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Autismus-Spektrum-Störungen Was brauchen Menschen mit Autismus?

Sozial unbeholfen treten sie in jedes Fettnäpfchen, sind dafür aber brillant in Mathe oder in Biologie: So werden Menschen mit Autismus in den Medien meist dargestellt, wie Sam Gardner in der Netflix-Serie Atypical oder Raymond Babbit im Film Rain Man. Doch diese Eigenschaften sind nur ein kleiner Teil des großen Autismus-Spektrums. 

Von: Marlene Mengue

Stand: 28.03.2023

Eine Junge sitzt alleine auf einer Treppenstufe in einem Treppenhaus. | Bild: stock.adobe.com/New Africa

Autismus ist eine tiefgreifende neuronale Entwicklungsstörung. Betroffene sind anhaltend in der sozialen Interaktion und der Kommunikation beeinträchtigt. Außerdem zeigen sie stereotype Verhaltensmuster und eingeschränkte Interessen. Die Störung manifestiert sich meist früh in der Kindheit und hält bis ins Erwachsenenalter an. 

Expertin:

Privatdozentin Dr. Ellen Greimel, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an der LMU München

Eine Autismus-Spektrums-Störung zeigt sich in den folgenden drei Bereichen, wobei die Auffälligkeiten je nach Unterform variieren können:

Soziale Interaktion: Menschen mit Autismus haben Schwierigkeiten, die Emotionen anderer Menschen zu erkennen und nachzuempfinden und auch die eigenen Gefühle einzuordnen und zu zeigen. Es fällt ihnen schwer, Beziehungen zu anderen aufzubauen und zu pflegen, zwischen den Zeilen zu lesen und Sarkasmus oder Ironie zu verstehen. Außerdem haben Menschen mit Autismus Probleme, Mimik, Gestik und Blickkontakt moduliert einzusetzen, um beispielsweise ein Gespräch zu beginnen. Visuelle und auditive Reize werden sehr stark wahrgenommen, sodass Menschen mit Autismus oft reizüberflutet sind und mit Rückzug oder Aggression reagieren.

Kommunikation: Die Sprachentwicklung bei Kindern mit Autismus ist verzögert oder bleibt ganz aus. Viele betroffene Kinder benutzen ungewöhnliche Wortneuschöpfungen für bestimmte Dinge, auch weit über den Zeitraum hinaus, in dem dies bei Kindern üblich ist. Ihre Stimme klingt oft monoton. Betroffenen fällt es schwer, ein wechselseitiges Gespräch, insbesondere Smalltalk, zu führen.

Repetitive Verhaltensmuster, eingeschränkte Interessen und Aktivitäten: Menschen mit Autismus halten sich stark an Rituale, Regeln und Strukturen. Daher haben sie große Probleme mit Veränderungen. Sie haben häufig zwanghafte Züge: Essen wird zum Beispiel nur gegessen, wenn es eine bestimmte Form oder Farbe hat. Außerdem typisch sind bestimmte Handbewegungen wie das Wedeln der Hände in Augenhöhe. Diese sogenannten Manierismen dienen zur Stimulation oder Beruhigung. Menschen mit Autismus haben oft sehr spezifische Interessen, denen teilweise so stark nachgegangen wird, dass sie das Leben der Betroffenen einschränken können, weil die Gedanken nur noch darum kreisen. 

Neben diesen Hauptmerkmalen treten bei Betroffenen häufig eine weitere Reihe psychischer Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten auf: Schlaf- und Essstörungen, Depressionen, Angststörungen und aggressives oder selbstverletzendes Verhalten.  

In Deutschland wird bislang noch zwischen den drei Formen frühkindlicher und atypischer Autismus sowie Asperger-Syndrom unterschieden:

Beim frühkindlichen Autismus, der vor dem 36. Lebensmonat auftritt, sind alle Hauptsymptome des Autismus vorhanden.

Der atypische Autismus zeigt sich erst nach dem 3. Lebensjahr oder erfüllt nicht alle Diagnosekriterien des frühkindlichen Autismus.

