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Tradition mit Zukunft? 1.000 Jahre Würzburger Fischerzunft

Die Würzburger Fischerzunft, eine der ältesten Zünfte Europas, feiert heuer ihr tausendjähriges Bestehen - ohne einen aktiven Berufsfischer in ihren Reihen zu haben. Doch die Mitglieder blicken stolz auf ihre Tradition, halten sie am Leben und kümmern sich in aller Stille um den Main.

Von: Jochen Wobser

Stand: 08.11.2010 | Archiv

1.000 Jahre Würzburger Fischerzunft: Tradition mit Zukunft?

Im Sommer 2010 erhielt die Würzburger Fischerzunft ein Geschenk aus München: einen gravierten Zinnteller der Staatsregierung zum 1.000-jährigen Zunftjubiläum. Dem Graveur muss die stolze Zahl allerdings allzu stolz vorgekommen sein. Er ließ eine Null weg, machte eine der ältesten Zünfte Europas um 900 Jahre jünger - und die amüsierten Zunftmitglieder um eine Anekdote reicher.

Waffengewalt, Zunftverbot und ein rettender "Schelch"

Mitglieder der Fischerzunft Würzburg in historischer Fischerzunfts-Kleidung auf einem Boot in Würzburg

Die Würzburger Fischerzunft hat im Verlauf der vergangenen 1.000 Jahre tiefere Einschnitte überlebt als das Versehen eines oberbayerischen Graveurs: fürstbischöfliche Waffengewalt und Zunftverbot im Mittelalter, den Wandel von der Zunft zum Gewerbeverein im 19. Jahrhundert und die Bombardierung Würzburgs am 16. März 1945, als der damalige Obermeister die wichtigsten Archivalien aus dem brennenden Zunfthaus holte und in einen rettenden "Schelch" (so heißen die typischen Kähne der fränkischen Flussfischer) verfrachtete.

Niedergang der Mainfischerei

Seitdem hat sich viel verändert entlang der 115 Flusskilometer des Mains, für den die Würzburger Zunft nach wie vor das Fischrecht innehat. Denn mit dem Beginn des deutschen "Wirtschaftswunders" begann zugleich der Niedergang der Mainfischerei. Der Ausbau des Flusses zur Großschifffahrtsstraße hat Fische und Berufsfischer in der Region verdrängt.

Der Fluss der Zeit: eine Zunft ohne einen Berufsfischer

Vor 100 Jahren hatte die Würzburger Fischerzunft noch 50 Meister, mittlerweile gibt es keinen einzigen mehr. In den 1990er-Jahren hatte Würzburgs letzter Berufsfischer Georg Göß zum letzten Mal die Reusen am Mainufer gelegt - und ausgerechnet im Jubiläumsjahr ist der Zunftobermeister und Betreiber des legendären Fischlokals "Zum Silbernen Karpfen" verstorben, ebenso wie der langjährige Zunftarchivar Dr. Walter Brod.

Der Silberne Karpfen wurde nach Angaben der Fischerzunft Würzburg in den Jahrhunderten zum Wahrzeichen der Zunft.

Dem stetigen Fluss der Zeit begegnet die Würzburger Fischerzunft mit einem über Jahrhunderte ausgeprägten Überlebenswillen, mit Traditionsbewusstsein und mit erstaunlicher Wandlungsfähigkeit. Seit alters her rekrutiert sich die Zunft ausschließlich aus männlichen Nachkommen der alten Würzburger Fischerfamilien - inzwischen gibt es aber auch Frauen unter den derzeit 39 Mitgliedern. Immer noch fehlt ein Berufsfischer - aber inzwischen fischen wieder mehr Zunftmitglieder im Nebenerwerb, führen gemeinsam einen jährlichen Fischmarkt durch, und betreiben Jugendarbeit, um den Zunft-Nachwuchs an die Mainfischerei heran zu führen.

Die Zunft hegt und pflegt den Main - in aller Stille

Emblem der Würzburger Fischerzunft ist am Zunfthaus im Fischereiviertel in Würzburg

Publikumswirksam präsentiert sich die Zunft mit Veranstaltungen wie dem Fischerstechen als Verwalterin der Tradition. Gleichzeitig - aber in aller Stille - gehen die Zunftler ihrer Hauptaufgabe nach: der Hege und Pflege des Flusses. Die Zunft kümmert sich um den Fischbesatz, um die Uferbereiche, um die letzten naturnahen Lebensräume: Damit es trotz Kormoran, Kraftwerksturbinen und 24-Stunden-Schifffahrt auch künftig noch traditionelle Mainfische gibt - und irgendwann vielleicht auch wieder einen echten Mainfischer.


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