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Elmar Tannert/Martin Droschke "Bierland Pilsen"

Vier Bayern und ein Hesse haben sich nach Tschechien aufgemacht, um Bier zu trinken. Nun ist der Bier-Führer der fünfköpfigen Autorengruppe erschienen: "Bierland Pilsen". Tobias Föhrenbach hat ihn einer Geschmacksprobe unterzogen.

Von: Tobias Föhrenbach

Stand: 27.04.2015 | Archiv

Buchcover "Bierland Pilsen" | Bild: BR-Studio Franken/Christian Schiele

"Die Touren waren natürlich extrem anstrengend für Leber, Milz, Darm, eigentlich für alle Innereien. Wir haben uns natürlich eingelesen, wir haben versucht ein bisschen was herauszufinden über die Biere, die uns dort erwarten, konnten aber nichts finden. Das war eigentlich das Interessante. Wir haben wirklich Neuland erforscht.  Das war vielleicht so wie in Afrika, früher vor 200 Jahren, als die Landkarte in der Mitte weiß war, man hat bloß die Umrisse von Afrika gekannt, und was dahinter los ist, wusste man nicht und so ähnlich war es bei uns auch. Die Umgebung, die wir kannten, waren Pilsener Urquell, die ganzen Großbrauereien, Budweiser, Staropramen, aber diese kleinen Brauereien, die waren tatsächlich terra incognita."

Anders Möhl

Der freie Künstler Anders Möhl und Schriftsteller Elmar Tannert, das sind zwei aus der illustren Degustations-Wandergruppe. Die Ursprungsidee war, möglichst alle Kneipen in der Kulturhauptstadt 2015 Pilsen auszukundschaften. Aus der Stadt Pilsen wurde dann das Bierland Pilsen, also die umliegenden Regionen in Westböhmen, und aus den Kneipen wurden sämtliche Brauereien dort. Mehrere Monate wurden Stadt und Land erwandert, mehrere weiße Flecken wurden bunt und die bierdurstigen Autoren wurden reich belohnt, gar streckenweise von einer Brauerei direkt zur nächsten weitergeleitet – via Mundpropaganda.

"Man kann sagen, dass die sich durchweg alle sehr gefreut haben, dass wir uns für ihre Biere interessieren und dann auch sehr bereitwillig weitere Empfehlungen ausgesprochen haben. Man kann sich das vorstellen wie den Goliat Pilsener Urquell und rund herum viele kleine Davids, die sich in dem Kampf gegen den Goliat sehr einig sind und durch diesen Zusammenhalt, denke ich, war es dann auch relativ einfach die weiteren Kontakte zu finden."

Elmar Tannert

"So, der Alkohol wirkt schon ein wenig, also auf zum 13-gradigen Halbdunkeln. Es leuchtet amberfarben im Glas, ist milder gemalzt, jedoch stärker gehopft als sein heller Bruder, ein gefälliger Begleiter zur Kuttelsuppe, die mir eben serviert wird. Perfektes Timing. So gestärkt nähere ich mich dem 14-gradigen Dunklen. Dank der karamellfarbenen Schaumkrone würde es auch als sechsfacher Espresso durchgehen. Nun gesellt sich der Braumeister zu uns, mit einem Fläschlein Bier unter dem Arm, dem letzten seinen Jubiläumsbieres (16,7 Grad). Wohl weil wir so artig ausgetrunken haben. Geschwind eilt eine Bedienung herbei, bringt Sektkelche, die der Chef lächelnd füllt. Sein Lächeln steckt an. Dieses Bierelixier duftet zart nach Erdbeere. Uns so schmeckt es auch: Erdbeer-Süßholz, Zwetschge, Ananas, feinste Kohlensäure – der Champagner unter den Bieren." (Auszug aus "Bierland Pilsen")

"Die Brautradition in Tschechien ist ziemlich zum Erliegen gekommen und die kleinen Brauer können sich nicht wie bei uns in Franken auf eine lange Tradition beziehen. Sie müssen gerade die Bier-Welt neu entdecken. Und das machen sie mit großer Liebe und auch mit großem Erfindungsgeist. Manche Experimente haben mir weniger gefallen, zum Beispiel habe ich verschiedene Kaffeebiere, wo wirklich Kaffee eingebraut war, probiert. Selbst Hanfbier gab es oder Kirschbiere. Die interessanten Biere waren aber nicht die Obstbiere, oder die Biere, die künstliche Geschmäcker gekriegt haben, sondern die Biere, wo die tschechischen Braumeister mit den Zutaten gespielt haben – mit speziellen Bierhefen, zum Teil aus Amerika. Diese Biere, die haben ausgesuchte Hefen und haben hervorragende Hopfensorten. Es gibt nichts Vergleichbares."