Beim Asperger-Syndrom sind die sprachliche und kognitive Entwicklung nicht beeinträchtigt.

Experten gehen immer mehr dazu über, wie beispielsweise in den USA üblich, von einer Autismus-Spektrum-Störung zu sprechen. Der Grund: Die einzelnen Diagnosen lassen sich nicht immer genau voneinander abgrenzen. Die Grenzen sind oft fließend. Forscher gehen heute eher von einem Spektrum an milden bis sehr schweren Erscheinungsformen der gleichen Entwicklungsstörung aus. 

Erste Anzeichen von Autismus treten ab dem 12. - 18. Lebensmonat auf. Das Kind brabbelt nicht, es nimmt keinen Blickkontakt auf, verwendet keine Zeigegesten und reagiert kaum auf den eigenen Namen. Es interessiert sich mehr für Gegenstände als für Personen. Übergänge fallen ihm im weiteren Entwicklungsverlauf besonders schwer. Ein klassischer Fall: Die Eingewöhnung in die Kita. Das Kind nimmt keinen Kontakt zu den anderen Kindern auf, zieht sich in eine Ecke zurück, hält sich die Ohren zu, ist geräuschempfindlich. 

"Da sind natürlich die Kinder mit Autismus plötzlich mit einem Umfeld konfrontiert das aus dem Blickwinkel der Kinder sehr unstrukturiert ist. Diese Veränderung fällt ihnen sehr schwer."

Dr. Ellen Greimel

Kinder mit Autismus spielen auch anders als Gleichaltrige: Das nachahmende oder "So tun als ob"-Spiel fällt diesen Kindern schwer. Mit Spielzeug gehen sie anders um:

"Die Kinder nehmen ein Auto in die Hand, aber stellen sich nicht vor, dass das Auto zum Beispiel eine Straße entlangfährt. Sondern sie nehmen das Auto und drehen lang an dem Rad und hören vielleicht dem Geräusch zu. Aber es entsteht nicht dieses Symbolspiel, wie man es von einem gesunden Kind eben kennt."

Dr. Ellen Greimel

Autismus ist überwiegend genetisch bedingt. Das beweisen Zwillingsstudien: Bei eineiigen Zwillingen haben in der Regel beide Geschwister Autismus, anders als bei zweieiigen. Man geht davon aus, dass bei den meisten Fällen eine Vielzahl von Genen involviert sind. Es handelt sich um eine hochkomplexe Ursachenlage mit vielen möglichen Kombinationen genetischer Abweichungen. Damit erklären Forscher die große Bandbreite an Ausprägungen des Autismus-Spektrums.

Eine wesentlich kleinere Rolle spielen andere Faktoren wie ein niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburtlichkeit und Sauerstoffmangel während der Geburt. 

"Das sind unspezifische Faktoren, das heißt, die finden Sie auch bei vielen anderen  psychischen Störungen. Man nimmt an, wobei hier noch viel Forschung erforderlich ist, dass die diese Faktoren auch ein Wechselspiel mit den Genen aufweisen."

Dr. Ellen Greimel

Auch eine Röteln-Infektion der Mutter während der Schwangerschaft kann ein Risikofaktor sein. Zahlreiche andere mögliche Faktoren, zum Beispiel das Alter der Eltern oder der Einfluss von Umweltgiften, werden ebenfalls als Risikofakotren diskutiert.

Autismus sollte in spezialisierten Zentren diagnostiziert werden. Am Anfang steht der detaillierte Bericht der Eltern über die Entwicklungsgeschichte des Kindes: Wie war die sprachliche Entwicklung? Tritt es mit anderen Kindern in Kontakt? Reagiert es, wenn die Eltern den Namen rufen?

Dazu kommt die Verhaltensbeobachtung. Je nach Alter des Kindes werden bestimmte Spiel- und Gesprächssituationen kreiert.

