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Zurück in die Zukunft Das Deutsche Museum in Nürnberg

Tokio hat eines, Rio de Janeiro, Berlin und nun auch Nürnberg: ein Zukunftsmuseum. Geplant nach langen politischen Debatten, konzipiert zum Erleben, Mitmachen und Anfassen, eröffnet trotz Widrigkeiten der Corona-Pandemie.

Von: Tobias Föhrenbach

Stand: 20.10.2021 | Archiv

Zurück in die Zukunft: Das Zukunftsmuseum in Nürnberg

Wir schreiben das Jahr 2071 – und wollen eine kleine Zeitreise machen, 50 Jahre zurückblicken. Als damals das Deutsche Museum Nürnberg eröffnet wurde, da war was los. Die langen Standortdebatten im Vorfeld, dann die Verzögerungen auf der Baustelle aufgrund der Corona-Pandemie, die damals große Unsicherheit in allen Bereichen auslöste, die spürbare Zurückhaltung in der Nürnberger-Bevölkerung und die Diskussionen über die hohen Mietpreise. Wenn die damals gewusst hätten, welche Mieten wir heute als hoch beziffern.

Stolz wie Söder

Das Zukunftsmuseum im Herzen Nürnbergs

Aber dann Mitte September 2021 war es soweit – endlich, das Zukunftsmuseum öffnete seine Türen. "Möge die Macht mit uns sein", mit diesen Worten eröffnete Markus Söder, damals Bayerischer Ministerpräsident, das Museum. Und zitierte aus Star Wars – dabei spielt die Saga doch eigentlich in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Sei’s drum – ein Zukunftsmuseum in seiner Heimat. Söder, Franke, stolz wie – Söder halt.

"Das ist für Nürnberg ein riesen Schritt nach vorne. Und nicht wie behauptet wird irgendwo an der Stadtrandlage, wie ich gelesen habe bei einigen Debatten im Landtag, sondern mitten im Herzen von Nürnberg."

Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident

Natürlich war das Museum ein Glanzpunkt für Franken, damals gab es weltweit lediglich vier andere Zukunftsmuseen. Nürnberg in einem Atemzug mit Rio de Janeiro, Berlin, Tokio und Dubai. Für die Museumsleiterin Marion Grether ein besonderer Ansporn.

"Ich würde schon sagen, das ist ein Blick in die Welt, also ins Internationale. Weil wir hier Zukunftstechnologie besprechen und eben auch gesellschaftliche Veränderung hier verhandeln. Und das ist für Nürnberg natürlich spannend, weil hier auch viele Unternehmen ansässig sind, aber eben auch sehr weit darüber hinaus."

Marion Grether, Museumsleiterin

"Zukunft" und "Museum" – schließt sich das nicht aus?

Darüberhinaus Denken – sich auch Abgrenzen von den anderen Zukunftsmuseen, das war für das gesamte Team eine Herausforderung, denn man wollte hier zwei Dinge zusammenbringen, die sich eigentlich doch auf den ersten Blick eher ausschließen. Zukunft und Museum. Wie etwas museal abbilden, das doch eigentlich noch gar nicht existiert? Klar, an einer Ausstellung von Zukunftstechnologien und fiktionalen Szenarien kamen die Kuratorinnen und wissenschaftlichen Mitarbeit nicht vorbei. Sonst wäre ja überhaupt keine Ausstellung sichtbar gewesen, aber allein damit wollte man sich nicht zufriedengeben. Von den Besucherinnen und Besuchern wollte man hier einiges abverlangen.

"Wir möchten gerne, dass die Besucher sich mit ihrem eigenen Verhalten auseinandersetzen. Im Umgang mit Technik, aber auch im Umgang mit gesellschaftlicher Veränderung, die Technik herbeiführt. Das verlangen wir ein bisschen ab, aber ich glaube auf eine sehr spielerische Art und Weise. Man kommt auch raus, ohne dass man danach traurig ist, glaube ich."

Marion Grether, Museumsleiterin

Zukunftsforscher beraten das Museum

Der Nürnberger Zukunftsforscher Bernd Flessner war damals Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Zukunftsmuseums Nürnberg. Zusammen mit den Kuratorinnen der Ausstellung haben er und die anderen Experten sich an die zukünftigen Möglichkeitsräume gewagt.

"Das heißt, wir können dem Publikum sagen, schau dir mal diesen Prototypen an, das könnte eine mögliche Zukunft sein, oder auch nicht. Es ist ja nur ein Prototyp. Aber anhand des Prototypen kann man schon mal eine Menge klären. Wollen wir mit diesem Flugtaxi, das wir hier haben, wollen wir damit wirklich über unsere Städte fliegen, wollen wir den Luftraum dann dichtmachen? Wie heute unsere Straßen? Wollen wir das? Oder welche Möglichkeiten gibt es, dass man das zwar hat, aber dass wir den Luftraum nicht überlasten? Plötzlich kann man dann diskutieren und das geht natürlich wesentlich besser, wenn man das dem Abstrakten entreißt."

