BR Heimat - Heimat lesen Maximilian Schmidt: Die Jachenauer in Griechenland (9)
Sonntag, 04.02.2024
20:05
bis 21:00 Uhr
BR Heimat
Zum besseren Verständnis zunächst ein kleines Kapitel bayerisch-hellenischer Geschichte:
Der erste König von Griechenland ist ein Bayer: Otto Friedrich Ludwig von Wittelsbach. Geboren am 1. Juni 1815 in Salzburg, wo sein Vater, der bayerische Kronprinz und spätere König Ludwig l. von Bayern als Statthalter residiert. 15 Jahre später wird der neu gegründete Staat Griechenland nach seinem Erfolg im Unabhängkeitskrieg gegen das Osmanische Reich international anerkannt. Nach etlichen politischen Irrungen und Wirrungen braucht es dort einen König; nach längerer Suche entscheiden sich die Großmächte Europas für den 16-jährigen Prinzen Otto von Bayern.
Ab Dezember 1832 reist Otto über Italien in sein neues Königreich. Von Brindisi kommend, trifft er am 6. Februar 1833 an Bord der britischen Fregatte Madagascar in der griechischen Hauptstadt Nafplion ein. Da er bei Regierungsantritt noch nicht volljährig ist, erhält Otto zunächst einen Regentschaftsrat zur Seite. Die Regentschaft schafft die administrativen Grundlagen eines modernen Staates. Die Gesetzgebung orientiert sich an deutschen Vorbildern, selbst das bayerische Reinheitsgebot für Bier ist in Griechenland gültig. An seinem 20. Geburtstag, nun volljährig, übernimmt Otto am 1. Juni 1835 die Regierung eigenverantwortlich und besteigt als König von Griechenland den Thron. Während sich eine Zivilverwaltung unter der Leitung bayerischer Beamter langsam, aber stetig etabliert, ist an ein modernes Heer noch nicht zu denken. Die meisten Soldaten werden aus Bayern als Söldner angeworben.
Es liest Christian Jungwirth
Und hier kommt jetzt der Verfasser unseres "Heimat-Lesen"-Werks ins Spiel: Der Oberpfälzer Maximilian Schmidt, genannt "Waldschmidt". Am 25. Februar 1832 erblickt Maximilian Schmidt in Eschlkam, das heute zum Landkreis Cham gehört, das berühmte Licht der Welt. Mit 16 Jahren geht der junge Max nach München ans Polytechnikum, meldet sich 1850 freiwillig zum Militärdienst und bleibt dann ein Viertel-Jahrhundert Offizier im königlich-bayerischen Dienst. Während seines langen Lebens schreibt er rund 60 größere Volkserzählungen, 40 Humoresken und Skizzen, an die 40 dramatische Theaterstücke sowie viele sogenannte Gelegenheitsgedichte.
König Ludwig II. ernennt Maximilian Schmidt 1884, 10 Jahre nach seiner Pensionierung vom Militärdienst, zum Königlich Bayerischen Hofrat, sein treuer Leser Prinzregent Luitpold will ihn sogar in den Adelsstand erheben. Schmidt lehnt dankend ab, stattdessen darf er ab 1898 den erblichen Namenszusatz "genannt Waldschmidt" führen. Seine Nachkommen tun das bis zum heutigen Tag.
Und damit begeben wir uns endlich in die Jachenau, dieses schöne Bergtal zu Füßen der Benediktenwand, wo uns gleich ein wohl ausstaffierter Kuchlwagen begegnet, samt Pfarrer und Braut. Der Wagen ist auf dem Weg zum Wallerhof, wo der fesche Wendel schon ungeduldig auf seine Braut wartet. Das Festmahl ist bereitet, bald ist Hochzeit. Am Wegrand aber steht der Friedl, der das Resei auch gern gefreit hätte. Doch der fesche Wendel hat sie ihm ausgespannt. Mitten in die festliche Feier für das Brautpaar am Wallerhof platzt ungeladener Besuch. Was will der Soldat vom Bräutigam? Die Männer tuscheln im oberen Stockwerk, und dem Resei, der Braut, schwant Schreckliches. Wie ein Lauffeuer geht die schlimme Nachricht durch die Jachenau. Der Wendel ist zum Militär zurückgekehrt, um König Otto nach Griechenland zu begleiten. Die Hochzeit mit dem Resei ist aufgeschoben, und das Resei ist untröstlich. Friedl, der Fischer, ebenfalls.
Friedl, der verschmähte Hochzeiter, trifft in der Kirche auf die schöne Schwester der Resei, die Amrei, die dem Friedl von Herzen zugethan ist. Und ER erst… Die Gottesdienste in der Jachenau wird aber bald ein anderer halten müssen. Der Hochwürdige Herr Pfarrer will nämlich auch mit nach Griechenland - als Feldgeistlicher !
November. Die Soldaten sind aus München ausgerückt. Der Weg von Wendels Einheit zur Einschiffung in Triest gen Hellas führt über den Kesselberg an Wendels Heimat vorbei. Nicht nur die Einheimischen erwarten die Soldaten, sondern auch ein Föhnsturm. Der warme Föhn aber ist der Vater der Lawinen.
Friedl, der Fischer, hat duch seine Umsicht Schlimmstes verhütet. Wendels Einheit hat die Jachenau in Richtung Mittenwald verlassen. Einiges ist aber vorher doch noch geschehen. Die einstigen Rivalen Wendel und Friedl haben sich versöhnt. Friedl und die schöne Amrei sind ein Brautpaar, und das ganze Dorf hat sie hochleben lassen. Der Hochwürdige Herr Pfarrer hat seine vorerst letzte Messe in der Jachenau gelesen und seine fesche Uniform angelegt. Auf nach Griechenland!
Der winterliche Marsch nach Triest ist voller Entbehrungen. Schwer bepackte Soldaten, Pferde, Geschütze - alles muss übers Gebirg. Als die Soldaten erstmals das Blau der Adria sehen, sind viele den Tränen nahe. Andere dagegen verspüren längst Heimweh. Dutzende von Seglern erwarten die bayerischen Kämpfer. Dass das Meer eine andere Hausnummer ist als der Walchensee, das spannen unsere Helden in spe eher, als ihnen lieb ist.
Und: Nein, leicht haben es die Bayern in Griechenland auch am Festland wirklich nicht. Die Jachenauer Soldaten richten sich notdürftig ein. Ungeziefer, Krankheiten und die ungewohnte Hitze sorgen für überfüllte Lazarette. Und die griechischen Kämpfer, die aus dem unzugänglichen Gebirge heraus operieren, nicht minder. Beim Maifest musizieren auch Zigeuner. Es sind gute Bekannte!
"Die Jachenauer in Griechenland" von Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt. Es liest Christian Jungwirth.