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Was ist typisch Franken? Zur Eröffnung der Bayerischen Landesausstellung 2022

Am 25. Mai beginnt die Bayerische Landesausstellung. Sie steht unter dem Motto "Typisch Franken?". Wir haben vorab zwei Leute hingeschickt: den mittelfränkischen Schriftsteller Helmut Haberkamm und den Münchner Autor Thomas Grasberger.

Von: Helmut Haberkamm und Thomas Grasberger

Stand: 19.05.2022 | Archiv

Was ist typisch Franken?: Zur Eröffnung der Bayerischen Landesausstellung 2022

Thomas Grasberger, Münchner Autor

Ja, Grüß Gott beinand. Ich bin der Thomas Grasberger. Sie, also neulich, ich sag´s Ihnen, da ist mir angst und bang geworden. Da hat mich doch prompt so eine Idee befallen. Stell Dir vor, hab ich mir gesagt, was wäre, wenn´s tatsächlich so etwas wie eine Wiedergeburt gäbe. Na ja, im Grunde wär´s ja eine feine Sache. Du könntest nach Deinem Ableben einfach wieder zurückkommen auf die Erde. Alles wie immer, der ganz normale Wahnsinn, wie gehabt. Nur mit einem kleinen Unterschied. Du dürftest nicht wieder als Altbayer geboren werden! Das wäre ausgeschlossen!

Sie, ich sag´s ihnen ganz ehrlich: Ich bin direkt ein bisserl erschrocken, bei diesem Gedanken. Ich mein, verstehen´s mich bitte nicht falsch, ich bin sehr weltoffen. Aber trotzdem, für einen Oberbayern wie mich. Geboren und aufgewachsen im katholischen Wallfahrtsort Altötting. Dann drei Jahre Niederbayern, Landshut, war auch schön. Danach ein, zwei Semester im Ausland zum Studieren. Und seither – immer München. Untersendling, Schwabing, Maxvorstadt. Immer München. Sie, ich sag´s ihnen, da gwöhnt man sich fei dran. Und jetzt auf einmal – ganz was andres? Oh mei, oh mei. Ich hab dann ein bisserl drüber nachgedacht. Und bin zu dem Ergebnis gekommen: Im Falle meiner Wiedergeburt – also vorausgesetzt, dass Altbayer nicht mehr in Frage käme – möchte ich am allerliebsten – ein Franke werden. Na, jetzt lachens ned. Franke! Warum denn nicht? Also … eventuell. Vielleicht. Schau ma halt mal.

Das Problem ist jetzt nur, dass ich noch gewisse Defizite hab, beim Thema Franken. Das geht schon los mit der Frage: Was ist denn das eigentlich genau, ein Franke? Wie tut man denn da? Und wie wird man einer? Geht des überhaupt? Und wenn ja: Was für einer? Ober-, Unter-, Mittelfranke?

Viele, viele Fragen. Die kann man natürlich nicht am grünen Tisch beantworten. Da muss man hin. Da musst Du eintauchen, in die geheimnisvolle Welt der Franken. Na ja, und prompt hab ich dann dieses Ausstellungsplakat vom Haus der Bayerischen Geschichte gesehen. "Typisch Franken. Fragezeichen." Mensch, das ist ja genau das Richtige für mich und mein Wiedergeburtsproblem, hab ich mir gedacht. Und schon bin ich drin gesessen im Zug nach Ansbach.

Helmut Haberkamm, mittelfränkischer Schriftsteller

Servus. Ich bin der Helmut Haberkamm. Ich bin Franke. Ja freilich, was denn sonst? Deutscher? Ja schon. Bayer? Naa, des net. Ich leb halt in Bayern, weil Franken eben zu Bayern g'hört. Seit dem Napoleon und sei'm Gschenk, des bayrische Königreich damals. Seitdem ist die Suppe eingebrockt und sie wird immer wieder gesalzen und gelöffelt.

