Tasten-Träume aus Bayreuth Die Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne
Die Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne aus Bayreuth macht in der Öffentlichkeit wenig Aufhebens um sich. Doch in Fachkreisen sind die High-End-Produkte weltweit gefragt.
Schon im Hof des Rokokopalais, in dem die Firma Steingraeber & Söhne residiert, dringt Klaviermusik aus allen Ritzen.
Doch bis so ein großer Konzertflügel in vollem Glanz erklingen kann, braucht es viele Handwerker-Spezialisten, ja Klangkünstler. Sie arbeiten daran Hand in Hand, auf den vier Stockwerken des historischen Manufakturgebäudes – und das monatelang.
"Hier sind wir in der Bodenmacherei, auch Hochzeitsraum genannt. Hier verheiraten wir die Akustik mit der Statik. Die Statik ist diese Graugussplatte, die nimmt die Saitenzugkräfte auf, die bis zu 20 Tonnen sein können, und zur Akustik gehört der Resonanzboden, quasi der Lautsprecher des Instruments."
Alexander Kerstan, Klavierbaumeister
Alexander Kerstan, der Betriebsleiter Technik, ist selbst Klavierbaumeister und hat dazu noch BWL studiert. Er kennt das Handwerk von der Pike auf.
"Der Resonanzboden besteht aus Bergfichtenholz. Das sind Bäume, die ungefähr um die 200 Jahre alt sind und in einer Höhe von 1.000 Metern wachsen. Wir verwenden hier nur fünf bis acht Prozent dieses Holzes, weil der Resonanzboden das Herzstück des Instruments ist. Hier können wir nur das beste Holz, das wir kriegen können, verwenden."
Alexander Kerstan, Klavierbaumeister
Manchmal wird auch der neue Werkstoff Carbon genutzt, denn, bei hoher Luftfeuchte "arbeitet" der nicht und ist damit ideal für den Einsatz bei Open-Air-Konzerten. Alexander Kerstan führt weiter in die Schlosserei. Hier stehen große 200 bis 400 Kilo schwere Metall-Gussplatten, die später den Saitenzug aushalten müssen. Sie werden mit Kränen bewegt, dann gefräst, gebohrt, geschliffen und lackiert. Jede Platte fällt ein bisschen anders aus. Früher kamen sie von einer Gießerei in Bayreuth, doch die brannte vor etwa zehn Jahren ab. Glücklicherweise konnten die Gussmodelle gerettet werden.
Bauzeiten: sechs Monate für ein Klavier, mindestens ein Jahr für einen Flügel
Bis zu 660 Löcher müssen per Hand - und auf den Mikrometer genau - in den Rahmen gebohrt werden. Präzisionsarbeit ist gefragt, sonst gibt es später Probleme. Von diesem ersten Schritt bis zur Vollendung eines Klaviers vergehen sechs Monate, für einen Flügel brauchen die Werkstätten mindestens ein Jahr Zeit. Dazu gehören auch die langen Pausen im Produktionsprozess, in denen das Material sich an die neue Aufgabe gewöhnen kann.
In der Schreinerei werden die Klaviere und Flügelteile hergestellt. Es riecht ganz wunderbar nach Holz. Hartes Ahornholz aus Kanada, weiches Bergfichtenholz vom Alpenrand, aber auch federleichtes Holz aus Afrika. Damit wird ein Flügeldeckel um ein Drittel leichter und lässt sich einfacher öffnen. Daneben gibt es noch ein Furnierlager, einen Keller für die Flügelzargen, einen Trockenraum und eine Oberflächenbearbeitung, wo die Klaviere ihren letzten Schliff bekommen.
Hochwertige Handwerkskunst aus Bayreuth
Alle Werkstätten eint das konzentrierte und ruhige Arbeiten. Es wird immer wieder geprüft und angepasst. Jeder Handgriff sitzt: keine Fließbandarbeit in Eile, sondern hochwertigste Handwerkskunst. Das ist auch im sogenannten "Klavierbereich" der Fall. Ab hier übernimmt Andreas Kaul die Führung, er ist Marketing-Chef bei Steingraeber & Söhne. Gerade werden die 230 Saiten aufgezogen und zum ersten Mal gespannt. Ein Instrument "erwacht" langsam.
