Bayern 2 - Zum Sonntag


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Zum Sonntag Warum Holocaust-Vergleiche falsch sind

Seit Beginn des Kriegs in Gaza hört man sie leider sehr oft: Grundfalsche Vergleiche der Politik Israels mit der Politik der Nationalsozialisten. Antje Schrupp macht sich anlässlich des neuen Kinofilms "Die Ermittlung" in ihrem Kommentar darüber Gedanken.

Von: Antje Schrupp

Stand: 21.07.2024

Zum Sonntag: Warum Holocaust-Vergleiche falsch sind

Eines meiner schönsten Ehrenämter ist die Mitgliedschaft in der Evangelischen Filmjury. Letztes Mal war ich allerdings kurz versucht, die Sitzung zu schwänzen. Denn auf dem Programm stand "Die Ermittlung", ein Film, der auf Aufzeichnungen, Zeitungsartikeln und Protokollen des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses basiert. Gesamtlänge: Mehr als vier Stunden! Sollte ich mir das wirklich antun? Weiß ich denn nicht schon alles über die Nazis und ihre Konzentrationslager? Zum Glück gewann mein Pflichtgefühl die Oberhand. Denn "Die Ermittlung" ist einer der besten Filme, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Für uns als Jury klar der "Film des Monats" Juli.

Beim Auschwitz-Prozess in Frankfurt, von 1963 bis 1965, waren 22 Männer angeklagt, persönlich an den Morden im Konzentrationslager beteiligt gewesen zu sein. Die Anklageschrift umfasste 700 Seiten, 252 Zeugen und Zeuginnen wurden berufen, 75 Aktenbände mit Beweismaterial vorgelegt. Der Dramatiker Peter Weiss hat damals aus dem Geschehen ein Theaterstück destilliert. Jetzt, fast sechzig Jahre später, hat Regisseur RP Kahl daraus einen Film gemacht. Und das genau zur rechten Zeit. Denn die Singularität des Holocaust wird zunehmend in Zweifel gezogen. Die Zeitzeug*innen von damals sind inzwischen fast alle tot, gleichzeitig herrscht auf der Welt noch immer so viel Leid, Tod und Verzweiflung, dass insbesondere Jüngere sich fragen, was ausgerechnet am Gemetzel der deutschen Nazis so speziell gewesen sein soll.

Zu erklären, warum der Holocaust schlimmer war als andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, hat immer einen schalen Beigeschmack. So als wollte man das Leid anderer mit Hinweis auf Auschwitz relativieren. Zu Recht tendiert unser spontaner menschlicher Impuls zu Empathie, und da ist jedes tote Kind eines zu viel. Für eine politische Bewertung und Verurteilung des "Bösen" reicht Empathie aber nicht aus. Da ist das genaue Hinsehen im Detail wichtig. Es geht nicht darum, dass man den Holocaust nicht vergleichen darf, sondern um die angemessenen Kriterien: Wie unterscheidet man verschiedene Arten von Grausamkeit? Gerade weil sich "die Ermittlung" jeder moralischen Bewertung verweigert, ist sie so eindrucksvoll: Wo haben Sie gestanden, als Sie die Selektionen an der Rampe beobachteten? Fragt der Richter. Wo genau wurden die Dosen mit Zyklon B aufbewahrt? Gab es Häftlinge, die nach zwei Tagen im Stehbunker womöglich noch am Leben waren?

Faschismus, so eine Definition des Historikers Robert Paxton, ist eine Ideologie, die Gewaltanwendung nicht rationalisieren muss, weil sie sie zum Zweck an sich erklärt. Die Toten des Faschismus sind nicht Kollateralschäden, die für ein höheres Ziel in Kauf genommen werden. Sie sind nicht einmal Opfer einer menschenverachtenden Strategie wie bei einem Genozid. Faschismus bedeutet, dass Menschen letzten Endes grundlos getötet werden, einfach weil es geht. Aus diesem Grund ist es falsch, wenn zum Beispiel im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg in Gaza Parallelen gezogen werden zwischen dem Vorgehen des israelischen Militärs gegen Palästinenser*innen und dem, was Jüdinnen und Juden in Nazi-Deutschland erlitten haben. Der Film "Die Ermittlung" lässt uns verstehen, warum. Kinostart ist am 25. Juli.


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