Zum Sonntag Vertrauen
Vertrauen kann ein Trost sein auch für uns in unserer krisengeschüttelten Zeit. Denn es befreit, hoffnungsvoll und engagiert zu handeln, meint Uwe Birnstein.
Ein außergewöhnliches politisches Ritual steht uns da morgen bevor: Der Bundeskanzler stellt die "Vertrauensfrage".
Jenseits der politischen Querelen und Bedeutung: Ich finde gut, dass der Begriff Vertrauen wieder eine Rolle spielt. Vertrauen ergänzt Berechenbarkeit mit Hoffnung. Wer einem anderen Menschen sein Vertrauen schenkt, sagt damit: Ich glaube, er wird es gut machen. Ich vertraue auf dessen Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Er oder sie ist eine ehrliche Haut und hält Versprechen. Auch die, die im Wahlkampf gemacht wurden.
Verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen ist schwierig und langwierig - in privaten Zusammenhängen, in der Politik erst recht. Politikerinnen und Politikern versuchen, sich bei sogenannten "Bürgerdialogen" als vertrauenswürdige Menschen darzustellen, die auch mal lachen und gerne Selfies machen lassen. Ob so wirkliches Vertrauen im bevorstehenden Kurz-Wahlkampf entstehen kann? Ich habe meine Zweifel.
Sozialwissenschaftler bescheinigen unserer Gesellschaft eine Vertrauenskrise. Das Vertrauen in die Politik, in die Wirtschaft, in die soziale Gerechtigkeit sei geschwächt. Das Vertrauen in eine gute und lebenswerte Zukunft wird geringer, zeigen Umfragen, gerade bei jungen Menschen. Auch die Kirchen sind von der Vertrauenskrise nicht verschont. Seit die vielen Fälle sexueller Gewalt und deren Vertuschung ans Tageslicht kommen, leiden sie unter massivem Vertrauensverlust. Das ist besonders tragisch. Denn gerade die Kirchen wollen doch eigentlich eine fromme Antwort auf den Vertrauensverlust bieten: Die frohe Botschaft nämlich, dass Gott die einzige absolut vertrauenswürdige Instanz ist. "Wer auf den Herrn vertraut, dem wird nichts fehlen", verspricht eine biblische Weisheit. Diese Erfahrung teilen Gläubige seit 3000 Jahren.
Dieses Vertrauen kann ein Trost sein auch für uns in unserer krisengeschüttelten Zeit. Denn es befreit, hoffnungsvoll und engagiert dort zu handeln, wo Vertrauen in irdische Angelegenheiten gut wäre, auch wenn es missbraucht wurde. Vertrauen darein, dass der menschengemachte Klimawandel aufzuhalten ist. Vertrauen darein, dass nicht Waffen, sondern fantasievolles Friedenstiften die Kriege dieser Welt beenden wird. Vertrauen darein, dass sich in den Despotenstaaten dieser Welt Demokratie und Menschenrechte durchsetzen werden. Dass die Nahrungsmittel so verteilt werden, dass kein Mensch mehr hungern muss. Und, nicht zuletzt: Vertrauen darein, dass mindestens in den Kirchen so gelebt wird, wie es gepredigt wird.
Unserer Gesellschaft ist das Vertrauen abhandengekommen - dafür ist die morgige Vertrauensfrage des Bundeskanzlers ein wirkmächtiges Bild. Doch bei allem Misstrauen, was da nach der Abstimmung schwarz und weiß zu sehen sein wird: Die Vertrauensfrage ermöglicht, dass neues Vertrauen wachsen kann. Das macht mir Hoffnung.