatralischen Illusion
Wer sich mit den unzähligen, um die Jahrhundertwende entstandenen prächtigen Theater-Neubauten beschäftigt, stößt zwangsläufig auf die Namen von zwei Architekten, die auch für das Fürther Haus verantwortlich waren und mit ihren Arbeiten eine ganze Epoche in Europa geprägt haben: Ferdinand Fellner (geboren 1847 in Wien und dort gestorben 1916) und Hermann Helmer (1849 in Hamburg geboren und 1919 in Wien gestorben). Die beiden Architekten waren zu dieser Zeit die gefragtesten Baumeister der theatralischen Illusion. Ihr Wiener Architektenbüro erfüllte die wachsenden Wünsche des Geldadels, befriedigte die Sehnsüchte des aufstrebenden Bürgertums. Dieses wollte vor allem in den kleineren Städten Deutschlands und der österreichischen Monarchie, fernab der Kunstmetropolen Berlin und Wien, nicht länger an kultureller Unterversorgung leiden. So planten und verwirklichten Fellner und Helmer zwischen 1870 und 1913 insgesamt 48 Theater in 39 Städten.
Reise durch die europäische Theaterlandschaft
Das Feature des Zeit für Bayern-Autors Bernd Noack ist eine Reise von Nord nach Süd-Ost durch die alte und aktuelle europäische Theaterlandschaft: Intendanten erzählen von ihrer Beziehung zu den historischen Bauten und welche unterschiedlichen Programme sich doch in dem großbürgerlichen Interieur verwirklichen lassen.