Aufg'wachsen bin ich in Mittelfranken, im Aischgrund, zwischen Steigerwald, Frankenhöhe und Metropolregion Nürnberg. Das ist mein Kern von Franken. Ländlich geprägt, eher dörflich und kleinstädtisch, eher bäuerlich und kleinbürgerlich, ziemlich konservativ und evangelisch. Bin ich also ein typischer Franke? Ja, wos waaßn ich? Was ist denn das überhaupt: typisch Franken? Genau des is der Titel, der mich nach Ansbach glockt hat in die Landesausstellung dort. Ich will rausfinden, was des is: typisch fränkisch. Tausend Sachen schießen mir dabei durch meinen Kopf. Fachwerk und Sandsteinmauern, Butzenscheiben, Biberschwänz und Kopfsteinpflaster, Klöß und Gniedla, Bratwürst und a reesches Bauernbrot, Kren und Karpfen, des Seidla und a Schoppen.

Ja, des is Franken. Aber isses des scho? Häuser, Essen und Trinken? Naa, des sinn aa so Sachen wie der Dialekt, die Kerwa und die Fasnacht in Veitshöchheim, Adidas und Puma, Grundig und Schickedanz, Bobby-Car und Playmobil, der Club und die Greuther Kleeblättler. Is des des Typische? Firmen, Produkte und Vereine? Naa, große, berühmte Persönlichkeiten, die sinn Franken: Dürer und Cranach, Riemenschneider und Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, der Jean Paul. Aber aa der Eppelein, der Götz, der Adam Riese, der Kaspar Hauser.  Oder der Thomas Gottschalk, der Dirk Nowitzki, der Lothar Matthäus …? Was werd ich in der Ausstellung sehn, das typisch fränkisch sein könnt? In dem ich mich wergli aa wiedererkenn? Gspannt binni. Also, schaumer amoll …

Thomas Grasberger entdeckt das Franken-Karussell

Die Orangerie im Hofgarten Ansbach

Drinnen in der Ansbacher Orangerie, da wird fleißig gewerkelt, die Landesausstellung wird grad aufgebaut. Der Ausstellungsleiter Rainhard Riepertinger wartet schon auf mich. Vielleicht kann ja er ein bisschen Licht ins fränkische Dunkel bringen.

"Sie sind meine Rettung. Wenn ich wiedergeboren werd und nicht als Altbayer wieder zur Welt kommen darf, dann tät ich gern Franke werden. Äh, können Sie mir helfen? Was muss ich denn da beachten?"

Thomas Grasberger

"Da sind Sie natürlich jetzt hier in der Landesausstellung 'Typisch Franken?' genau richtig, weil wir eine Wanderung durch neun fränkische Regionen machen. Und da können Sie sich praktisch raussuchen: Welche Region taugt Ihnen am besten? Und ansonsten gibt es natürlich viele Dinge, die jetzt typisch sind für Franken."

Rainhard Riepertinger

"Jetzt haben wir da eine Art Karussell. Das ist ja wunderbar, da sind ja die wichtigsten Exponate alle beieinander. Da haben wir jetzt also viel Kulinarisches, seh ich. Da seh ich einen Boxbeutel. Mehrere sogar. Erzählen Sie mal, was hat es mit dem Karussell hier auf sich?"

Thomas Grasberger

"Ja, das ist unser Franken-Karussell, das die Besucher letztlich empfängt in der Landesausstellung. Und da sind halt Dinge drauf, die man so gemeinhin nennt, wenn man auf die Frage antworten würde: Was ist typisch fränkisch? Der eine wird sagen: Für mich ist es zum Beispiel das Fachwerk. Oder man sieht hier auch so kleine Dialekt-Lexika. Das heißt, der Dialekt ist hier was, was wichtig ist für Franken. Auch Playmobil-Figuren, die den Luther zeigen. Da geht es um die Konfession. Lebkuchen, auch ganz wichtig. Den Nürnberger Christkindlmarkt wollen wir nicht vergessen. Wein, Bier ist zu sehen. Der Boxbeutel – eine ganz berühmte Flasche für den fränkischen Wein. Und natürlich die Bratwurst. Die haben wir auch nicht vergessen, ist klar. Aber manchmal geht es ja auch durchaus um Benachteiligungsgefühle, die immer wieder mal aufscheinen. Auch das wird hier thematisiert mit einem Schild 'Frei statt Bayern'."

