Arbeitsfrei am Tag der Arbeit? In der Ruhe liegt die Kraft
Ausgerechnet am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, hatten wir arbeitsfrei. Das ist kein Widerspruch. Im Gegenteil. In der Ruhe, auch in der Arbeitsruhe liegt ganz viel Kraft, findet Christian Kopp, Bischof der Evangelischen Landeskirche Bayern.
In der Ruhe liegt die Kraft. Diese Redewendung kann gezielt eingesetzt Menschen richtig auf die Palme bringen. Gerne wird sie von der gleichen Person im immergleichen Zusammenhang gesagt. Mein Vater hat das zum Beispiel gerne gesagt, beim Boccia, wenn er mal wieder meine oder eine andere Kugel vom Spielfeld fegte. Ich solle doch nicht so hektisch meine Kugel rumwerfen. In der Ruhe liegt die Kraft.
Die Redewendung stimmt einfach. In Ruhe erzielt man oft wesentlich bessere Ergebnisse. Ich denke an meine handwerklichen Erfolge und an mein Scheitern dabei. Letzteres ist fast immer mit einer gewissen Ungeduld oder Hektik verbunden. Wenn ich in Ruhe etwa eine Schraube festziehe, dann hält sie danach auch wirklich.
Arbeitsfrei ausgerechnet am Tag der Arbeit
Menschen brauchen Ruhe. Als Kind fand ich den 1. Mai immer einen seltsamen Tag. Er heißt Tag der Arbeit und zeichnet sich dadurch aus, dass niemand oder wenige arbeiten. Erst im Lauf der Jahre habe ich gelernt, dass man am 1. Mai freihat, um sich der Bedeutung der Arbeit und der Mitbestimmung der Arbeitenden und Angestellten zu vergewissern. Und um sich zu erholen.
In der Ruhe liegt Kraft. Wir merken das besonders, wenn wir keine Ruhe haben. Unsere Smartphones verraten uns jeden Tag unbarmherzig, wie viel Zeit wir vor ihnen verbringen. In der Regel zu viel Zeit. Die kleinen Dinger können unglaublich Unruhe, innere Unruhe stiften mit ihren unzähligen Informationen und Botschaften. Alle sind wichtig, alle sind laut, alle fordern was.
Wenn Sie einmal ein Ruhe-Tagebuch führen über die Zeiten am Tag, an denen Sie wirklich Ruhe haben, werden Sie überrascht sein. Bei vielen Menschen sind diese Ruhezeiten erstaunlich gering. Darum sehnen sich viele auch so sehr nach freien Tagen und Urlaub. An freien Tagen hat Ruhe bei den allermeisten Menschen eine zentrale Bedeutung. Im Urlaub verwandelt sich die Zeit und sie verwandelt uns. Auf einmal leben wir so, wie wir es gerne viel öfter hätten. Wir nehmen uns Zeit zum Entspannen, Ruhen und Schlafen. In den letzten Jahren haben Auszeiten eine große Bedeutung gewonnen. Die Zahl der Menschen, die sich auf dem Jakobsweg gehend und wandernd auf die Suche nach neuer Orientierung machen, ist enorm.
Beten – Einfallstor für Ruhe
In der christlichen Tradition ist diese Suche nach der Ruhe fest verankert – nicht nur in den Urlaubszeiten. Es geht nicht nur um Auszeiten. Die Ruhe gehört in den Alltag jedes Christen und jeder Christin. Beten ist zuallererst ruhig werden, still sein. Beten kommt von Bitten. Ich bitte um Ruhe. Manche Gebete bestehen einfach nur aus dem Warten auf die Stille. Keine Worte. Stille. Ich suche mich und meine Mitte. Ich konzentriere mich auf das, was ich jetzt gerade wahrnehme. Für mich sind die Haltungen von Gebet und Meditation engstens verbunden. Das kürzeste Gebet mit Worten besteht manchmal nur aus einem Wort: Du. Bitte. Danke. Komm. Jesus Christus. Gott des Lebens.
Die Wochen nach Ostern sind in der christlichen Tradition immer verbunden mit bestimmten Haltungen, die Christen auszeichnen. Ein Sonntag heißt: Jubelt mehr. Jubilate. Der letzte Sonntag hieß: Singt. Kantate. Und diesen Sonntag: Betet. Bittet. Rogate. Vielleicht gelingt Ihnen ein Tag der Ruhe. Mit Zeit für sich. Mit Zeit für ihre innere Mitte. Und vielleicht auch mit Zeit für das Gebet. Zeit für einen Spaziergang. Für einfach nur dasitzen und der Natur zu lauschen. Oder 20 Minuten auf einer Decke im Park zu liegen. Ausatmen. Einatmen. In der Ruhe liegt die Kraft – die Kraft für jeden neuen Tag.