"Beispielsweise fange ich ein Gespräch an: Jetzt haben wir zwei schon so viele Aufgaben bearbeitet, ich habe jetzt richtig Hunger! Und dann wartet man: Wie reagiert das Kind darauf? Gibt es etwas von sich preis? Fragt es nach? Kommt ein Gespräch zustande?"

Dr. Ellen Greimel

Wichtig ist auch eine Intelligenz- und Entwicklungsdiagnostik sowie bei sprachlichen Auffälligkeiten eine Sprachentwicklungsdiagnostik. Außerdem wird das Kind internistisch und neurologisch untersucht, um andere Faktoren auszuschließen - wenn das Kind zum Beispiel auf Ansprache nicht reagiert, muss eine Hörbehinderung ausgeschlossen werden. 

"Diese ganzen Puzzlesteine werden dann zusammengesetzt. Wichtig ist eben, dass die Diagnostik von Experten und Expertinnen durchgeführt wird, die Erfahrungen haben, was das Störungsbild anbelangt, aber auch, was den gesunden Entwicklungsverlauf anbelangt, um das abgrenzen zu können. Dann kann eine Einschätzung erfolgen, ob die Diagnose vergeben wird oder nicht."

Dr. Ellen Greimel

Oft dauert es lange, bis Eltern eine Diagnose erhalten. Das liegt auch daran, dass eine Vielzahl anderer möglicher Diagnosen und Vermutungen ausgeschlossen werden muss: Eine Regulationsstörung kommt bei mehreren psychischen Störungen im Kindesalter vor, zwanghafte Verhaltensweisen können auch auf eine Zwangsstörung hinweisen. Ein Kind, das keinen Kontakt zu anderen Kindern aufnimmt, gilt vielleicht zunächst als besonders schüchtern.

Deutlich mehr Jungen bekommen eine Autismus-Diagnose: Auf jedes diagnostizierte Mädchen kommen vier oder fünf Jungen. Allerdings weisen Studien darauf hin, dass Mädchen unterdiagnostiziert sind. Sie müssen schwerwiegendere Symptome aufweisen, um eine Diagnose zu erhalten. Das liegt unter anderem daran, dass Autismus bis vor einigen Jahren als "Jungenkrankheit" galt. Auch können Mädchen bestimmte Beeinträchtigungen, insbesondere in der sozialen Interaktion, besser kompensieren.

"Immer mehr Kinder bekommen Autismus-Diagnose" - bei solchen und ähnlichen Schlagzeilen könnte man meinen, dass die Entwicklungsstörung in den letzten Jahren stark zugenommen hat. 

"Früher ist man davon ausgegangen, dass eine Störung aus dem autistischen Spektrum bei ungefähr vier bis fünf von 10.000 Menschen auftritt (also 0,04 bis 0,05 Prozent der Bevölkerung, Anm. der Redaktion). Inzwischen sind diese Schätzungen, was die Häufigkeit anbelangt, aber verändert: Man sagt, ein Prozent der Bevölkerung ist betroffen, wobei es auch konservativere Schätzungen gibt"

Dr. Ellen Greimel

Ellen Greimel geht davon aus, dass es sich hierbei nicht um eine wirkliche Zunahme der Fälle handelt, sondern allein eine Zunahme der Diagnosen: Die starke Darstellung von Menschen mit Autismus in den Medien hat dazu beigetragen, dass die Entwicklungsstörung in der Gesellschaft präsenter ist. Außerdem habe sich laut Ellen Greimel die Diagnostik verbessert. Und: Heutzutage werden, anders als früher, auch leichte Formen des Autismus diagnostiziert. 

Autismus ist nicht heilbar. Die Symptome können jedoch deutlich gemindert werden. Betroffene können lernen, mit ihren Beeinträchtigungen umzugehen. Bei Kindern wird das gesamte Umfeld (Eltern, Geschwister, Lehrer usw.) in die Behandlung einbezogen. Vorrangiges Ziel der Therapie ist es, dem Kind Fähigkeiten zu vermitteln, um ein möglichst selbständiges Leben zu führen und eine größtmögliche Teilhabe zu erreichen.