Rainhard Riepertinger

Fang ma jetzt erst einmal an, mit unserer Wanderung durch das Land der Franken. Angehen tut´s natürlich mit Ansbach. Und da samma dann schon sind mittendrin in jener Zone, wo auch der Altbayer vor Schreck zusammenzuckt: Im preußischen Franken. Oh mei, des geht ja schon gut los. Und da hinten, da ist so ein eigentümliches Viecherl. Was ist jetzt des für ein Exponat? Das kommt mir ein bisserl spanisch vor... oder.... na ja, jedenfalls nicht preußisch.

"Das ist dieser chinesische Drache. Es gab ja zwei brandenburgische Markgrafentümer, eines in Ansbach, das andere in Bayreuth. Und dieser chinesische Drache war so ein Windrichtungsanzeiger auf einem Schlossähnlichen Garten – Sanspareil hieß der – der von der Wilhelmine angelegt wurde. Und da war er eben oben auf dem Dach gesessen. Irgendwann mal hat der Blitz dann eingeschlagen in dieses Häuschen. Und übrig geblieben ist halt dieser Drache, den wir hier zeigen, der auch noch nie ausgestellt war."

Rainhard Riepertinger

Vermutlich ein altbayerischer Blitz, der den Chinesen-Drachen vom Preußen-Dach gefegt hat. Aber ehrlich gesagt, das hätt ich gar nicht erwartet, dass dieses Franken so exotisch ist. Ob ich am Ende noch Chinesisch lernen muss, wenn ich hier wieder geboren werde? Allmächt! Wo doch Fränkisch schon so schwierig ist. Schade, dass die Hörstation mit den Mundartausdrücken noch nicht aufgebaut ist. Sonst hätt ich schon "a wengla" üben können. Aber macht nichts, es gibt ja noch so viele andere Sachen zu sehen in dieser Landesausstellung.

Helmut Haberkamm wandert durch fränkische Regionen – und durch die Zeit

Die Ausstellung ähnelt einer Wanderung durch verschiedene Regionen von Franken. Zugleich ist es auch eine Zeitreise vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert. Als geschulter Franke kennt man manches, aber "in aaner Duur" stößt man auch auf Kurioses und Fremdartiges, ob in der Abteilung über Nürnberg und Fürth oder über die Reichstädte.

Die Reichsstädte warn ja ganz wichtig für Franken: Nürnberg, zur Dürerzeit vor 500 Jahren eine der größten Städte des Alten Reiches überhaupt, mit einem umfangreichen Territorium. Dazu Rothenburg, Schweinfurt, Weißenburg und Windsheim. Auch Dinkelsbühl oder Gräfenberg gehörten dazu. Die Reichstädte mit ihren stolzen Mauern und Türmen waren direkt dem König oder Kaiser untertan und hatten ganz besondere Freiheiten und Vorrechte, z.B. ihre eigene Gerichtsbarkeit.

Sie durften eigene Münzen prägen, Märkte abhalten und eigenständig Handel treiben. Sie hatten einen Henker mit einem Richtschwert, ein Spital für Leprakranke, die mit Holzklappern auf sich aufmerksam machen mussten.

Solche Dinge sind in der Ausstellung zu sehn. Damals gab es aber auch eigenartige Sachen, bei denen ich sachverständige Auskunft brauch. Ich frage Johanna Blume, mit der ich später im sonnigen Hofgarten vor der Orangerie auf der Bank sitze und ein Gespräch führe. Sie ist promovierte Historikerin aus dem Vorbereitungsteam der Landesausstellung. Was bitteschön ist denn eine Flohfalle?

"In frühmodernen Städten – bei uns geht es ja um die Reichsstädte in Franken – war es mit der Hygiene nicht so weit her. Flöhe waren ein großes Problem und deswegen hat man sich Flohfallen überlegt. Die Flohfalle, die wir in der Ausstellung haben, sieht so ein bisschen aus wie ein überdimensionierter Lippenstift. Den hat man sich um den Hals gehängt. Man konnte den quasi aufschrauben. Und in dieser Flohfalle war irgendwas drin, was Flöhe angelockt hat, also meistens was Süßes oder Blut oder sowas, oder eine Mischung aus allem. Also so eine Art Läppchen, das damit getränkt war. Somit sind die Flöhe in diese Falle gegangen. Ich weiß nicht, ob es so gut funktioniert hat, aber man hat eben gehofft, dass sie dann weniger woanders hingehen."

