Zum Sonntag USA 2025 - Christentum jenseits der Nächstenliebe
Die Titelzeile der "New York Times" ist echt. Man muss sie zweimal lesen und sich versichern, dass man nicht auf einen Schwindel hereingefallen ist. Es ist ein Faktencheck darüber, ob Donald Trump weiß, wie man eine Bibel in der Hand hält. Das Ergebnis: Er weiß es. Immerhin.
Die Titelzeile der "New York Times" ist echt. Man muss sie zweimal lesen und sich versichern, dass man nicht auf einen Schwindel hereingefallen ist. Die Zeile lautet im Zitat: "Nein, Trump hielt am Lafayette Square die Bibel nicht verkehrt herum". Es ist ein Faktencheck darüber, ob Donald Trump weiß, wie man eine Bibel in der Hand hält. Das Ergebnis: Er weiß es. Immerhin.
Zum Autoren:
Der Theologe und Autor ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Strategieberatung "Demokratie in Arbeit".
Am 1. Juni 2020, inmitten der Black-Lives-Matter-Demonstrationen um den Mord an George Floyd hält Trump eine Bibel in die Kamera. Während die Polizei Protestierende mit Reizgas von der Straße prügelt und die Nationalgarde in Bereitschaft versetzt wird, weil Demonstranten für ihre Mitmenschen auf die Straße gehen, bemüht sich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika um eine Zurschaustellung seines christlichen Glaubens. Nur, es will ihm nicht recht gelingen. Fünf Jahre zuvor hat Donald Trump bereits bei einer Veranstaltung in Iowa die Bibel als sein Lieblingsbuch bezeichnet. Als die Journalisten von Bloomberg Donald Trump einen Tag später nach seinem Lieblingsvers in der Bibel fragen, fällt diesem keiner ein.
Trump gibt sich bibel-begeistert, aber überzeugt nicht
Der 47. Präsident der USA und der christliche Glaube, das scheint ein kompliziertes Verhältnis zu sein. Das bekam die anglikanische Bischöfin Mariann Edgar Budde hautnah zu spüren. Als Donald Trump im Rahmen seiner zweiten Amtseinführung den Gottesdienst in der Washington National Cathedral besucht, ist es Budde, die ihn in ihrer Predigt um Erbarmen bittet, um Nachsicht und Schutz für diejenigen, die nun Angst haben, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, die sich am Rande der Gesellschaft befinden. Was daraufhin passiert, hat Marianne Edgar Budde in ihrem lesenswerten Buch "Mutig sein" niedergeschrieben. Im Anschluss an den Gottesdienst erhält sie zahlreiche Drohungen und Anfeindungen.
Erbarmen wird angefeindet - Hetze wird belohnt
Der anglikanische Priester Calvin Robinson erfährt hingegen eine ganz andere Behandlung. Robinson hat sich im Vereinten Königreich und in den Vereinigten Staaten einen Namen gemacht, weil er den Kolonialismus verteidigt und sich gegen Reparationszahlungen für die Sklaverei ausspricht. Er setzte sich für den Brexit ein und bezeichnet die "Black Lives Matter"-Bewegung als eine "Organisation von Neokommunisten", denen es um die Zerschlagung von Staat und Familie ginge. Wo immer es darum geht, Maßnahmen gegen den Rassismus zu kritisieren, ist Robinson nicht weit. Am 1. November 2024 sieht man ihn als Redner auf einem Pro-Trump-Event, wo er gegen Flüchtlinge, Migranten und Muslime agitiert. Am 25. Januar 2025 zeigt er auf der Veranstaltung einer Anti-Abtreibungsorganisation den Hitlergruß und imitiert damit Elon Musk, der für dieselbe Geste kurz zuvor in die Kritik geraten ist.
Daraufhin entlässt ihn die anglikanisch katholische Kirche wegen dieser Grenzüberschreitung aus dem Amt. Doch er fällt weich, veröffentlicht kurz darauf Bilder, die ihn bei einem Abendessen in Mar-a-Lago, dem Anwesen von Donald Trump zeigen. Robinson wird von Trump-Anhängern in den sozialen Medien gefeiert. Er repräsentiert ein Christentum, das den Rechtsextremen behagt. Das sich gegen die Armen, Alten, Kranken und Schwachen wendet.
Christentum der amerikanischen Rechten: gegen Arme, Alte, Schwache
Die moralischen Verfehlungen von Trump und Musk, die gemeinsam 19 Kinder mit 7 verschiedenen Frauen gezeugt haben, scheinen die sonst oft prüden US-amerikanischen Christen hingegen nicht zu stören. Wo sonst der Wert der heterosexuellen Familie in herausragender Weise betont wird, schweigen die US-amerikanischen Vorzeige-Christen. Wer sich für die Armen und Ängstlichen einsetzt, wird beleidigt, wer Barmherzigkeit verlangt, erfährt unbändigen Hass. Wer allerdings den Holocaust verharmlost und sich in die Fußstapfen des nationalsozialistischen Regimes stellt, wird für das Zeigen des Hitlergrußes mit Einladungen zum US-amerikanischen Präsidenten belohnt.
Es ist die Pervertierung der Worte Jesu Christi, des christlichen Glaubens und der US-amerikanischen Demokratie. Die Doppelmoral der christlichen Rechtsextremen, die anderen Religionen, etwa dem Islam jegliche Moral absprechen, aber selbst bei moralischen Verfehlungen schweigen, ist himmelschreiend.
Nein. Dies ist nicht das Christentum, das den Menschen als Geschöpf Gottes zur Nächstenliebe verpflichtet. Es ist nicht das Christentum der Bibel. Auch dann nicht, wenn man es schafft sie richtig herum in eine Kamera zu halten.