Verhaltenstherapeutisch basierte Ansätze: Bei diesen sehr strukturierten Therapieansätzen lernen Kinder, sprachliche Fähigkeiten oder die Fähigkeit, andere zu imitieren, zu verbessern. Außerdem werden störende Verhaltensmuster wie aggressives Verhalten abgebaut. In sozialen Kompetenztrainings lernen ältere Kinder und Jugendliche die wechselseitige Interaktion, also zum Beispiel in Gesprächen dem Gegenüber Fragen zu stellen und auf seine Antworten einzugehen.

Anpassung der Umwelt: Hilfreich ist auch, die Umwelt für Betroffene so anzupassen, dass sie sich gut darin zurechtfinden. Ein solches Konzept ist TEACCH (Treatment and Education of Autistic and Related communication-Handicapped Children, auf Deutsch: Behandlung und pädagogische Förderung autistischer und in ähnlicher Weise kommunikationsbehinderter Kinder). Dieses Konzept soll Betroffenen helfen, Raum, Zeit und Tätigkeiten besser zu visualisieren und dadurch zu strukturieren. Der Tagesablauf beispielsweise wird als Plan visualisiert, an dem sie sich orientieren können: Ich stehe auf, danach ziehe ich mich an, danach gibt es Frühstück … 

"Die Umwelt muss natürlich auf die Menschen mit Autismus zugehen und schauen, wie man auch die Stärken fördern und nutzen kann. Das ist auch für das Selbstbewusstsein der betroffenen Menschen sehr wichtig."

Dr. Ellen Greimel

Medikamente: Es gibt kein Medikament, das die Kernsymptomatik lindern kann. Bestimmte Begleitsymptome wie Angst, Aggressivität oder Zwänge können als ein Bestandteil der Gesamtbehandlung medikamentös, zum Beispiel mit Antidepressiva, behandelt werden.

"Eine medikamentöse Therapie kann begleitend zu einer psychosozialen Behandlung sinnvoll sein. Wenn die störenden Verhaltensweisen dadurch ein Stück weit reduziert sind, können sich die Kinder besser auf die Behandlung einlassen."

Dr. Ellen Greimel

In Fernsehserien oder Filmen werden Menschen mit Autismus sehr häufig als hochintelligent dargestellt. Der Film "Rain Man" aus dem Jahr 1988 hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Autismus oft mit Hochbegabung gleichgestellt wird. Da Menschen mit Autismus sich sehr stark für spezifische Dinge interessieren, kommt es tatsächlich vor, dass manche von ihnen in einem bestimmten Teilbereich erstaunliche Fähigkeiten entwickeln, zum Beispiel im Kopfrechnen oder in der Merkfähigkeit. Diese sogenannte Inselbegabung zeigt sich laut Dr. Ellen Greimel bei rund zehn Prozent der Menschen mit Autismus. Allerdings könne nur ein Teil diese Begabungen so einsetzen, dass sie für die Betroffenen von Nutzen sind. 

Entgegen der medialen Darstellung ist nur ein kleiner Teil der Menschen mit Autismus überdurchschnittlich begabt. Bei Autismus kommen alle Ausprägungen der Intelligenz vor. Ein Teil der Betroffenen hat unterdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten oder eine geistige Behinderung. 

"Es gibt natürlich die Menschen mit Autismus, die überdurchschnittlich begabt sind. Es gibt aber einfach auch viele Betroffene, die schwere Beeinträchtigungen haben und auf sehr viel Unterstützung angewiesen sind."

- Dr. Ellen Greimel

Grundsätzlich können Kinder und Jugendliche mit normaler Intelligenz die Regelschule besuchen. Allerdings stellen die Klassengröße, die vielen sozialen Situationen mit Mitschülern und Lehrern und der Lärmpegel eine enorme Herausforderung dar. 

"Kinder mit Autismus haben auf Regelschulen ganz schön zu kämpfen, weil die Regelschulen bestimmte Merkmale nicht aufweisen, die die Kinder mit Autismus bräuchten."