Johanna Blume

Man lernt nie aus, wergli wohr. Sowas müssts heute auch geben gegen Schnaken oder Wespen.

Thomas Grasberger staunt über modernste Geräte – made in Franken

Um 1950 herum ist das Leben dann leichter geworden. Mit Fernseher und Radio von Grundig, und einer AEG-Waschmaschine. Modernstes Gerät – made in Franken. Anno 1954. Das muss man bei der Waschmaschin dazusagen. Weil, das Wasser wurde damals noch per Hand reingeschüttet und auch wieder abgepumpt. Aber ganz billig war der Apparat trotzdem nicht.

"Ungefähr zwei durchschnittliche Monatslöhne damals. Wenn man das auf heute hochrechnet, wären das in etwa – Vergleiche hinken immer – aber es wären ungefähr 6.000 Euro. Da kann man sehen, das war ein Luxusprodukt."

Rainhard Riepertinger

Apropos Luxus: Was dem Coburger Herzog sein Festgelage mit silbernem Tafelaufsatz, war den einfachen Fränkinnen und Franken ihre Bratwurst auf der Kerwa. Wo jetzt die allerbeste gemacht wird? Mei, des is wie beim Fußball: Geschmackssache. Die eine ist Club-Fan, der andere für Greuther-Fürth. Da misch ich mich lieber nicht ein.

Helmut Haberkamm begibt sich an die Ränder Frankens

Die Ausstellung führt mich nicht nur zum Kern meines vertrauten Franken, sondern auch an die Ränder. Zwar nicht ins Henneberger Land im südlichen Thüringen, nicht nach Hohenlohe oder ins Altmühltal, aber nach Coburg, wo 1530 Martin Luther eine Zeit lang lebte. Das Herzogshaus Sachsen-Coburg-Gotha hat sich ja immer wieder als europäische Königswiege erwiesen. Eine Monarchenschmiede und Fürstenquelle. Coburger Sprösslinge gelangten auf den Thron in England, Russland, Bulgarien, Schweden, Portugal oder Belgien.

Eher im Schatten der großen Ereignisse steht dagegen das Fichtelgebirge, der östliche Rand Frankens hin Richtung Egerland und Böhmen. "Verborgene Schätze, weißes Gold" lese ich als Titel dieser Abteilung. Was damit gemeint ist? Frau Blume weiß es.

"Das Interessante ist, dass wir im Fichtelgebirge einen frühen Ort der Industrialisierung haben, die man ja normalerweise mit Nürnberg oder die Gegend um Nürnberg und Fürth verbindet. Und zwar hat man im Fichtelgebirge schon in der frühen Neuzeit Bergbau betrieben und hat festgestellt, dass das Fichtelgebirge sehr steinreich sozusagen ist, also reich an Bodenschätzen. Und diese Bodenschätze hat man im 19. Jahrhundert dann genutzt zur Porzellanherstellung. Man kennt ja so Marken wie Hutschenreuther oder Rosenthal, die stammen eben aus dem Fichtelgebirge. Für Porzellan braucht man u.a. Tonerde, also Kaolin. Das gab's zwar nicht in großen Mengen im Fichtelgebirge, aber in der Nähe, und man hatte eben viel Holz, um diese Brennöfen zu betreiben, die eine sehr hohe Temperatur haben müssen, um Porzellan zu brennen."

Johanna Blume

Thomas Grasberger liest Physikatsberichte

Es sind ja wirklich viele schöne Exponate hier in Ansbach. Aber was mich noch interessiert: Wie denken die Fränkinnen und Franken? Schließlich hab ich ja im Falle meiner Wiedergeburt nicht nur mit Sachen zu tun. Sondern vor allem mit Menschen. Der Historiker Rainhard Riepertinger hat sich die sogenannten Physikatsberichte genauer angeschaut. Bayern-König Maximilian der Zweite hat sie um 1860 in Auftrag gegeben. Er wollte Land und Leute genauer kennenlernen. Deshalb sollten die Ärzte in den jeweiligen Kreisen berichten: Nicht nur über Essen, Kleidung und Hygiene, sondern auch über Sitten und Mentalität.

