Zeit für Bayern Unterirdische Lust
Samstag, 18.11.2023
21:05
bis 22:00 Uhr
- Als Podcast verfügbar
BR Heimat
Von der Angst lebendig begraben zu werden
Der Scheintod
Von Dirk Kruse
Leichenschmaus, Trauermahl oder Gremess
Eine bayerische Kulturgeschichte
Von Christine Gaupp
Wiederholung von 12.05 Uhr, Bayern 2
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Von der Angst lebendig begraben zu werden
Der Scheintod
Von Dirk Kruse
Lebendig begraben zu werden ist eine uralte Angst des Menschen. Lange Zeit allerdings keine besonders virulente. Doch dann diskutieren Mediziner Mitte des 18. Jahrhunderts öffentlich darüber, ob ein fehlender Puls und ein nicht mehr erkennbarer Atem als einzige Todeszeichen ausreichen. Diese Zweifel der Wissenschaft an der Eindeutigkeit des Todes schüren die Ängste der Bevölkerung vor dem lebendig begraben werden enorm und steigern sich zu einer regelrechten Massenhysterie. Es werden zahlreiche Patente für Sicherheitssärge mit Glockenzügen eingereicht und Goethes Leibarzt Hufeland lässt in Weimar das erste Leichenhaus bauen, in dem die aufgebahrten Toten mehrere Tage lang akribisch beobachtet werden, bevor sie unter die Erde kommen.
Der Scheintod beschäftigt auch die Literaten. In Zeitungen, Chroniken und Volkskalendern erscheinen immer häufiger grässliche Geschichten über Totgeglaubte und Wiederauferstandene, lebende Leichen und elendig im Grab Erstickte. Goethe und Heine, Poe und Karl May schreiben entsetzliche Erzählungen darüber, Friederike Kempner, Gottfried Keller und Ludwig Hirsch dichten beängstigende Balladen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein erscheinen diese Geschichten über Scheintote, doch echte Fälle werden kaum je nachgewiesen. Trotzdem haben selbst die Ärzte unter den Schriftstellern enorme Angst davor lebendig begraben zu werden, wie etwa Gottfried Benn oder Alfred Schnitzler, die testamentarisch den Herzstich an ihrer eigenen Leiche verfügen.
Eine gruselige und grotesk-komische Reise durch die literarische Welt des Scheintods.
Erstsendung: 29. Oktober 2022
Leichenschmaus, Trauermahl oder Gremess
Eine bayerische Kulturgeschichte
Von Christine Gaupp
"A scheene Leich‘" soll‘s noch werden, so der Wunsch des Bauern am Sterbebett. Dieser für Nicht-Bayern befremdliche Ausdruck bedeutet schlicht, dass es ein würdiges Begräbnis mit anschließendem gemeinsamen "g’scheidm" Essen und Trinken beim Wirt geben möge. Für die einen eine Frage der Ehre, für ärmere Leute oft unmöglich. Der Leichenschmaus war nicht selten die letzte Demonstration des Standes und der Macht. Auf die Spitze getrieben zeigt sich das 1509 beim 23-gängigen Leichenschmaus für Herzog Albrecht IV. Im 18. und 19. Jahrhundert versuchte man "üppiges Schmausen und Trinken bei Leichenbegängnissen" zu verbieten. Dies verderbe die Sitten und stürze Arme in den Ruin. Die Verbote hatten wenig Erfolg.
Waren Totenmahle schon in vorchristlicher Zeit bekannt, hatten sie bei uns eine zeitlang einen ganz praktischen Hintergrund. Galt es doch die - teils zu Fuß - angereisten Verwandten zu verköstigen. Sie dienen aber auch der psychischen Stärkung. Das Beisammensein hilft den nächsten Angehörigen wieder ein wenig, zurück ins Leben, in die Gemeinschaft zu finden. Während Erinnerungen und Anekdoten den Verstorbenen wieder ein wenig lebendig werden lassen, tröstet gemeinsames Lachen, erdet der Knödl und auch das Stamperl Schnaps hilft, Spannungen abfallen zu lassen. Diese Chance nehmen wir uns, wenn wir heute - in einer Zeit der zunehmenden Individualisierung - die Trauer zunehmend mit uns allein ausmachen wollen. Was freilich auch völlig legitim ist, zumal wenn eine Beerdigung sonst nur Show wäre, die Verwandtschaft zerstritten ist. In der Sendung erfahren wir, was Pfarrer, Angehörige und Totengräber bei solchen Trauerfeiern erleben, warum ein 77-Jähriger schon zu Lebzeiten seinen eigenen Leichenschmaus als "Lebensfest" gefeiert hat und warum der Rosenheimer Stadtpfarrer zu dem Schluss kommt: Das
Z‘sammsitzen beim Wirt nach der Beerdigung "ist das Nachklingen" - da zeigt sich, wie der Verstorbene wirklich war.
Akustische Reisen durch Bayerns Regionen
Zeit für Bayern zeigt das Land im Herzen Europas in seiner ganzen Vielfalt. Eine unterhaltsame Heimatkunde für alle, ob alteingesessen oder neuzugezogen, ob aus Kempten oder Köln, Nürnberg oder Neapel, Berlin, Bagdad oder Berchtesgaden. Denn Heimat ist da, wo man sich kennt und auskennt. Zeit für Bayern bietet die Gelegenheit, die Landstriche und die Menschen Altbayerns, Frankens und Schwabens näher kennen zu lernen und neu zu erfahren - bayerisches Leben und bayerisches Lebensgefühl abseits aller Klischees.
"Zeit für Bayern" ... sollte jeder haben!