"Hier kommt's weniger auf den Klang an, sondern darauf, dass sich die Saiten an den Zug gewöhnen und eben stabil sind. Denn hinterher, wenn man an die klangliche Ausgestaltung geht, muss es dann schon stabil sein."
Andreas Kaul, Marketing-Chef von Steingraeber & Söhne
Ein Klavierbauer besaitet in Handarbeit einen Flügel – in der Klaviermanufaktur Steingraeber und Söhne.
"Zwicken" nennen die Klavierbauer diesen Vorgang. Sind die Saiten auf Normalspannung, bauen Schreinermeister die typischen Möbelteile um die akustische Anlage herum. Dann sieht es erstmals so aus wie ein Klavier. Auch hier muss jedes Teil individuell eingepasst werden - Maßschneiderei sozusagen. Das gilt auch für den Einbau der Mechanik. Beim Klavier dauert das 15 Stunden, beim Flügel dreimal so lang.
Die klanglichen Weihen für Klaviere und Flügel
Nun geht es ins oberste Stockwerk, hier werden die Flügelmechaniken eingebaut. Im letzten Werkstattraum bekommt das Instrument dann seine "klanglichen Weihen".
"Hier kommen die Flügel und Klavier her, wenn sie schon funktionieren als Instrument. Also wenn ich die Tasten berühre, kommt Klang raus, aber es kommt noch kein Steingraeber-Klang raus. Also hier im letzten Schritt, wir nennen das Intoniersaal, werden die Instrumente mit dem Steingräber-Klang versehen. Also wir haben 88 Tasten, jeder Hammerkopf ist mit einem Filz überzogen. Unserer stammt vom australischen Merinoschaf, weil das eine wahnsinnig gute Qualität ist, hat eine starke natürliche Elastizität, und die wird mit einer sogenannten Intoniernadel bearbeitet. Das ist schon eine richtige Wissenschaft."
Andreas Kaul, Marketing-Chef von Steingraeber & Söhne
Einspielmaschinen testen die Klaviere
Aber noch immer nicht darf der Flügel zum Kunden oder in den Showroom. Erst wird er tagelang hart rangenommen. Früher wurden für dieses Einspielen Klavierstudenten bezahlt. Inzwischen erledigt das die Einspielmaschine - ein ganzes Wochenende lang - ohne Pause.
Instrumente für 27.000 bis 280.000 Euro
Durch viele Meisterhände geht so sein Flügel - Monate lang. Er wird mit Schraubzwingen und hydraulischen Pressen traktiert, bis hin zur feinen Intoniernadel. Etwa 120 Instrumente im Highend-Bereich entstehen so jährlich. Preisklasse: von 27.000 Euro für das kleinste Klavier, bis zum Konzertflügel für 150.000 € - je nach Ausführung auch 280.000 Euro. Wer leistet sich so ein Klavier?
"Wir hatten im letzten Jahr eine Exportquote von 70 Prozent, also fast drei von vier Instrumenten gehen ins Ausland. Der größte Kundenanteil sind Musikhochschulen, die ungefähr 2/3 der Klaviere und Flügel abnehmen."
Andreas Kaul, Marketing-Chef von Steingraeber & Söhne
Und wie sieht es mit der Konkurrenz aus?
"In Deutschland gibt’s tatsächlich noch einige Hersteller, in manchen anderen Ländern wie Frankreich oder Italien gibt’s gar keine mehr. Es gibt insgesamt noch drei, die 100 Prozent in Deutschland fertigen, das sind neben Steingraeber August Förster in Sachsen und Sauter in Baden-Württemberg. Es gibt noch ein paar andere Hersteller wie z. B. Sailer in der Nähe von Würzburg, oder Bechstein, oder Steinway in Hamburg, die fertigen eben teilweise in Deutschland, teilweise kommen aber auch Teile oder Vorfertigung dazu in anderen Ländern, wie Tschechien oder Polen oder Asien. Aber in Deutschland haben wir immer noch die Situation, dass es mehrere Hersteller gibt und Made in Germany ist gerade bei Klavier noch ein ganz ganz großes Qualitätsmerkmal."
