Bayern 2 - Zum Sonntag


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Zum Sonntag Demenz und Gottvertrauen

Haben wir es selber in der Hand, wie wir uns fühlen werden am Ende unseres Lebens? Führt der Glaube, der gelehrt wird, immer zu entspanntem Gottvertrauen? Zumindest aber könne man auf das Geschenk setzen, Gott zu vertrauen, sagt Nina Achminow.

Von: Nina Achminow

Stand: 25.08.2023

Nina Achminow | Bild: privat

Es ist schon ein paar Jahre her, da hatten wir bei uns ein Theaterstück , das hieß "Der Vater" und erzählte von einem Mann, der an Demenz erkrankte und darin versank. Das Besondere daran war, dass das Stück die Krankheit aus seiner Perspektive erzählte: Seine Tochter ging vor die Tür, um einzukaufen, kam mit den Einkäufen zurück und jetzt wurde sie von einer anderen Schauspielerin gespielt, so dass wir Zuschauenden, Außenstehenden dem dementen Mann Recht geben mussten, wenn er seine Tochter nicht erkannte.

Ein trauriges Wiedersehen

Damals habe ich das Beispiel gerne benutzt, um zu erklären, warum ich unser Theater spannender finde als, beispielsweise, den Film "Honig im Kopf", in dem der demente Vater, ach wie lustig, in den Kühlschrank pinkelt. So oder so, das Thema war mehr oder weniger geschmackvoll mehr oder weniger empathisch künstlerisch gestaltet - und weit weg. Das hat sich mittlerweile leider sehr geändert. Diesen Sommer habe ich meinem Mann die Gegend gezeigt, in der meine Oma gelebt hat, und bei der Gelegenheit eine entfernte Tante im Pflegeheim besucht. Es war ein trauriges Wiedersehen. Sie lebt wie in einer eigenen Welt - und alles, was sie noch beschäftigt, ist, was sie gerne hätte erleben wollen. Was sie erlebt hat, hat sie anscheinend vergessen.

Beim letzten Treffen konnte ich nur noch vermuten, dass er mich erkennt

Ein guter älterer Freund erkrankte an Demenz und starb binnen weniger Jahre. Bei der vorletzten Begegnung sprachen wir noch über den Glauben, und auch wenn es keine klaren Sätze mehr waren, die er bilden konnte, verstand ich doch, wovon er sprach - irgendwie grundgeborgen. Beim letzten Treffen konnte ich nur noch vermuten, dass er mich erkannte - aber auch da schien er gelassener zu sein als seine zornig glaubensferne Frau, die haderte mit jedem Zeichen des Verfalls, den das Alter mit sich bringt. Dagegen meine ebenfalls im Glauben verwurzelte Mutter. Sehr hoch betagt hat sie als Journalistin noch geschrieben, am Computer, über die Frage, ob sie einsam sei. Dann kam, klassisch für alte Leute, ein Sturz, ein Knochenbruch, die Vollnarkose, die Operation, gleich danach dann Corona.

Mittlerweile lebt auch meine Mutter in einem Pflegeheim

Die Fassade stürzte ein, so hat mir das ein Arzt erklärt. Mittlerweile lebt auch meine Mutter in einem Pflegeheim, keinesfalls einsam, sie bekommt viel Besuch von Kindern, Enkeln, Urenkeln - und vergisst fast alles. Aber sie hadert mit nichts. Der liebe Gott ist doch ein guter Mann. So hat sie es früher immer kommentiert, wenn sie jeder Lebenswendung etwas Gutes abgewinnen konnte. Und jetzt, wo sonst nicht mehr viel da ist von dem, was sie war und konnte - jetzt kann sie immer noch vertrauen. Nein, ich behaupte nicht, dass es der Glaube ist, oder etwa nur der Glaube, der uns bewahren kann vor dem Hadern und vor der Verzweiflung, wenn das Leben immer weniger wird.

Ich habe Atheisten gekannt, die lebensgelassen dahingeschieden sind

Ich habe Atheisten gekannt, die lebensgelassen dahingeschieden sind, und ich kannte Gläubige, die sich bis zum letzten Atemzug verzweifelt gewehrt haben. Aber hilfreich ist es schon, dieses glaubende Vertrauen. Dass wir letztendlich aufgehoben sind. In Gott. Wer oder was auch immer das sein mag. Neulich las ich aus dem Augenwinkel den brandaktuellen Tipp eines Lebensratgebers. Man solle sich glückliche Momente als Erinnerung speichern, ganz bewusst, wie auf einem Extrakonto, auf das man dann zurückgreifen könne, wenn das Leben nicht mehr so glücklich ist. Da musste ich an die entfernte Tante denken. An den guten Freund. An meine Mutter. Und an das gute alte Dankgebet, das vielleicht etwas Ähnliches bewirkt wie mancher moderne Psychotrick. Ich weiß nicht, ob wir es selber in der Hand haben, wie wir uns fühlen werden am Ende unseres Lebens. Ich weiß, dass der Glaube, je nachdem, wie er gelehrt wird, keinesfalls immer zu entspanntem Gottvertrauen führt. Aber wenn wir Gott vertrauen können - was für ein Geschenk!


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