Und täglich grüßt die Ritterrüstung Vom Wohnen im Schloss
Wohnen im Schloss: Die allermeisten unter den großen und bedeutenden Baudenkmälern sind heute in staatlichem Besitz und nur noch Museen. Bei kleineren Schlössern ist das anders. Sie werden heute noch bewohnt - oft sogar von den alten Besitzerfamilien…
Schloss Eichbichl in Jakobneuharting im oberbayerischen Landkreis Ebersberg wirkt nicht wirklich einladend, eher trotzig, ein kompakter Bau, der nichts mit einem Klein-Versailles zu tun hat, schon gar nichts mit Neuschwanstein. Drei Stockwerke hoch und frei steht es in der Landschaft. Schloss Eichbichl wurde erstmals 1330 als Steinhaus erwähnt, aber wahrscheinlich ist es sogar noch fünfzig Jahre älter. Dass es überhaupt wieder so wohnlich geworden ist, daran hat die Familie von Raben einen großen Anteil. Mitte der 90er Jahre haben Rea von Raben und ihr Mann Ulrich das Schloss gekauft.
"Ich weiß noch, im ersten Winter 95 auf 96, da stand ich zwei Tage oben und habe mit Eimern den eingeflogenen Flugschnee durch die Dachluke nach außen gekippt. Die Fenster knallten bei einem starken Wind knallten auf, und im Herbst 95 flogen uns die Ahornsamen und die Birkensamen herein und man war dauernd nur am Kehren. Wir zogen dann den Kindern drei Pullover übereinander an, und sie haben mit abgeschnittenen Handschuhen Hausaufgaben gemacht, in der Küche reihum, weil andere Zimmer waren eigentlich kaum warm zu kriegen, vor allen Dingen nicht oben. Und ich warf dann immer so abends um Sechs Wärmeflaschen in die Betten, dass es nicht ganz so klamm war, wenn die Kinder abends ins Bett gingen."
Rea von Raben, Schloss Eichbichl
Eigentlich ist Rea von Raben ausgebildete Ärztin. Damals wurde Schloss Eichbichl ihr "Patient". Fenster wurden erneuert, auch der Kamin, Wände im Erdgeschoss trockengelegt. Worauf die 66-jährige Schlossherrin besonders stolz ist: Seit einigen Jahren wird der alte Steinkoloss allen Unkenrufen zum Trotz umweltfreundlich mit Geothermie beheizt. Ein Energiezaun, der Schloss Eichbichl so gut wie autark machen soll, ist in Planung. Es galt viel zu investieren - aber man kriegt auch vieles zurück. Einen großen Garten drumherum inklusive Bach, die jahrhundertealte Bodenplatte aus dem wasserundurchlässigen, heimischen Gestein Nagelfluh, die 1,90 Meter dicken Wände im Erdgeschoss, die Fenster nach allen Seiten, die unverstellten Blick auf das bayerische Voralpenland bieten. Vor allem aber …
"… die Stille. Ich glaube der richtige Luxus oder der wahre Luxus in der heutigen Zeit ist Stille. Und wenn es nachts dunkel ist, wenn Sie im Sommer hier die Milchstraße sehen. Oder vielleicht erinnern Sie sich noch, als dieser Komet Hale-Bopp vorbeizog? Da hingen wir an diesen Fenstern mit den Kindern nachts und haben das Wandern dieses Kometen verfolgt. Davon sprechen die Kinder heute noch!"
Rea von Raben, Schloss Eichbichl
Etwa eine halbe Autostunde von Schloss Eichbichl entfernt, im Landkreis Rosenheim, erhebt sich Schloss Amerang - mächtig, weiß verputzt mit zwei Türmchen - über das gleichnamige Dorf. Schloss Amerang wurde 1072 erstmals urkundlich als Edelsitz erwähnt. Im 16. Jahrhundert bauten die im Exil lebenden Herren von Verona, die Scaliger, eingebairischt als "Herrn von der Leiter", einen trapezförmigen Arkadenhof in die alte gotische Burg. Nach den Scaligern waren die Grafen Lamberg Schlossherren auf Amerang, bis es 1821 durch Heirat an die heutige Besitzerfamilie, die Freiherren von Crailsheim, ging. Die 23. Generation, Ortholf Freiherr von Crailsheim und seine Frau Giulia Freifrau von Crailsheim-Larisch, setzt eine lange Geschichte fort. Anders als die von Rabens, die sich aus freien Stücken dazu entschlossen haben, Schloss Eichbichl zu kaufen und "aufzupeppeln" hat Ortholf von Crailsheim das damals einsturzgefährdete Schloss Amerang gegen seine ursprünglichen Pläne von seinem Vater übernommen, nachdem seine Geschwister "Nein danke" gesagt hatten.