Dr. Ellen Greimel

Kinder mit Autismus profitieren von kleinen Klassen mit einem Lehrer, der viel über das Krankheitsbild weiß, und zusätzlicher pädagogischer Unterstützung, zum Beispiel durch einen Schulbegleiter. Außerdem brauchen sie Rückzugsmöglichkeiten, wenn die vielen Reize sie überfordern. 

Viele Menschen mit Autismus arbeiten in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Ungefähr 90 Prozent der Menschen mit Autismus schaffen es nicht, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Selbst mit einem guten Schulabschluss scheitern viele Betroffene, weil sie Schwierigkeiten mit Teamarbeit und der zwischenmenschlichen Kommunikation haben und als wenig belastbar gelten. Tätigkeiten mit viel Publikumsverkehr oder mit ständig wechselnden Aufgaben seien tatsächlich wenig geeignet, sagt Ellen Greimel. Doch es gebe Nischenbereiche, in denen Menschen mit Autismus regelrecht aufblühen können: Durch ihren Fokus auf Details sind sie beispielsweise bei der Fehlersuche besser als ihre nicht-autistischen Kollegen - ein wichtiger Skill in der IT-Branche. Die Münchner IT-Firma Auticon stellt daher bevorzugt Menschen mit Autismus ein.

Betroffene profitieren von einer frühzeitigen Diagnostik und einem frühen Therapiebeginn. Die Förderung der sprachlichen und sozialen Fähigkeiten hilft ihnen, ein möglichst selbständiges Leben zu führen. 

"Dass selbst diejenigen, die auf fremde Hilfe angewiesen sind, lernen, möglichst vieles selbständig zu machen. Dass sie auch ein Kompetenzerleben haben, dass sie in ihren Stärken gefördert werden, das ist ein ganz wichtiger Aspekt für ihr Selbstbewusstsein."

Dr. Ellen Greimel

Wichtig ist außerdem die Psychoedukation: Betroffene wie Eltern, Geschwister, Freunde und pädagogisches Personal sollten möglichst genau über die Störung Bescheid wissen, damit sie Verständnis für die Eigenheiten und Bedürfnisse entwickeln können. Für Eltern gibt es spezielle Elterntrainings, in denen sie lernen, mit den Verhaltensweisen ihres Kinds umzugehen. Ein möglichst tolerantes Umfeld, das die Störung nicht stigmatisiert, hilft Betroffenen sehr. Ideal ist ein Umfeld, das Menschen mit Autismus inkludiert, wie reizarme Orte auch im öffentlichen Raum. So haben beispielsweise einige Supermärkte in Deutschland bereits auf die Bedürfnisse von Menschen mit Autismus reagiert und eine "Stille Stunde" eingeführt, bei der sie bei gedimmtem Licht und ohne Hintergrundmusik und Lautsprecherdurchsagen einkaufen können. 

Der Begriff der Neurodiversität wird neuerdings oft verwendet, um Autismus und andere neurologische Störungen wertfrei zu beschreiben – in Abgrenzung zum negativ konnotierten Begriff der Behinderung. Nicht-autistische Menschen werden als neurotypisch beschrieben. Die Neurodiversitätsbewegung möchte den Blick auf die Stärken von Menschen mit Autismus richten; ihre Behinderung soll nicht als Störfaktor, sondern Teil ihrer Persönlichkeit wahrgenommen werden. Für Expertin Dr. Ellen Greimel ein kontroverses Thema:

"Positiv finde ich an dem Begriff, dass die Stigmatisierung dadurch ein Stück weit zurückgeht. Auf der anderen Seite muss man finde ich sehr darauf achten, dass dann die die Grenzen nicht verschwimmen. Man sollte die Erkrankung nicht verharmlosen, denn es gibt viele Betroffene, die sehr auf Hilfen angewiesen sind. Es ist wichtig, dass man diesen Bedarf sieht und dem auch gerecht wird."

Dr. Ellen Greimel