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Wilhelmines Wunderwelt Wiedereröffnung des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth

Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth gilt als eines der schönsten Barocktheater Europas. 2012 wurde es Weltkulturerbe der Unesco. Nun sollen dort – nach aufwändiger Sanierung – wieder Opern und Konzerte aufgeführt werden.

Von: Barbara Bogen

Stand: 29.03.2018 | Archiv

Markgräfliches Opernhaus Bayreuth | Bild: picture-alliance/dpa

Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth ist die Tochter des rigiden Wilhelms I., König von Preußen, der unter dem vielsagenden Namen "Soldatenkönig" in die Kriegs- und Weltgeschichte einging. Wilhelmine ist auch anerkannte Lieblingsschwester des späteren Preußenkönigs Friedrichs des Großen.

Wilhelmine – eine Powerfrau des Barock

Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth

Eine Frau, die eigentlich Königin von England werden sollte und die es dann durch die Heirat mit Friedrich von Brandenburg-Bayreuth nach Oberfranken verschlug, in die Provinz, als die sie Bayreuth damals empfand, alles andere als zu ihrem Wohlgefallen, was sie gelegentlich etwas, sagen wir, "exzentrisch" werden ließ. Dabei war sie doch so etwas wie eine Powerfrau des Barock, kunstsinnig, weltoffen, preußisch.

Tatsächlich steckte sie voller Ideale. Selbst künstlerisch ambitioniert und unerhört kreativ, wirkte sie als Komponistin, Librettistin, Malerin und Kunstmäzenatin und stand mit zahlreichen Künstlern in Kontakt. Nicht wenige Historiker vertreten heute die Ansicht, dass sie zu den bedeutendsten Frauenfiguren des 18. Jahrhunderts zählt.

Wilhelmines Lieblingsprojekt: das Markgräfliche Opernhaus

Was vielleicht ein wenig übertrieben sein mag. Doch ihr ehrgeiziges Ziel war es, nach dem Vorbild Potsdam bei Berlin, dem Königssitz ihres Bruders Friedrich des Großen, aus der kleinen Residenzstadt Bayreuth eine strahlende Kulturmetropole zu gestalten. Ihr Lieblingsprojekt: das Markgräfliche Opernhaus.

In der Tat gilt das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth heute als eines der schönsten Barocktheater Europas und zählt zudem zu den wenigen im Original erhaltenen Theater- und Opernbauten der damaligen Zeit. Ein Kleinod, ein Rokokojuwel. Entstanden in nur vier Jahren Bauzeit zwischen 1744 und 1748 war es von Beginn an ein ebenso innovatives wie europäisches Projekt.

Superstars ihres Fachs bauten das Opernhaus

Die Fassade des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth

Markgräfin Wilhelmine lud die namhaftesten Künstler und Architekten Europas nach Bayreuth. Den Außenbau des Opernhauses mit seiner klassizistischen, wie ein antiker Tempel wirkenden Fassade gestaltete der französische Architekt Joseph Saint Pierre. Für die Ausführung des Innenraums waren die italienischen Theater- und Dekorationsmaler Giuseppe und Carlo Galli Bibiena verantwortlich, seinerzeit Superstars ihres Fachs.

Das Markgräfliche Opernhaus – ein aus Holz gefertigtes Logentheater, das damals weltweit einzigartig war wegen seiner stuckierten, geschnitzten und gemalten Dekoration. Es war das "Trompe l’oeil", die Religion der Zeit, die Täuschung des Auges.

Kunst und Musik hielten Einzug in Bayreuth

Kein Zweifel, Wilhelmine hatte in tiefer Provinz, für die sie zunächst Verachtung bereithielt, ein geradezu utopisches Projekt geschaffen und die kleine Residenzstadt Bayreuth in nur zwei Jahrzehnten durch Bauten wie die Eremitage, das Neue Schloss, den Felsengarten Sanspareil und eben das Markgräfliche Opernhaus komplett umgestaltet.