"Ich hab halt gesehen, dieses Gebäude braucht Hilfe. So habe ich es wenigstens empfunden. Und dann habe ich mich einfach dafür entschieden und habe gesagt okay, ich helfe dir. Ich hatte letzte Woche ein Gespräch mit einer Firma, und da sind wir halt unterschiedlicher Meinung gewesen und habe ich dann auch wieder zu hören bekommen: 'Ja, du hast es ja alles geerbt, und ich habe mir quasi meine Firma selbst erarbeitet, und du bist quasi privilegiert da hineingeboren'. Und dann reißt mir schon irgendwo der Faden, weil ich finde, dass es einfach keine Art, darüber zu reden, weil es definitiv kein Geschenk ist."
Ortholf Freiherr von Crailsheim, Schloss Amerang
In den damals nur noch von einem Stützgerüst gehaltenen Arkadenhof, geht es über eine Holzbrücke, die Ortholf von Crailsheim in den 90er Jahren nachrüsten ließ und die an diesem Wintertag schneebedeckt ist. Dann über einen gepflasterten und heute überdachten Eingangsbereich und durch eine schwere doppelflügelige Holztür. Durch die zweite Tür müssen wohl die meisten Besucher durchtauchen: Sie ist nur etwa einen Meter 40 hoch. Das lohnt sich aber für einen Blick in den Innenhof, der mit unzähligen Lichtern beleuchtet werden kann und im Fall der Fälle auch eine Regenhaube bekommt. Schloss Amerang ist mittlerweile zu einem Großunternehmen mit Land- und Forstwirtschaft, Pferdezucht, Hotel- und Veranstaltungsbetrieb mit der längsten privaten Kulturreihe Bayerns, Museum und einer Jagd mit eigenem Wildbretverkauf geworden. Alles in Eigenregie.
"Natürlich erfüllt einen das mit Glück und Freude und Stolz. Aber man muss sich das immer wieder verinnerlichen, dass man eben nicht immer nur die Arbeit sieht, sondern sich auch manchmal freut über das. Aber wir fahren hoch und sagen 'Oh Gott, das gehört gestrichen', 'Ja, oh Gott, der Baum, der fällt bald', 'Oh Gott, der Boden kriegt wieder Löcher'. Wir machen eigentlich auch überhaupt keinen Urlaub. Der Betrieb lässt das nicht zu. Und ich war immer ein Mensch, der gerne umgezogen ist und Pläne hatte und gerne auch ja die Zukunft so plant, dass man mal woanders lebt und das Leben mal verändert. Und das ist komplett ausgeschlossen. Die Endgültigkeit, die so ein Betrieb mit sich führt, dass man einfach niemals mehr umziehen kann, das hat mir so ein bisschen zu beißen gegeben."
Giulia Freifrau von Crailsheim-Larisch, Schloss Amerang
Das bayerische Denkmalamt listet aktuell rund 1600 Schlösser auf. Ein Teil ist in privater Hand. Etwa 160 private Schlosseigentümer sind Mitglieder im Bayerischen Denkmälerverein zur Erhaltung privater Baudenkmäler und sonstiger Kulturgüter. Ein großes Missverständnis, mit dem private Schlossbesitzer oft zu kämpfen haben: Sie können zwar Investitionen für Sanierungsmaßnahmen steuerlich geltend machen - bekommen aber - anders als gemeinhin angenommen - eher selten Geld vom Staat.
"In unserem Fall war es so, als das Schloss am Boden lag und ich das von meinem Vater übernommen habe und dann die Bauarbeiten, das waren damals 6,6 Millionen Mark. Das konnte ich unmöglich privat aufbringen. Hier war es so, dass wir damals von der Städtebauförderung, der Stiftung Denkmalschutz, dem Entschädigungsfonds, auch von der Gemeinde Amerang unterstützt worden sind, dass wir diese Sanierung umsetzen können. Da war das Ziel, das Schloss so hinzustellen, dass es wieder funktionsfähig ist, dass ich daraus quasi wieder die Kosten durch Einnahmen generieren kann. Seitdem haben wir keinerlei Unterstützung mehr bekommen."
