Bayern 2 - Zum Sonntag


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Zum Sonntag Deutschland wählt

Hans-Joachim Vieweger betont die Notwendigkeit von Respekt im politischen Diskurs, besonders in Zeiten von Polarisierung. Er unterscheidet zwischen sachlicher Auseinandersetzung und persönlichem Angriff.

Von: Hans-Joachim Vieweger

Stand: 20.02.2025

Hans-Joachim Vieweger | Bild: ARD-Hauptstadtstudio/Jens Jeske

Viele Menschen haben sich in den Wochen vor dem Wahlsonntag Gedanken über das gesellschaftliche Klima gemacht. Von Polarisierung ist häufig die Rede, beklagt wird zu viel Streit. In einer Umfrage für die evangelische Nachrichtenagentur "Idea" aus der vergangenen Woche gaben 84 Prozent der Befragten an, dass der Umgang der deutschen Politiker untereinander respektvoller sein sollte.

Nun: Meines Erachtens ist zu unterscheiden - zwischen der Auseinandersetzung in der Sache und dem Respekt vor der Person. Der Streit um die richtigen Konzepte gehört zur Politik dazu. Schwierig wird es, wenn man den anderen als Person angreift und nicht mehr um Inhalte ringt. Schwierig wird es auch, wenn Christen sich gegenseitig das Christsein absprechen, wenn sie politisch nicht so denken oder so wählen wie man selber es gerne hätte.

Ich habe das vor kurzem bei Reaktionen auf einen Hörfunk-Kommentar gemerkt - ich hatte mich zum kontroversen Thema Migration und den Diskussionen und Abstimmungen dazu im Bundestag geäußert. Ein Mit-Christ schrieb mir dazu: Mit dem Evangelium und den Worten und Taten Jesu lasse sich meine Position nicht vereinbaren. Ich habe ihm daraufhin geschrieben, welches Politikverständnis ich als Christ habe. Für mich bedeutet Politik den Versuch, in den "vorletzten Dingen", wie es zum Beispiel Dietrich Bonhoeffer gesagt hat, durch kluges Nachdenken und das Abwägen von Argumenten zu angemessenen Entscheidungen zu kommen. Und das, ohne dem anderen, der beim Abwägen der Argumente vielleicht zu einem anderen Ergebnis kommt, den guten Willen abzusprechen. In der Regel ist ja auch das eine Argument nicht zu 100 Prozent richtig und das andere zu 100 Prozent falsch - normalerweise wägen wir alle ab und werten das eine Argument eben nur etwas stärker als das andere.

Der gegenseitige Respekt ergibt sich für mich aus der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre. Sie hilft, zwischen dem himmlischen Reich und dem irdischen Reich zu unterscheiden. Auf der einen Seite geht es um das ewige Heil, auf der anderen um eine möglichst gute Ordnung. Dabei ist die Welt, wie es der Passauer Bischof Stefan Oster vor wenigen Tagen beschrieben hat, eine "wunderbar geschaffene und zugleich gebrochene und erlösungsbedürftige Welt." Der Mensch kann daher nicht das Paradies auf Erden schaffen - und wo immer er es versucht hat, hatte es katastrophale Folgen für viele, so Oster. Christen werden daher in die Politik immer auch eine gute Portion Demut einbringen: Weil Politik eben nicht das Heil schafft, sondern immer nur das Ringen um gute Lösungen sein kann.

Diese Demut drückt sich gerade auch im Gebet aus. Insbesondere im Gebet für die Regierungen, zu dem die Bibel auffordert. Wir sollen für alle Menschen, die uns regieren, beten, nicht nur für die, die uns politisch nahestehen. Und gerade damit drücken wir den Respekt vor dem anderen aus, den wir - bei allem notwendigen Streit um die Inhalte - so dringend brauchen.


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