Kunst und Musik, Architektur und Wissenschaft hielten Einzug in Bayreuth. Und das Kleinfürstentum, das bis dahin militärisch, wirtschaftlich und kulturell ein weißer Fleck auf der Landkarte gewesen war, konnte für kurze Zeit durchaus neben den kulturellen Zentren Dresden und Wien, Berlin und München bestehen. Das Opernhaus war dabei Wilhelmines Liebling, ihr Reich der Poesie, in dem sie ihre barocke Kunstwelt als Wirklichkeit begriff.

Wechselvolle Geschichte

Nach dem Tod des Markgrafenpaares wurde das Haus allerdings kaum mehr bespielt. Irgendwann zogen Napoleons Truppen, die auf dem Weg nach Russland waren, durch Bayreuth. Vom Opernhaus waren sie offenbar so entzückt, dass sie den originalen Bühnenvorhang gleich mitgehen ließen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs beschlagnahmte die US-Militärregierung das Gebäude. Erst im Jahr 1947 wurde es wieder freigeben.

Seit 2012 in der Liste des Weltkulturerbes der Unesco

Am 30. Juni 2012 wurde das Opernhaus, das lange Jahre vorwiegend als Museum diente, in die Liste des Weltkulturerbes der Unesco aufgenommen. Eine umfassende Generalsanierung ist nun nach sechs Jahren abgeschlossen. Vermehrt sollen im Markgrafentheater Bayreuth wieder Opern, Theater- und Konzertvorstellungen stattfinden. Eine Revitalisierung des Hauses steht bevor.

"Das Haus ist vorher ja bereits bespielt worden, es ist immer kontinuierlich seit Entstehung bespielt worden mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und unterschiedlicher Intensität. Wir haben nach 1935/36, als eine erste Sanierung in dem Haus stattgefunden hat und das Haus als Baudenkmal der Bayerischen Schlösserverwaltung als Verwaltungseinheit übergeben worden ist, die Situation, dass das Haus sowohl als Museum als auch als Veranstaltungsort genutzt wird. Und dass der primäre Schwerpunkt natürlich darauf liegt, die Substanz dieses Hauses zu erhalten und auch für zukünftige Generationen zu erhalten."

Thomas Rainer, Kunsthistoriker der Bayerischen Schlösserverwaltung 

2012, als das Haus Weltkulturerbe wurde, erkannten die Experten schnell die Notwendigkeit einer umfassenden Sanierung. Denn nicht nur die wertvolle originale Gemäldesubstanz drohte unwiederbringlich verloren zu gehen.

"Hintergrund war der, dass in den 1930er Jahren eine Sanierung in dem Haus stattgefunden hat, die Kaseinfarben verwendete, und man in mehreren Kampagnen hier Holzschutzmittel eingebracht hat, die sich mit diesen Kaseinfarben sehr ungünstig für die Fassungen ausgewirkt haben. Die Fassungen sind brüchig geworden. Es hat Spannungen an der Oberfläche gegeben. Und es war die Gefahr gegeben, dass die originale Substanz, die unter diesen Fassungen der 30er Jahre noch vorhanden war, verloren gegangen wäre. Sodass wir also ein aufwendiges Restaurierungskonzept entworfen und entwickelt haben, gemeinsam mit den Experten von Icomos, dem Beratergremium der UNESCO, das also im Aufnahmeverfahren für das Weltkulturerbe eine entscheidende Rolle gespielt hat und uns dazu entschieden haben, die Fassungen der 30er Jahre abzunehmen und darunter die originale Substanz dauerhaft zu konservieren. Das ist großartig geglückt, wir haben es tatsächlich erreicht, dass wir heute im Haus 90 Prozent der originalen Farbfassung erhalten konnten und einen Farbeindruck wie im 18. Jahrhundert wiedergewinnen konnten."

Thomas Rainer, Kunsthistoriker der Bayerischen Schlösserverwaltung 

30 Millionen Euro ließ sich der Freistaat die Sanierung kosten

Diesen Eindruck ließ sich der Freistaat Bayern einiges kosten. Knapp 30 Millionen Euro hat die umfangreiche Renovierung des Opernhauses in Anspruch genommen, deutlich mehr als zuvor kalkuliert, sagt der Architekt und Leiter der Bauabteilung der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung Peter Seibert. 

