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Sex im Alltag Wie finden Paare Zeit für Sinnlichkeit?

Job, Kinder, Haushalt, Hobbies – da bleibt für die Partnerschaft oft nur wenig Zeit. Wie lassen sich trotzdem Inseln für Sinnlichkeit schaffen? Die Paartherapeuten Ann-Marlene Henning und Christoph Schubert geben Tipps für den Alltag.

Stand: 10.02.2020

Christoph Schubert und Ann-Marlene Henning | Bild: BR

Bayern 2: Wie würden Sie Sinnlichkeit definieren?

Christoph Schubert: Die meisten Menschen denken bei Sinnlichkeit gleich an Sex, an Penetration. Für mich ist es wichtig, den Begriff zu weiten. Sinnlichkeit ist viel mehr. Es fängt damit an, sich Zeit zu nehmen. Sich vielleicht ein Gedicht vorzulesen oder in Ruhe gut zusammen zu essen. Sich erst einmal zu entspannen und bei sich anzukommen.

Ann-Marlene Henning: Das finde ich eine hervorragende Erklärung, weil es ums Spüren und ums Wahrnehmen geht – und das ist eben nicht nur der Sex. Es geht darum, dass man sich Zeit dafür nimmt in der Hektik, in der wir leben.

Stichwort übersexualisierte Gesellschaft. Sind Filme, Social-Media-Posts oder Werbung heute derart sexuell aufgeladen, dass wir im eigenen Schlafzimmer keine Lust mehr haben?

Schubert: Ich würde sagen, es gibt durchaus eine Übersexualisierung im Sinne von vielen Reizen, die auf uns einprasseln. Zu mehr Sinnlichkeit führt das nicht, eher zu einer Art Konsumdenken von sexuellen Reizen – und dann zu einer Entladungsidee oder Leistungsidee.

Henning: Und es kommt noch erschwerend hinzu, dass in Serien, Filmen und Liedern alles immer perfekt klappt. So wird die Idee bestätigt, dass der Sex als Form der Sinnlichkeit von alleine ganz selbstverständlich passiert. Und wenn das nicht so ist, denken Paare oft, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Wenn man einmal keine Lust hat, kommt man nicht drauf, dass es – grade in einer langährigen Beziehung – bewusste Aufmerksamkeit braucht.

Haben Männer und Frauen da unterschiedliche Bedürfnisse?

Schubert:
Männer, die in meine Praxis kommen, haben oft nicht das Konzept, dass es unheimlich lang sein soll und schön und ausgeweitet, sondern dass es auch sehr schnell gehen kann. Und die Männer haben oft das Gefühl: Die Frauen mögen das nicht.

Henning: Diese Männer kenne ich auch. Ich kenne aber auch genau diese Frauen, die sagen: Ich möchte einfach nur schnell Sex haben. Und dieses, wo ich weiß: Ich muss jetzt auf Touren kommen, ich muss jetzt gestreichelt werden – 20, 30 Minuten oder eine Stunde lang – das will ich heute nicht. Er will es aber.

Kann man es üben, sich wieder als sexuelles Wesen zu sehen?

Henning:
Definitiv. Vielleicht nimmt man sich einfach vor: Ich will mich heute Abend als sexuelles Wesen an die Tür begeben und meinen Mann begrüßen, wenn er nach Hause kommt. Also: Kleinigkeiten finden, wo man das probieren kann.

Schubert: Ich mache manchmal so eine kleine Übung, dass einer sich als Sexualobjekt arrangiert und der andere spielt den Fotografen und nimmt es auf. Gerade dieses Objekt-Sein in einer Beziehung ist ja unheimlich anmachend, für beide Seiten. Und das kann man üben.

Henning: Ich mag auch die Idee, dass man sich täglich küsst und jeder Kuss mindestens sieben Sekunden dauert. Da reden wir nicht von Zungenküssen, sondern davon, dass ein kleiner, ein wahrer Kontakt zustande kommt. Ganz kurz innehalten und einander wirklich spüren. Und das dauert meist fünf bis sieben Sekunden.


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