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Anpassungsstörung Wann machen Belastungen im Leben seelisch krank?

Es passiert immer öfter: Menschen, die sich bislang komplett gesund gefühlt haben, entwickeln plötzlich körperliche und seelische Symptome. Irgendwann gehen sie zum Arzt, häufig mit der Befürchtung, ganz schwer krank zu sein. Am Ende steckt oft eine sogenannte Anpassungsstörung dahinter.

Stand: 11.10.2022 |Bildnachweis

Anpassungsstörung: Mann stützt resigniert seinen Kopf auf die Hände. | Bild: picture-alliance/dpa

Eine unerwartete schwierige Lebenssituation hat die Betroffenen aus der Bahn geworfen und Beschwerden verursacht – häufig, ohne dass sie selbst den Zusammenhang erkannt hätten. Ist die Verbindung zwischen Lebenskrise und Symptomen aber erst einmal hergestellt, kann in der Regel schnell und effektiv geholfen werden.

Experte:

Prof. Reinhart Schüppel, Chefarzt der Johannesbad Fachklinik Furth im Wald

Eine 'Anpassungsstörung' war im Diagnose-System psychischer Krankheiten zunächst eine 'Restkategorie', in der Probleme gesammelt wurden, die anders nicht erfasst werden konnten. Dennoch hat sich im Laufe der Zeit eine eigenständige Krankheit beschreiben lassen, zunehmend auch gut abgegrenzt von anderen Diagnosen wie Depression oder Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS).

Warum die Kategorie 'Anpassungsstörung' sinnvoll ist

Früher ist man davon ausgegangen, dass bei den reaktiven Störungen nur ganz extreme Ereignisse, wie etwa Geiselnahmen oder das Erleben eines schweren Verkehrsunfalls, nachhaltige psychische Probleme hervorrufen können. Durch diese aus heutiger Sicht falsche Annahme sind über lange Zeit viele Betroffene mit seelischen Beschwerden 'durch das Raster gefallen' und nicht angemessen behandelt worden. Zu Recht ist die Kategorie der 'Anpassungsstörung' eine heute bewährte Diagnose geworden. Sie beschreibt Probleme, die man hat, wenn man sich an eine unerwartete, schwierige Situation von 'mittlerer Stärke' nicht anpassen kann.

Keine 'Modediagnose'

Bei der Anpassungsstörung handelt es sich nicht um eine bloße 'Modediagnose'. Es hat sich deutlich gezeigt, dass die Symptome schneller wieder vergehen und weniger langfristige Schäden bleiben, wenn man Menschen bei der Bewältigung von Krisen unterstützt, die jedem passieren können.

"Zur Modediagnose würde die Anpassungsstörung dann, wenn man damit jede beliebige kurzfristige Verstimmung aufgrund auch banaler Anlässe, wie zum Beispiel schlechter Noten oder eines kurzen Streits unter Nachbarn, zum Krankheitsbild hochstilisieren würde."

Prof. Reinhart Schüppel, Chefarzt der Johannesbad Fachklinik Furth im Wald.