Zum Sonntag Eine Bischöfin redet Trump ins Gewissen
Die Bischöfin von Washington, Mariann Edgar Budde, hat sich in einem ökumenischen Gottesdienst zur Amtseinführung direkt an Donald Trump gewandt.
Jetzt ist es also so weit. Donald Trump ist wieder Präsident. Ich weiß noch, wie wir den belächelt haben bei seiner ersten Kandidatur, und wie dann eine Kollegin sagte: ich sag`s euch: der wird das. Gibt´s nicht, sagten alle. Und dann wurde er es. Wir hatten damals eine ältere amerikanische Kollegin im Ensemble, die mir zu meiner völligen Verblüffung erzählte, sie habe selbstverständlich Trump gewählt. Ja, er sei ein Idiot, aber er werde das Establishment durchrütteln. Ich war sprachlos. Genauso jetzt, als mir ein junger Amerikaner erklärte, Kamala Harris könne man nicht wählen, die sei nicht demokratisch legitimiert, weil: nachgerückt. Und deswegen lieber Trump? Ich verstehe die Amerikaner nicht.
Jetzt ist er es also wieder geworden. Und wir alle durften seine religiöse Selbstinszenierung verfolgen bei seiner Antrittsrede. Es sei Gottes Wille, dass er das Attentat überlebt habe, um nun Amerika ins Paradies - ach nein: ins Goldene Zeitalter zu führen. Dieses wohlfeile religiöse Pathos ist Wasser auf die Mühlen der Religionsverächter und Kampfatheisten, mit denen ich mich manchmal rumstreite. Da sähe man doch wieder, wozu dieser angebliche Gott eigentlich diene! Deswegen freut es mich besonders, wie klar, wie deutlich und wie mutig sich Kirchenvertreter gegenüber Trumps Ankündigungen geäußert haben. Kardinal Kupich, Erzbischof von Chicago, bezog sich auch auf den Papst, als er Trumps Pläne als Affront gegen die Würde aller Menschen und Gemeinschaften bezeichnete.
Zur Autorin:
Nina Achminow ist freie Autorin. Hauptberuflich arbeitet sie am Renaissance- Theater Berlin.
Noch direkter wurde die anglikanische Bischöfin Mariann Edgar Budde. Dass amerikanische Präsidenten zum Gottesdienst in die Washington National Cathedral gehen, hat Tradition, und dass die Predigt Aufgabe der Bischöfin ist, stand lange vor dem Wahlergebnis fest. Aber dass sie ihn dann in ihrer Predigt direkt angesprochen hat, ihn um Erbarmen bat für die Menschen, die Gottes liebende Hand genauso nötig haben, wie er selbst sie gefühlt zu haben sagte; dass sie gesprochen hat für die große Mehrheit der Einwanderer, die keine Kriminellen seien, sondern gute Nachbarn, treue Mitglieder von Religionsgemeinschaften - und wichtige Arbeitskräfte, die Nachtschichten stemmen! - dass sie ihm das ins Gesicht sagte, das war eine unmittelbare Reaktion auf seine Rede. Es kommt wohl eher selten vor, dass eine Predigt so große Aufmerksamkeit erreicht. Ihre Worte und die Aufnahmen von Trumps versteinerter Miene in der Kirche gingen um die Welt. Und jetzt - so spottet das Netz - fordert Trump eine Entschuldigung von ihr, weil sie Jesu Barmherzigkeit erwähnt hat.
Er ist wieder Präsident, das ist nicht zu ändern. Und auch bei uns stehen ja nun Wahlen an. Ein Entweder-Oder-System wie in Amerika haben wir glücklicherweise - um nicht zu sagen, Gott sei Dank - nicht. Aber gibt’s nicht, sage ich auch nicht mehr. Auch bei uns wird populistisch getönt. Auch wir sind nicht immer gut darin, zu diskutieren, abzuwägen, in der Sache zu streiten, um Kompromisse zu ringen, mit Dissonanzen umzugehen und uns auf den Grund zu besinnen, auf dem wir alle stehen. Auch wir müssen sprechen. Wir dürfen es, wir können es, und müssen uns die Mühe geben. Konkret zu bleiben, inhaltlich, menschlich respektvoll - und beharrlich.
Ein Beispiel gibt uns Bischöfin Budde in ihrer Antwort auf Schmähungen und Drohungen, denen sie sich nach ihrer Predigt ausgesetzt sieht. Sie sagt, man könne mit dem, was sie gesagt oder getan habe, nicht einverstanden sein, aber sie wünsche sich, dass man «als Amerikaner und Mitkinder Gottes» respektvoll miteinander sprechen könne. Gott sei Dank für eine Stimme, die uns so ein Beispiel gibt. Uns als Christen, uns als Humanisten, uns als Menschen.