BR Heimat - Heimat lesen Hermann Weil: Traudls Erinnerungen (7)
Sonntag, 14.04.2024
20:05
bis 21:00 Uhr
BR Heimat
Unser aktuelles Werk heißt "Traudls Erinnerungen". Der Titel klingt nicht spektakulär, und die Story, wie man heut sagt, ist es "eigentlich" auch nicht. So kann man sich täuschen…
Der Autor beschreibt die Lebensgeschichte einer alten Münchnerin - noch vor dem Krieg geboren und in einem einsamen Bahnwärter-Häusl an der Strecke München - Rosenheim in einfachsten Verhältnissen von den Großeltern aufgezogen. Traudl erlebt den Krieg und den danach folgenden wirtschaftlichen Aufschwung, heiratet ihre Jugendliebe, gründet mit ihm eine Existenz und hat zwei Kinder. Als ihr Mann plötzlich stirbt, bricht ihre Welt zusammen. Wieder fängt sie ganz von unten an und arbeitet sich hoch, heiratet erneut und erlebt mit diesem Mann einen steilen Aufschwung zur geschätzten Mitarbeiterin eines deutschen Multimillionärs - und endet schließlich als Verkäuferin an einer Würstl-Bude in Trudering. Eine Geschichte aus dem alten München - zum Nachdenken und beispielhaft für das Schicksal vieler Frauen, die unsere heutige wohlhabende Millionenstadt aus dem Chaos des zweiten Weltkriegs wieder aufgebaut haben.
Es liest Christian Jungwirth.
Traudl erblickt das Licht der Welt und wundert sich bald, warum die kleinen Meisen in ihrer Welt kohlrabenschwarz sind. Das liegt am Ruß und Rauch der Lokomotiven. Großvater und Onkel sind Eisenbahner. Eine spannende Welt ist das!
Kindertage. Der Opa muss heiraten - eine Schiache, finden die Traudl und der Opa - und wird wieder geschieden. Traudl lernt Pfeife rauchen, der Krieg beginnt - und die Schule auch.
Irgendwann ist der Krieg auch wieder vorbei. Die Besatzer sind zur Überraschung aller doch keine Monster. Aber wenn man nur wüsste, wie man aus Nescafé deutschen Kaffee zubereitet. Die kleine Traudl mag die Soldaten gern, die bei ihnen ein- und ausgehen. Und dann trifft die Mutter auf der Landstraße einen zerlumpten Mann. Traudls Vater ist wieder daheim ...
Mit einem Kameraden radelt der Sepp, Traudls Vater, in die Stadt, um sich aus der Wehrmacht entlassen zu lassen. Eine Formalität, sagt der Heini, der so etwas weiß, aber sonst bekämen sie keine Arbeit. Und auch keinen Führerschein. Nur: Der Sepp hat eine Blutgruppen-Tätowierung in der Achsel. Und er ist groß und blond. Und er war SA-Soldat. Aber der Sepp flieht noch ein weiteres Mal, und dann ist für ihn der Krieg AUCH aus....
Erst das Radl, dann der Käfer - es geht voran im Land. Alle haben Arbeit: Papa, Mama, Traudl und der Rudi - IHR Rudi. Der sie von der Arbeit abgeholt hat und nach Pitralon duftet. Mit dem Rudi lässt es sich ganz wunderbar an verschwiegenen Plätzen angeln. Was? Das ist vollkommen egal.
Traudls Erinnerungen. Der Autor heißt Hermann Weil, ist Jahrgang 46 und gebürtiger Münchner und lebt heute im oberbayerischen Glonn. Er hat "seine" Traudl durch Zufall kennengelernt und war von ihrem Lebenslauf so berührt, dass er ihre Geschichte über Jahre niedergeschrieben hat.