Ortholf Freiherr von Crailsheim, Schloss Amerang
Der Himmel ist blau, die Sonne strahlt, aber es ist wieder kalt. Der Raureif hat sich über das Fell der Pferde gelegt, die im Offenstall von Schloss Aufhausen im oberbayerischen Landkreis Erding stehen. Das denkmalgeschützte Schlossgebäude ist ein bayerisches Barockschloss, das einer überdimensionierten Villa gleichkommt: Erdgeschoss plus zwei Stockwerke. Über die mit Laub übersäte Kiesauffahrt kommt Schlossherr Georg Freiherr von Hammerstein gestapft. Fast als ob er das Klischee erfüllen will, in einer grünen Wachsjacke und mit einem etwas in die Jahre gekommenen braunen Strickstirnband über den grauen Locken.
"Gekauft wurde es von meinem Ururgroßvater, dem Gründer der Bayerischen Vereinsbank. Und das war eine herrliche Episode, der musste als Augsburger Banker, der sich dann in München niedergelassen hat, einen Sitz wählen, der einen Tagesritt maximal von der Hauptverwaltung der Bayerischen Vereinsbank entfernt ist. Und die Kardinal-Faulhaber-Straße ist ungefähr einen Tagesritt entfernt, nämlich 35 Kilometer, und das war sein Sitz, als er hierher gezogen ist von Augsburg her. Und ich bin in der 5ten Generation hier. Aus dem alten Verwalterhaus ist ein Bürotrakt geworden, aus den Knechtwohnungen fünf Wohnungen geworden, wo jetzt ein Australier, Bulgaren, noch mal Bulgaren, Italiener und alle möglichen Leute wohnen, die in München arbeiten. Da wohnt ein Graf Montgelas, aus einer sehr berühmten Familie, viel berühmter als unsere jemals sein kann."
Georg Freiherr von Hammerstein, Schloss Aufhausen
In Adelskreisen wird Schloss Aufhausen deshalb auch liebevoll "Aristo-WG" genannt. Den Eltern hat Georg von Hammerstein den ehemaligen Kuhstall als Austragshäusl umgebaut. Im gemeinsamen Garten kommen die Familien zusammen, lassen die Kinder auf dem Trampolin hüpfen oder grillen gemeinsam. Eine Art Dorfgemeinschaft im Schloss. Ideal für Homeoffice-Arbeitende, weil schön und ruhig, ideal auch für Pendler, weil nah zum Flughafen, zur Autobahn und mit eigenem S-Bahn-Anschluss - der Bahnhof ein Überbleibsel aus der Zeit, als vom landwirtschaftlichen Betrieb Zuckerrüben abtransportiert werden mussten. An Mietinteressenten mangelt es - wenig überraschend - nicht. Meist läuft es über Mund-zu-Mund-Propaganda. Und auch andere Interessenten kommen…
"Neulich klopft es an der Tür hier unten und da standen dann wildfremde Menschen mir gegenüber im Haus. So nach dem Motto: ‚Wollt mich mal umschauen‘. Da sag ich: ‚Freut mich, wenn Sie sich umschauen wollen, aber es ist eigentlich privat‘. Steht eigentlich auch überall sehr deutlich, dass es privat ist."
Georg Freiherr von Hammerstein, Schloss Aufhausen
Zum Schloss gehört auch eine eigene Kapelle, die Georg von Hammersteins Eltern wiederherrichten haben lassen. Auf dem Schlossgelände ist natürlich ein Garten angelegt, ein Teich, außerdem gibt es einen Tennisplatz und noch eine ganz besondere Attraktion: Bayerns älteste überdachte Kegelbahn aus dem Jahr 1897 mit handgeschnitzten Kegeln. Der 57-jährige Freiherr von Hammerstein ist nicht auf Schloss Aufhausen aufgewachsen, sondern im Würmtal, und hat 12 Jahre in London gelebt. Das Schloss hat er erst vor drei Jahren von seinen Eltern übernommen und damit viel Verantwortung und Arbeit. Eine Aufgabe für den Rest seines Lebens.
"Man hat eben immer noch die Verantwortung gegenüber sich selbst und gegenüber der Gesellschaft, dass man sich seinen Namen quasi nicht beschmutzt und besudelt und sich auch würdig des Namens erweist. Und dazu gehört es, erstens mal irgendwie eine anständige Gesinnung zu haben und mit dem Erbe des Familiennamens und dem Erbe der Familie sorgfältig umzugehen. Insofern ist zum Beispiel auch so Eigentum kein Eigentum im klassischen Sinne. Wenn ich eine Eigentumswohnung habe, dann habe ich die, um eigentlich aber auch, um sie eventuell mal wieder zu verkaufen. So einen Besitz verkauft man nie."
Georg Freiherr von Hammerstein, Schloss Aufhausen