Albrecht Dürer Unterwegs zum großen Renaissance-Maler
"Meine Lust trug mich mehr zur Malerei": So begründete Dürer nachträglich, warum er die Goldschmiedlehre bei seinem Vater abbrach und von 1486 bis 1489 in die Lehre bei dem Maler Michael Wolgemut ging.
Bei dem Nürnberger Meister lernte er die niederländisch angehauchte Porträtkunst, die Dürer zum Beispiel noch in seinem Selbstbildnis von 1498 anwandte. Bezeichnend für diese niederländische Tradition ist der Landschaftsausschnitt hinter einer Brüstung in der rechten Bildhälfte. Bezeichnend für Dürers nachhaltige Inspiration durch Italien ist indes die Kopfbedeckung des Künstlers - sie war Ende des 15. Jahrhunderts in Venedig üblich.
Erste Einblicke in die Kunst des Holzschnitts
In der modernen Malerwerkstadt von Michael Wolgemut - auch direkt in der Nachbarschaft der Burgstraße, in der Dürer aufwuchs - nahm Dürer auch teil an der Produktion von großen Holzschnittfolgen, die damals in Nürnberg gedruckt wurden. Drucker und Verleger für die Illustrationen aus Wolgemuts Werkstatt war Anton Koberger, der ein gigantisches Unternehmen führte mit über 20 Druckerpressen und gut 100 Gehilfen. Bei Koberger konnte Dürer sehen, welches Potenzial die Druckgrafik, die für ihn bald so wichtig werden sollten, hat. Der Nürnberger Drucker und Verleger war dem jungen Künstler besonders gewogen: Er war sein Taufpate.
Wanderschaft 1490-94
Der Druckgrafik gab sich Dürer auch auf seiner gut dreijährigen Wanderschaft hin, auf die der Vater ihn mit 19 Jahren geschickt hatte. Genau lässt sich nicht rekonstruieren, wohin ihn seine Reise als Malergeselle führte. Auf jeden Fall reiste er nach Kolmar im Elsaß, wo er allerdings den berühmten Maler Martin Schongauer nicht mehr antraf - Schongauer war kurz zuvor gestorben. Und er hielt sich eine ganze Weile am Oberrhein auf, wo die Produktion von Druckgrafiken blühte und er einige signierte Druckstöcke hinterließ: In Basel blieben seine Buchillustrationen zum "Heiligen Hieronymus" und dem "Ritter vom Turn".
Die auf der Wanderschaft entstandenen Vorzeichnungen zu Selbstbildnissen und verschiedenen Christus-Gemälden zeigen, dass Dürer sich auch als Maler zügig weiterentwickelte. Schon sein 1493 entstandenes Selbstbildnis mit Blume lässt an Kühnheit der Darstellung und Auffassung alles hinter sich, was Dürer aus seiner Heimat kannte. Neben der Datierung notierte er den so selbstbewussten wie gottergebenen Spruch: "Meine Angelegenheiten werden höheren Ortes von Gott bestimmt". In der Forschung gilt dieses Selbstporträt des 22-jährigen Dürer als das "erste autonome Selbstbildnis der abendländischen Kunst".
Eine gute Partie in Nürnberg
Auftraggeber aus der Nachbarschaft
Diese Patrizier kannte Dürer aus seinem direkten Umfeld aus der Burgstraße und sie erteilten ihm nach seiner Italienreise Aufträge:
- Willibald Pirckheimer
- Hans und Felicitas Tucher
- Stephan Paumgartner
- Wolf Haller
- Jakob III. Muffel
Im Juli 1494, zwei Monate nach seiner Rückkehr nach Nürnberg, heiratete Albrecht Dürer die 23-jährige Agnes Frey, was sein Vater für ihn eingefädelt hatte und ihn trotz mäßig hoher Mitgift gesellschaftlich etablierte: Agnes Frey wohnte nicht weit entfernt von Dürers Geburtshaus in der Burgstraße. Sie stammte aus einer Nürnberger Patrizierfamilie, und aus diesen Kreisen rekrutierten sich die ersten Aufträge für den Porträtkünstler Dürer. Doch vorher – drei Monate nach der Hochzeit – die Ehe blieb kinderlos – ging er wieder auf Reisen: Dürer fuhr nach Venedig und kehrte erst acht Monate später zurück.
Bande zwischen Nürnberg und Italien
Anders als zur Goethezeit, als Reisen nach Italien fast ein Muss im Lebenslauf der Künstler wurden, waren solche Reisen zu Dürers Zeiten noch nicht die Regel. Eher orientierten sich die Künstler nach Norden, insbesondere an den niederländischen Vorbildern. Doch die reichen Nürnberger Kaufleute - darunter auch die Eltern von Dürers Schwiegermutter, sie war eine geborene Rommel, unterhielten lebhafte Verbindungen mit Italien. Viele von ihnen waren humanistisch geprägt und liebten das südliche Land, in dessen Kunst die Antike wieder auferstanden war. Die Rommels hatten zum Beispiel in Venedig eine Niederlassung, aber obwohl Dürer sich dorthin aufmachte, ist nichts darüber bekannt, ob er die Geschäftsverbindungen der Nürnberger genutzt hat, um auf seiner Reise Aufträge zu bekommen. Es sieht so aus, als sei diese Reise eine reine Studienreise gewesen - beflügelt von Dürers Wunsch, in Italien die Kunst der Moderne zu entdecken: die Renaissance.
Spuren der ersten Italienreise
Die Haller Madonna wirkt so italienisch, dass sie lange für eine Arbeit Giovanni Bellinis gehalten wurde. In Wahrheit hat sie Wolf III. Haller, Sohn einer großen Nürnberger Patrizierfamilie, bei Dürer in Auftrag gegeben. Sie ist ein deutliches Beispiel, wie prägend die erste Italienreise für den Nürnberger Maler war! Viele andere Gemälde, die Dürer im Anschluss an seine erste Italienreise malte, zeugen vom Einfluss der frühen venezianischen Renaissance-Maler Andrea Mantegnas, der Brüder Gentile und vor allem Giovanni Bellinis.
Wegweisende Aquarelle?
Die Landschaftsaquarelle, die Dürer auf der ersten Italienreise und danach gemalt hat, geben einen Einblick in die sonst nur sehr lückenhaft bezeugte Reiseroute - Dürer malte ein gutes Dutzend Aquarelle, darunter Ansichten vom Schloss von Segonzano und von Innsbruck - und zeugen vor allem vom Einfluss Bellinis. Von nun an fasste Dürer die natürlichen Begebenheiten und die topografischen Orte als Einheit auf: Gebäude, Bäume, Berge und Wege erscheinen wie ein organisches Ganzes, das eine spezifische Atmosphäre hat. Wiewohl er nur etwa bis 1500 Landschafts-Aquarelle malte, wurde Dürer zu einem Wegbereiter der autonomen Landschaftsmalerei in Deutschland. Seine Kunst als Aquarellmaler wurde erst spät gewürdigt, lange galten seine Landschaftsskizzen nur als Studien für Bildhintergründe und wurden recht preiswert gehandelt.
Die Nürnberger Schau wirft auch einen neuen Blick auf diese Landschaftsaquarelle: Sie begreift sie eher in der mittelalterlichen Tradition der Exempla, die Dürer systematisch erstellt und als Muster gesammelt hat, nicht zuletzt, um sich als weitgereister Maler und Zeichner in seiner Heimat selbst zu empfehlen - Stichwort "Self-Fashioning".