Anders Möhl

Info und Bewertung:

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Das Buch "Bierland Pilsen" von Elmar Tannert und Martin Draoschke ist im ars vivendi-Verlag erschienen und kostet 14,90 Euro. ISBN: 978-3-86913-477-2

Und darauf sind die tschechischen Braumeister richtig stolz, wie sich auch in zahlreichen Interviews zeigt, die in diesem Bierführer abgedruckt sind. 15 bis 20 Sorten Bier nennt der ein oder andere Meister sein eigen. Unter zehn macht es kaum ein tschechischer Brauer. Um zu den ländlich und oft versteckten Brauereien zu finden, wurden zudem detailreiche Karten angefügt, mit Wandertipps, Einkehrempfehlungen und weiteren Sehenswürdigkeiten der umliegenden Region. Absolute Höhepunkte dieses Buches sind jedoch die poetischen Verkostungen von Anders Möhl.

"Die Sonne lacht in den Biergarten, die Kellnerin klimpert mit den Wimpern, die Tischnachbarn zücken ihr Fotohandy, als mir wunschgemäß zwei Biere gleichzeitig gebracht werden. Ich lerne als Erstes, dass es auch in Böhmen nicht üblich ist, mehrere Sorten parallel zu trinken – und als Zweites, dass mich auch ein Leichtbier umhauen kann. Mit gerade einmal 10 Grad Stammwürze hat das Helle so wenig Alkohol, dass man es einer Konfirmandengruppe gefahrlos als das erste Bier im Leben hinstellen könnte. Seine Malzigkeit wirft in meinem Kopf einen Kinofilm an: Ich sehe eine Bauernfamilie bei der Getreideernte, sie pausiert gerade in der Mittagsglut unter Apfelbäumen, es riecht nach Stroh, das sie mit bloßen Händen zu Garben verschnürt hat. Dieses Bier, das frisch aus Gerste gepresst sein muss, und ich -  wir werden uns lange aneinander festhalten!" (Auszug aus "Bierland Pilsen")

Bildhafte Verkostungen und skurrile Begegnungen

Das ein oder andere Schmunzeln ruft das Buch durchaus hervor. Neben bildhaften Verkostungen sind es zahlreiche skurrile Begebenheiten, denen sich die fränkische Bierexkursionsgruppe in teils unprätentiösen Kneipen gegenübersieht. Der Bier-Führer bietet aber auch einige fundierte geschichtliche Episoden. Er erzählt vom eisernen Vorhang, der hier verlief, von der Geschichte, wie Karlsbad zu der Kurstadt aufstieg, die sie heute ist, von der Bier- und Kulturhauptstadt 2015 Pilsen, und auch vom Zerfall der Brautradition im vergangenen Jahrhundert. Autor Elmar Tannert:

"Wenn man sich historische Bierkarten anschaut, dann sieht man, dass es in Böhmen eine Brauereidichte gab, wie wir sie hier in Franken jetzt noch haben, wo wirklich jedes zweite Dorf seine eigene Brauerei hatte. Und diese Brauereidichte, die hat durch drei Einschnitte abgenommen: Der erste Einschnitt war der Erste Weltkrieg, der manche Brauereien aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen hat zu schließen. Der zweite Einschnitt war nach dem Zweiten Weltkrieg die sozialistische Planwirtschaftsverwaltung. Und der dritte Einschnitt, an den ich vorher auch nicht gedacht hätte: Es müssen wohl noch ein paar Restbetriebe übrig gewesen sein, die dann 1989 plötzlich der Konkurrenz des freien Marktes ausgesetzt waren und dann erst dicht machen mussten."

Elmar Tannert

Wenn Sie geschichtsinteressiert sind, wenn sie Bierliebhaber sind, wenn sie ein Ausflugstyp sind, dann dürfte Ihnen dieses Buch "Bierland Pilsen" gefallen. Die Brauereien und Biersorten werden namentlich vorgestellt und auch über die Kultur der Verkostung mit Degustation-Sets lernen Sie eine Menge. Ein paar Brocken Tschechisch lernt man auf den letzten Seiten auch noch, dann dürften Ihnen die meisten Herzen der tschechischen Braumeister offen stehen. Und am besten liest sich dieser Führer mit einem kühlen Pivo in der Hand. Na zdarvi!

"Also gut, ich versuche diese Schönheit in Worte zu kleiden: Die Bitterkeit umrahmt vielschichtige Fruchttöne. Die Hefe versteckt sich in einer voluminösen, frisch aufgeschüttelten Malzdecke. Braut Frau Holle mit? Dieses Bier würde ich, wäre ich katholisch und Kardinal, zum Papst wählen. Ein neuer Versuch: weiße Pfirsiche, reife Zwetschge im Abgang, Applaus. Autofahrer haben es in dieser Gegend schwer." (Auszug aus "Bierland Pilsen")


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