Bayern 2 - Zum Sonntag


1

Zum Sonntag Advent: Warten lohnt sich

Die Botschaft des Advent lautet "Warten". Und wir warten nicht umsonst. Unser Warten hat ein Ziel, sagt Hans-Joachim Vieweger im Gastkommentar.

Von: Hans-Joachim Vieweger

Stand: 06.12.2024 14:58 Uhr

Zum Sonntag: Advent: Warten lohnt sich

Ich will alles – und zwar sofort. Mit diesen Worten hat eine Schlagersängerin einmal ein Lebensgefühl beschrieben, das für uns moderne Menschen, wie mir scheint, sehr charakteristisch ist. So etwas wie Verzicht oder Warten-Können erscheint da fremd. Man muss nur an die kleinen Geräte denken, die wir inzwischen fast alle mit uns tragen und die unser Leben – ja: auch einfacher machen, aber eben auch ganz schön bestimmen: ständig brummt und bimmelt es, mit der eindringlichen Botschaft: Kümmer Dich um dies, kümmer Dich um das – und zwar am besten sofort. Ich muss mich nur selbst ehrlich fragen: erwarte ich nicht auch, dass meine Mails, meine Nachrichten unmittelbar gelesen und natürlich auch beantwortet werden? Auch wenn ich weiß, dass diese Dauer-Unterbrechungen unserer Konzentration nicht gut tun und uns bei der Arbeit beeinträchtigen.

Wie anders ist die Botschaft des Advent: Sie lautet Warten. Warten, ohne die Zeit beschleunigen zu können. Ganz ähnlich wie die Natur es uns vorlebt mit ihrem Prinzip von Säen und Ernten – es bringt nichts, am kleinen Halm zu ziehen, wenn aus der Erde das erste grün herausschaut – im Gegenteil: mit Ziehen macht man die kleine Pflanze kaputt.

Ganz ähnlich ist es mit uns Menschen. Auch wir brauchen unsere Zeit. Das merken wir häufig erst, wenn wir krank sind und mühsam Geduld lernen müssen. Dabei könnte uns mit ein bisschen Nachdenken klar sein, dass Warten, schon rein psychologisch gesehen, einen Sinn hat: Wer alles hat, der kann sich über nichts richtig freuen. Dietrich Bonhoeffer hat diesen Gedanken einmal so in Worte gefasst: "Wer nicht die herbe Seligkeit des Wartens, das heißt, des Entbehrens in Hoffnung kennt, der wird nie den ganzen Segen der Erfüllung erfahren. (…) Auf die größten, tiefsten, zartesten Dinge in der Welt müssen wir warten, da geht’s nicht im Sturm, sondern nach den göttlichen Gesetzen des Keimens und Wachsens und Werdens".

Genau das wird eben besonders deutlich im Advent: im Warten auf die Ankunft Jesu. So schön es ist, sich zum Beispiel auf die Geschenke an Weihnachten zu freuen, entscheidend ist ja, dass sich Gott auf den Weg zu uns macht. Dass wir ihm begegnen können.

Eine meiner Lieblingsfiguren aus der Bibel ist jener greise Simeon, der in Jerusalem "auf den Trost Israels wartete", wie es im Lukas-Evangelium heißt. Und der dann, geführt vom Heiligen Geist, in den Tempel kommt, just als Maria und Josef ihren kleinen Jesus zur Beschneidung bringen. Und dieser Simeon kann dann – nach einer langen Phase des Wartens und Hoffens beten: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast: denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.

Das ist die eigentliche Botschaft des Advent: Wir warten nicht umsonst. Unser Warten hat ein Ziel.


1