"Eine große Schwierigkeit am Anfang war, dass man sich nicht klar war über den Kostenaufwand, den so eine Maßnahme braucht. Also man dachte zunächst, man könnte mit wenig Geld, gerade mal zehn oder elf Millionen die Technik wieder reparieren, das Haus reparieren. Aber das geht nicht. Das geht nach heutigen Anforderungen nicht. Das ist ein Theater, was nicht nur museal genutzt wird, sondern auch im Sommerhalbjahr bespielt wird. Und wer sowas schon mal gesehen hat, der weiß, dass heutzutage hohe Anforderungen oder höchste Anforderungen an die Sicherheit gestellt werden, an die Bühnentechnik, an die Klimatisierung eines solchen Hauses. Also das war eine große Herausforderung, erstmal das Bewusstsein zu wecken, hoppla, da müssen wir noch ein bisschen mehr machen."

Peter Seibert, Architekt und Leiter der Bauabteilung der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung

Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Peter Seibert berichtet, dass das Team selber überrascht war, welchen Reichtum es bei der Restaurierung der Barockmalereien entdeckte. Die Wirkung, die der Besucher beim Betreten des Raumkunstwerks erfährt, ist nach der Renovierung vielleicht überwältigender denn je. Aber noch etwas anderes war für die Restauratoren entscheidend, erklärt der Kunsthistoriker Thomas Rainer.

"Eine wichtige Maßnahme bei der Sanierung war die Wiedererstellung der ursprünglichen Größe des Bühnenportals des 18. Jahrhunderts. Sie müssen sich vorstellen, dass man im 19. Jahrhundert wegen der schwierigen klimatischen Bedingungen die große Bühne des 18. Jahrhunderts verkleinerte und in die ursprüngliche Bühnenöffnung eine kleinere Bühnenöffnung eingebracht hat, die um ein Drittel von der Größe reduziert war. Das hat den Raumeindruck wie das Theater in der Barockzeit erlebt worden ist, nachhaltig gestört. Im 18. Jahrhundert war es ganz wichtig, dass es einen einheitlichen Raumeindruck von Bühnenraum und Zuschauerraum gibt. Es hat dann einen permanenten Austausch zwischen diesen beiden Bereichen gegeben. Auf dem Zuschauerraum oder im Zuschauerraum wurde inszeniert, ebenso wie im Bühnenhaus auf der Bühne wurde getafelt, im Zuschauerraum ist auch eine Festtafel errichtet worden. Also, diese beiden Bereiche sind ineinander übergegangen und Ausdruck dieses Übergangs war das Bühnenportal, das also riesig war, zehn mal 14 Meter und einen einheitlichen Raumeindruck nacherlebbar machte."

Thomas Rainer, Kunsthistoriker der Bayerischen Schlösserverwaltung 

Das größte Opernhaus im deutschen Raum

Nichts war seinerzeit teuer, nichts gut genug für die Markgräfin Wilhelmine. Das Bayreuther Opernhaus war zur Zeit seiner Errichtung das größte im deutschen Raum. Ausgestattet mit der größten Bühne weit und breit. Das Opernhaus im schwedischen  Drottningholm kleiner, im baden-württembergischen Schwetzingen kleiner. Alles kleiner, weniger prachtvoll als das Haus in Bayreuth. Das alles kostete natürlich. Die Herrscher über 180.000 Untertanen hinterließen der Markgrafschaft, als sie starben, Schulden in Höhe von 3,85 Millionen Gulden.

Rund zweieinhalb Jahrhunderte später war das Haus ruinös. Der bauliche Zustand des Opernhauses Anfang des 21. Jahrhunderts kann als katastrophal bezeichnet werden. In den vergangenen sechs Jahren wurde aber nicht nur die Schauseite des Opernhauses saniert, auch der Backstage-Bereich und die gesamte Technik, berichtet Architekt Mathis Gruhn.