Bernd Flessner, Zukunftsforscher

Und dazu haben viele Forschungseinrichtungen und Institute, Universtäten und Firmen Ausstellungsstücke nach Nürnberg geschickt. Prototypen, die Wettbewerbe gewonnen haben, zeitweise auf Eis gelegt oder weiterentwickelt wurden. Nicht nur, um über diese zu diskutieren, sondern um gemeinsam weiter daran zu forschen. Nicht nur ein Museum des Diskurses also, sondern auch ein Netzwerk an Kooperationen mit Laboren und Experten.  Kontinuierlicher Austausch, Debatten und Gesprächsrunden.

Denktouren statt Führungen

Geschickter Schachzug damals: der Einsatz von sogenannten "Future Communicators", geschulte Museumsführerinnen und Führer, die in der Ausstellung nicht nur die Exponate erklären, sondern auch durch Fragestellungen mit den Besucherinnen und Besuchern in Kontakt kommen, zuhören, mögliche Konflikte besprechen und diskutieren. Denktouren statt Führungen. So hat man Einiges darüber erfahren, welche Themen für wen und wie stark relevant sind. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit zusätzlich freiwillig tracken zu lassen. Eine anonymisierte Datenerhebung, die sowohl für den Museumsbetrieb als auch für die involvierten Partner relevant wurden. Damals ein Novum, heute 50 Jahre später Gang und Gäbe im Museum.

Neue Perspektiven auf 2.900 Quadratmetern

Ein Boden-Luft-Fahrzeug im Zukunftsmuseum Nürnberg

"Arbeit und Alltag", "Körper und Geist", "System Stadt", "System Erde" und "Raum und Zeit". In diesen Bereichen neue Perspektiven eröffnen auf insgesamt 2900 Quadratmetern, so das ambitionierte Vorhaben der Kuratorinnen der Ausstellung. Das Ganze unter dem übergeordneten Motto "Science or Fiction". Jana Müller, Maike Schlegel und Melanie Saverimuthu sowie Projektleiter Andreas Gundelwein hatten einiges zu tun. Wohin mit welchen Prototypen, welche Fragestellungen drängen sich thematisch auf und was ist technisch überhaupt wie realisier- und darstellbar? Um dabei auch den Besucherinnen und Besuchern Orientierung zu geben, wurde für die gesamte Ausstellung ein Spielgedanke formuliert, der sich mit der jeweils ganz persönlichen Zukunftsvorstellung beschäftigt.

"An den Spielstationen in der Ausstellung können sie dann die 5 für sie wichtigsten Technologien mit in ihre Zukunft nehmen. Die Auswertung gibt’s hier im Forum, in Form von verschiedenen Zukunftsszenarien, die sich mit Hoffnungen und Ängsten beschäftigen. Wir zeigen immer: wie entwickelt sich diese Technologie im schlimmsten und im besten Fall, oder wie sieht die Zukunft aus, wenn es diese Technologie vielleicht gar nicht gäbe? Und in dieser Auswertung kann man sehen, wie andere Besucher gewählt haben und kann dann hier in der Diskussion wieder ins Gespräch kommen und live abstimmen, welche Szenarien vielleicht besonders zukunftsweisend sind."

Jana Müller, Kuratorin

Ein Museum, das mit der Zeit geht

Das Zukunftsmuseum Nürnberg kam gut an – machte Eindruck. Kommt immer noch gut an. Ein Museum als riesige ethische Begegnungs-Plattform, als technologische Spielwiese, als offenes Forschungslabor. Ach ja, natürlich sieht das heute im Jahr 2071 hier ganz anders aus, darauf haben die damals geachtet, denn was heute die Zukunft sein kann, ist Morgen vielleicht schon Wirklichkeit. Also, ganz wichtig – mit der Zeit gehen.

"Die ganze Ausstellung ist de facto modular angelegt. Natürlich haben wir sie so angelegt, dass wir gesagt haben, wir müssen uns verändern, wir wollen uns verändern und wir wollen mit den Trends gehen. Deshalb ist die komplette Ausstellungsgestaltung, der Möbelbau so konzipiert, dass er austauschbar ist und neue Entwicklungen hier reinlassen kann. Das kann der Austausch eines Exponats sein, weil ein Folgemodell kommt, oder aber auch der Austausch ganzer Ausstellungseinheiten. Da müssen wir offen sein und vielleicht auch mal einen ganzen Themenbereich ganz neu machen."

Melanie Saverimuthu, Kuratorin

Ein zukunftsfähiges Konzept, denn nur Eines ist wirklich sicher – der Wandel. So, soweit diese kleine Zeitreise. Jetzt hol ich mir ein Flugtaxi und dreh auf dem Heimweg nochmal eine Runde über das Nürnberger Zukunftsmuseum. Wir schicken dieses Feature in der Zwischenzeit mal in die Vergangenheit, denn auch das ist mittlerweile möglich. Da können die das ja, wie hieß es so schön, "online stellen". Ich glaub, da gab’s sogar noch das gute, alte Internet. Wie die Zeit vergeht. Macht’s gut, und vielleicht bis bald. Kommt auf Euch drauf an.


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