Andreas Kaul, Marketing-Chef von Steingraeber & Söhne
Keine Massenware, nur Qualität
Udo Schmidt Steingraeber übernahm vor 40 Jahren die Geschäftsführung und entschied: keine Massenware, nur Qualität. Heute führen er und seine Frau die Geschäfte immer noch. Er ist kein Boss, kein Manager, sondern im besten Sinne des Wortes ein Chef, ein Patron, ein Direktor und Impressario - ein Mann mit einer Mission und mit Visionen, und spürbarer Leidenschaft fürs Klavier. Wir treffen ihn im hauseigenen Museum in der 1. Etage. Dort eilt er gleich zu seinem Lieblingsinstrument, das Urinstrument der Firma: Eduard Steingraeber opus 1, aus dem Jahr 1852.
"Das Meisterstück von Eduard Steingraeber, sozusagen das Urinstrument der Firma überhaupt hier in Bayreuth. Hier gegenüber haben wir ein Instrument, da steht Steingraeber und Companie drauf, und das ist der Grund, warum wir eben 200. Jubiläum feiern, das ist nicht das Bayreuther sondern das Thüringische, dort wurde 1820 in Rudolstadt und auch in Neustadt Orla jeweils eine Klavierwerkstatt von Christian Gottlieb gegründet und Christian war der Vater von Eduard."
Udo Schmidt Steingraeber, Geschäftsführer
Tüftler am Werk
Ein Klavierbauer bei der Endregulierung einer Flügelmechanik in der Werkstatt der Klaviermanufaktur Steingraeber und Söhne in Bayreuth.
Nebenan, am berühmten Liszt-Flügel, versucht sich ein Besucher an einer Beethoven-Sonate. Wir schleichen vorbei in den modernen Kammermusiksaal. Auch hier zeigt sich, dass die Firma fast besessen an neuen und alten Klängen arbeitet. War im 19. Jahrhundert das Sordino-Pedal noch üblich, geriet es später in Vergessenheit. Steingraeber hat den Effekt auf Wunsch eines Pianisten, der Schubert original einspielen wollte, wiederentdeckt und weiterentwickelt. Für eine Querschnittgelähmte Pianistin erfand Steingraeber eine Pedalsteuerung über ein Rückenkissen. Im Moment ist man mit zwei Forschungseinrichtungen daran, die Steuerung über eine Art "Kaugummi-Steuerung" im Mund zu ermöglichen. Hier sind Tüftler am Werk. Dem Chef ist der enge Kontakt zu den Pianisten extrem wichtig.
"Was wir tun können ist, sie immer wieder einzuladen, ganz genau zuzuhören, wenn unsere Chefs, die Klaviervirtuosinnen und Klaviervirtuosen spielen, auch mal kritisieren, auch mal loben auch mal Wünsche äußern."
Udo Schmidt Steingraeber, Geschäftsführer
Ein Chef voller Leidenschaft und Tradition
Die Leidenschaft und Tradition bekam der heutige Chef quasi in die Wiege gelegt. Doch eigentlich wollte er weg von Bayreuth, und hat dann auch in München Jura studiert.
"Aber wie es dann Spitz auf Knopf kam, und das kam ganz überraschend mit dem Tod meines Vaters, habe ich mich dann doch für diese ewige Tradition entschieden und für diese wunderbaren Menschen mit denen man zu tun hat, auf der Produktionsseite aber auch auf der Kundenseite, alles ist wirklich spannend. Wir haben hier ja Weltstars als Kunden und Nachwuchskünstler, wir haben aber genauso gut die ganz kleinen Anfänger, die hier reinkommen mit ihren Eltern und die ersten Versuche machen. Also es ist ein Riesenspaß und eben auch mit diesem Produkt."