"Die Sanierung des Opernhauses ist nicht nur eine Restaurierung der historischen Substanz, sondern ist eine letztendlich Generalsanierung des gesamten Opernhauses. Die gesamte Haustechnik, von der Elektrotechnik angefangen über Klimatechnik, Sanitäranlagen, bis zur gesamten Bühnentechnik wurde komplett erneuert, die Beleuchtungstechnik durch moderne LED-Technik ersetzt, die ganzen Sicherheitstechniken wie eine Sprühflutanlage im Dachbereich, eine Sprinkleranlage im Bühnenbereich, Brandmeldeanlagen mit direkter Schaltung an die Feuerwehr wurde alles neu eingerichtet oder erneuert und wieder auf den Stand der Zeit gebracht. Um auf jeden Fall den gesetzlichen Mindestanforderungen, nämlich der Gewährleistung des Personenschutzes sowohl im musealen als auch im Veranstaltungsbetrieb als Versammlungsstätte für kulturelle Veranstaltungen gerecht zu werden. Aber darüber hinaus auch, um einen höheren Objektschutz für das Gebäude zu bekommen, um Brände, die entstehen, schon in der Entstehungsphase gleich löschen zu können und große Wasserschäden zu vermeiden."

Mathis Gruhn, Architekt

Ein Wasserschaden – eine mittlere Katastrophe

Stichwort Wasserschaden. Im Spätherbst 2014, die Sanierungsarbeiten waren schon vorangeschritten, ereignete sich für die Restauratoren eine mittlere Katastrophe, erinnert sich Peter Seibert.

"Das war November 2014. Da kam eines Sonntagmorgens der Anruf 'Wasserschaden im Opernhaus'. Ich hab mich dann vergewissert, um was es sich handelte, und wir waren natürlich einesteils betroffen, dass so etwas vorkommen kann, dass etwa eine Million Liter durch dieses Haus geflossen sind, aber Gott sei Dank sind sie nur durch das Untergeschoß geflossen. Die historischen Malereien des Logenhause und überhaupt die historische Struktur des Hauses war dadurch nicht beschädigt worden, und das war dann auf der einen Seite natürlich erleichternd, auf der andren Seite war zu diesem Zeitpunkt nach etwa anderthalb Baujahren bereits die komplette Haustechnik im Untergeschoß gerade neu installiert und wurde durch die Überflutung vollständig zerstört. Ja."

Peter Seibert, Architekt und Leiter der Bauabteilung der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung

Großes internationales Interesse

Die Wiedereröffnung des Opernhauses in Bayreuth nach sechsjähriger Sanierung stößt derzeit auf internationales Interesse. Fast scheinen die Veranstalter selbst ein wenig überrascht von dem Ansturm. Anfragen für Interviews und Theaterbesuche kommen aus aller Welt, aus Frankreich wie den USA.

Handelt es sich in politisch und gesellschaftlich schwierigen, gar als bedrohlich empfundenen Zeiten hier um einen Fall von Nostalgie? Um die Suche und die Sehnsucht nach Vergangenheit? Ist es die Rückwärtsgewandtheit einer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, die müde geworden ist an den Anstrengungen der Moderne? Dient das Markgräfliche Opernhaus heute gar neuerlich als Weltflucht?

Die Stadt Bayreuth erhofft sich, berechtigt, ein neues kulturelles Image, und schon werden Gespräche auch über Kooperationen von Markgräflichem Opernhaus mit dem Festspielhaus auf dem Grünen Hügel geführt. Komponist Richard Wagner nämlich hatte einst höchst persönlich Beethovens 9. Symphonie hier im Markgräflichen Opernhaus dirigiert, beim Festkonzert zur Grundsteinlegung auf dem Grünen Hügel. Und 1860 ging in den barocken Mauern schon einmal der "Tannhäuser" über die Bühne.

Eröffnung am 12. April

Die feierliche Wiedereröffnung des Hauses ist für den 12. April 2018 vorgesehen mit der Opera Seria Artaserse des Barockkomponisten Johann Adolf Hasse. Mit der Oper also, mit der auch Markgräfin Wilhelmine damals 1748 ihr Haus eröffnet hatte.


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