"Die Aussagekraft ist sehr, sehr unterschiedlich. Es gibt wirklich Ärzte, die haben sich da richtig reingehängt und die anderen haben gesagt: Blöde Zusatzaufgabe, da habe ich keine Lust zu und schreibe nur einen Satz. Und das zweite, was man immer schauen muss: Woher kommt der Arzt? Ist es ein gebürtiger Franke zum Beispiel, dann wird er möglicherweise eine Mentalität anders beurteilen, als wenn jemand, ich sage jetzt mal, aus München nach Hof versetzt wurde und er vielleicht dort nicht glücklich war. Der wird es auch anders sehen. Insofern sind die Aussagen sehr, sehr unterschiedlich. Es gibt positive und negative Aussagen. Ich kann mich zum Beispiel an Aussagen erinnern, da geht es um den Ansbacher: Mit der Reinlichkeit hält er es nicht so, der Ansbacher, sondern Teller und so was wird überhaupt nie abgewaschen. Ein anderer Physikatsbericht aus dem ländlichen Ansbach, das ist genau das Gegenteil."

Rainhard Riepertinger

Eine wunderbare Quelle. Und sehr unterhaltsam zu lesen. Im Bericht für Würzburg heißt es zum Beispiel: Der Franke sei "aufrichtig, voll derben Witzes, (…) redlich, und verläßlich als Freund und Feind." Andernorts wiederum steht: "Der Franke ist sich selbst genug, will keine Gemeinschaft mit benachbarten Stämmen." Aber mei, das sind natürlich Klischees. Man glaubt ja gar, was schon alles über Altbayern geschrieben wurde. Verglichen damit kommen die Franken ja noch gut weg. Fürth zum Beispiel. Der Fürther, heißt es, ist immer lustig und fidel. Er schätzt die Geselligkeit. Und er bleibt "lieber daheim, außer wenn er in Not gerät oder ein Gewinn lockt."

Hm, komisch eigentlich. Wenn des wirklich stimmen tät mit der Reisefaulheit: Warum sitzen dann an der Adria immer so viele Franken am Strand? Na ja, wahrscheinlich sind´s halt keine Fürther, sondern Iphofener oder Feuchtwanger. Egal. Es sind ja eh oft Stereotype, die in solchen Berichten verbreitet wurden. Mal ist er wortkarg und mürrisch, der Franke. Dann ist er wieder entgegenkommend und heiter, zutraulich und wortgewandt. Da soll sich noch einer auskennen. Und wie steht´s heutzutage? Gibt´s so was wie eine Mentalität der Franken?

"Ich habe mich da auch kundig gemacht, vor allen Dingen bei den Bezirks-Heimatpflegern: Gibt es eine fränkische Eigenart, die so verbreitet ist. Und ich glaub: Es gibt nicht die Eigenart, genauso wenig wie es die Fränkin oder den Franken gibt. Es sind lauter einzelne Leut, die alle unterschiedliche Charakter haben. Das ist auch gut so und das ist auch schön so, also zumindest konnte ich keine so ganz klare fränkische Eigenart ausmachen."

Rainhard Riepertinger

Ja, ich glaub, da hat er recht, der Rainhard Riepertinger. Den Franken und die Fränkin gibt es gar nicht. Es sind halt 4,2 Millionen Individuen. Und Individualisten. Aber da samma dann auch schon wieder im Klischee.

Helmut Haberkamm und die Bismarckwaage

Je länger ich mich in dieser Ausstellung befinde, desto mehr Unvertrautes über Franken fällt mir auf. Manchmal erscheint mir dann Franken unversehens richtig exotisch und mondän. In der Abteilung Bamberger Klösterland zum Beispiel. Da geht es um Vierzehnheiligen, die Klöster in Banz und Langheim. Reliquien sind zu sehen, Äpfel aus Wachs, und die Grabplatte von Katharina Zollner aus dem Jahre 1375. Sie war die Äbtissin im Bamberger Klarissenkloster. Vom Konvent an der Nonnenbrücke ist heute nichts mehr vorhanden, aber dieses bunt bemalte Epitaph ist eine Augenweide.