Udo Schmidt Steingraeber, Geschäftsführer
Goldene Jahre mit Wagner und Liszt
Der Original Flügel des Komponisten Franz Liszt in der Klaviermanufaktur Steingraeber und Söhne in Bayreuth.
Die goldenen Jahre der Firma lagen sicher im 19. Jahrhundert, als Wagner den Klavierstimmer Steingraeber holte, als Liszt seine Konzerte im Firmen-Palais spielte. Der zweite Weltkrieg traf dann auch Steingraeber hart. Zwischen 1945 und 1948 wurden gerade einmal zwölf Klaviere gebaut. Nach dem Krieg hielt man sich mit dem Bau von Radiogehäusen für die Firma Grundig über Wasser. Die Corona-Pandemie war ein neuerlicher Einschnitt: Das Auslandsgeschäft, immerhin 2/3 des Umsatzes, brach komplett ein. Aber so mancher im Inland besann sich darauf, wie wichtig ein gutes Klavier zuhause ist.
Viele Veranstaltungen in den "Steingraeber Klavierwelten"
Die "Steingraeber Klavierwelten" sind ein Klavier-Universum und man holt über ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm bewusst die Leute hinein in diese Welt. Dafür ist Birgit Michaelis zuständig.
"Es gibt eine Kombination aus Lesung und Konzert, speziell im Sommer während der Bayreuther Festspiele, das sind die sogenannten Werkeinführungen. Als kleines Beispiel: Parzival kommt am Nachmittag im Festspielhaus, dann wird am Morgen die Werkeinführung gemacht."
Birgit Michaelis
Daneben gibt es die Zeit für neue Musik, das Osterfestival, die Konzertreihe "Junge Meisterpianisten" und vieles mehr. Frau Michaelis weiß gar nicht, wo sie aufhören soll. Führungen, Kooperationen, Ausstellungen, Seminare, CD-Aufnahmen. Seit Jahren stellt die Firma auch die Flügel für das Festival "Jazz Bayreuth", denn auch für Jazz sind diese Instrumente wie geschaffen, weiß Kaspar Schlösser, der 1. Vorsitzende des "Jazzforum Bayreuth".
"Die Möglichkeit im Hause Steingraeber Konzerte zu veranstalten ist sensationell für uns, welcher Jazz-Club kann seinen Mitgliedern diese Atmosphäre mit solchen Instrumenten bieten. Das ist auch einzigartig, was Udo Schmidt-Steingraeber und seine Frau auf die Beine stellen, da merkt man, da ist man wirklich mit Leib und Seele dabei."
Kaspar Schlösser, 1. Vorsitzender des 'Jazzforum Bayreuth'
Werbung für Kulturstadt Bayreuth
Auch im Rathaus ist man auf das Traditionsunternehmen stolz. Man kennt sich in Bayreuth. Udo Schmidt Steingraeber und Oberbürgermeister Thomas Ebersberger waren sogar mal Klassenkameraden.
"Sie werben nicht nur in Bayreuth, sondern weltweit für ihre ausgefeilte deutsche Handwerkskunst und Made in Germany, und damit ist es auch eine Werbung für den Wirtschaftsstandort Bayreuth und auch für die Kulturstadt Bayreuth. Insofern ist es wichtig, solche Betriebe zu haben, und es ist sehr gut, dass ein Traditionsunternehmen wie Steingraeber seinen Sitz in Bayreuth hat und halten möchte."
Thomas Ebersberger, Oberbürgermeister von Bayreuth
Die kommende Generation steht schon in den Startlöchern
200 Jahre Klavierbautradition wollen aber auch weitergeführt werden. Wie sieht es mit der Nachfolge aus? Die beiden Kinder Fanny und Alban sind seit 2017 auf den internationalen Messen dabei - machen Kundenbesuche im Ausland. Sie wissen bereits, auf was sie sich einlassen, wenn der jetzige Prinzipal einmal das Zepter abgibt.