Die Bismarckwaage

So viele unterschiedliche Ansichten und Blickwinkel von Franken. Mir wird eines klar: Franken ist ein Mosaik. Das Vielgestaltige, das Kleinteilige, das versteckt Großartige, das oft wenig aus sich macht, im Ganzen jedoch ein faszinierendes Gesamtbild ergibt – das ist Franken. Besonders mondän erscheint einem heute vor allem auch Bad Kissingen, das im 19. Jahrhundert und bis zum Ersten Weltkrieg ein Hotspot der High Society in Franken war, mit Promis, Stars und Celebrities vom Feinsten, und zwar aus aller Herren Länder, von Russland bis Amerika. Dazu gehört etwas, das Johanna Blume besonders mag.

"Das Lieblingsobjekt von vielen aus unserem Team ist die sogenannte Bismarckwaage. Man sieht zunächst mal ein Holzpodest von ungefähr 1x1 Meter, Auf diesem Podest ist ein schön flauschig aussehender roter Samtsessel und an der Seite des Podestes befindet sich eine Art Stangenkonstruktion aus Metall. Das hat eben so früher funktioniert: Wenn man sich auf den Sessel gesetzt hat, konnte man an diesem Gestell mit dem Tariergewicht eben ablesen, wieviel diese Person gewogen hat. Diese Waage stammt aus einem Häuschen an der Salinenpromenade in Bad Kissingen, und dort hat sich Otto von Bismarck, der ja Reichskanzler war, der ganz oft Bad Kissingen besucht hat, der hat sich dort wiegen lassen. Otto von Bismarck war ziemlich gestresst, würde man heute sagen, hat ziemlich viel gegessen, getrunken, wenig geschlafen, dementsprechend viel hat er gewogen. Und hat bei diesen Kuren in Bad Kissingen sein Übergewicht bekämpft, hat sich wiegen lassen. Sein Gewicht wurde auch in der Zeitung veröffentlicht, und deswegen kann man heute sagen, dass diese Kuren tatsächlich was gebracht haben, denn sein Höchstgewicht von 124 kg konnte er mit den Jahren dann abbauen."

Johanna Blume

Franken als Ort der Gewichtsabnahme und der gesunden Diät – auch das gibt es hier. Überhaupt bemerkenswert, diese Vielfalt an Facetten über Franken. Oft ist der Blick von außen ja überhaupt erhellender und glaubwürdiger als die Sichtweise derjenigen, die drinstecken und ein festes, typisches Bild von sich haben.

Johanna Blume, die Ausstellungsmacherin, die für das Haus der bayerischen Geschichte arbeitet, ist in Berlin aufgewachsen. Am Ende meines Rundgangs frage ich die Historikerin, die auch mal einige Zeit in Bamberg lebte, was sie denn als die auffälligste Eigenschaft der Menschen in Franken ansieht.

"Also ich würde sagen: Franken sind unprätentiös. Ja, irgendwie unkompliziert."

Johanna Blume

Das ist etwas, mit dem wir gut leben können, meine ich. Diese Eigenschaft, sich nicht allzu wichtig zu nehmen, das Pathos und allzu übertriebenen Enthusiasmus herauszunehmen, das gehört sicher zum Sympathischen an den Franken. Das Unaufgeregte, Zurückgenommene, Selbstironische, kein Aufhebens machen, kein mords Tamtam, kein Brimborium. Hat sie als Berlinerin denn auch einen fränkischen Dialektausdruck kennengelernt, der bei ihr besonders hängengeblieben ist?

"Ja, was ich früh beigebracht bekommen hab in Bamberg, war das Wort 'möhrn' oder 'meern' mit verschiedenen Vorsilben reinmöhren, langmöhren. Und das find ich so passend. Ich glaube im Kontext von 'jemand möhrt sich ins Auto', wenn er vielleicht auch etwas beleibter ist und in ein enges, kleines Auto einsteigt. So. Und das fand ich toll. Das hab ich jetzt auch in meinen Wortschatz übernommen."

Johanna Blume

Franken ist erstaunlich vieles, das ist mir hier in der Landesausstellung in Ansbach wieder bewusst geworden. Es gibt die Klischees, aber es gibt auch viel Unentdecktes und immer wieder sehr viel Erstaunliches. So, hättmer des aa nu "neigemöhrt". Etz langds obber, maani, gell.


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