Tommie Goerz "Der Tod kommt schnell"
Die Romane des Erlangers Tommie Goerz haben der hiesigen Krimilandschaft einen wunderbar schrulligen Kommissar beschert. Doch in seinem neuen Buch hat Friedo Behütuns nur einen kurzen Auftritt. Gut so, sagt Tanja Oppelt.
Friedo Behütuns hat Urlaub – oder zumindest ist er gerade irgendwo anders. In Tommie Goerz' Kurzgeschichtensammlung „Der Tod kommt schnell“ taucht der bedächtige Kommissar nur in zwei von insgesamt zwölf Geschichten auf. Und das ist auch mal gut so. So sympathisch der fränkische Kripobeamte auch rüberkommt, Friedo Behütuns hat die Angewohnheit , sich in Goerz‘ Büchern ziemlich breit zu machen. Da bleibt dieses Mal viel Platz für Anderes.
Info und Bewertung
"Der Tod kommt schnell" von Tommie Goerz hat 175 Seiten, ist im Ars Vivendi-Verlag erschienen und kostet 9,95 Euro.
Platz, den Tommie Goerz mit guten Ideen und neuen Ansätzen füllt. Denn der Autor, der im wahren Leben Marius Kliesch heißt, hat für seine Kurzgeschichten-Anthologie keine Krimis geschrieben, die dem Schema 'Tat-Tätersuche-Täter gefunden' folgen. Er wollte einfach mal wegkommen von der klassischen Who-dunnit-Geschichte, sagt Tommie Goerz:
"Also dass man bis zum Ende nicht weiß, wer war’s. Sondern vielleicht mal die Psyche beleuchten eines Täters – Abwegigkeiten, die am Rande von Gesellschaften passieren, seine Gedanken mal weiterspinnen über die Grenzen des fast Erträglichen hinaus, das hat mir da Spaß gemacht."
Tommie Goerz
Goerz schreibt aus der Sicht von soziopathischen Tätern, er begleitet unschuldige Verdächtige, die im Mahlwerk von Vorurteilen und Wahrscheinlichkeiten keine Chance haben, und er wird immer wieder politisch.
Autor, Werbetexter und Wahlkämpfer
Der Erlanger Autor, der hauptberuflich Werbetexter und Marketingfachmann ist, hat bereits mehrere Wahlkämpfe für den Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly organisiert. Man merkt seinen Texten an, dass er den Politzirkus kennt, und seine Meinung zu ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Ereignissen schimmert immer wieder durch – seien es die Ermittlungspannen im Mordfall Peggy, der fast inflationäre Bau von Einkaufszentren allerorten oder der Main-Donau-Kanal, der große Teile der fränkischen Landschaft prägt und in seinen Augen nur ein Milliardengrab ist.
Die politische Note tut den Kriminalgeschichten gut – sie sorgt entweder für Widerspruch beim Leser oder bringt ihn zum Nachdenken. Genauso wie die fast schon philosophischen Exkurse, die Goerz seine Hauptpersonen machen lässt:
"Er bog nach rechts, und drei Häuser weiter war er aus dem Ort hinaus. Das einzig Gute dieser Wohnsiedlung: Man war sehr schnell draußen. Wie komisch doch der Mensch ist, überlegte er sich. Wenn er es nicht aushält, läuft er einfach herum, dann hält er es wieder eine Zeit lang aus, so geht das ein ganzes Leben und irgendwann ist es vorbei. Das war es dann. Ein bisschen herumgelaufen, ein bisschen gearbeitet, die Trostlosigkeit vor sich hergeschoben, ihr niemals ins Auge geschaut, sich immer wieder ein wenig abgelenkt, und das über die Jahre, dann legt man sich ins Grab. Ist das nicht ein bisschen doof? Doch es war so." (Auszug aus "Der Tod kommt schnell")
"Das Ziel ist ja, dass es unter die Haut geht, und nicht nur, dass es spannend ist. Und Spannung zu schreiben, halte ich nicht für so schwer wie so intensiv zu schreiben, dass man tatsächlich ein bisschen Gänsehaut kriegt oder dass man ein zweites Mal drüber nachdenkt. Und die Intensität über viele Seiten zu halten ist sehr schwer, das können nur wenige. Die Intensität auf zehn, zwölf, vierzehn Seiten halten, das halt ich auch durch. So ein intensiver Sprint – ja das geht noch, aber beim Marathon – da geht mir dann die Puste aus."
Tommie Goerz
Einblick in das Seelenleben eines Serienmörders
Zwölf Mal legt Goerz in seiner Kurzgeschichten-Anthologie einen solchen schriftstellerischen Sprint hin. Genau in der Mitte des Buches liegt die titelgebende Geschichte "Der Tod kommt schnell" – ein verstörend genauer Einblick in die Gedankengänge und das Seelenleben eines Serienmörders. Er tötet, weil er anderen Menschen beim Sterben zusehen will:
"Zu wissen, jetzt ist es vorbei – und nichts, aber auch gar nichts zu wissen darüber, was das bedeutet. Das reißt den Menschen die Augen auf, stülpt ihr Innerstes nach außen, es macht sie nackt wie nichts sonst. Man muss das gesehen haben, damit man es begreift. Hier ist der Mensch, wie er ist: unwissend und dumm. Hat das Leben gelebt, Tag für Tag – und nicht begriffen. Sieht den Tod als Gewissheit – und hat keine Ahnung davon. Gelacht hat in diesem Moment noch keiner. Entsetzen ist das, was sich zeigt. Horror, Schauder, Fassungslosigkeit, Grauen, Erschrockenheit, tiefste Bestürzung. Und Panik pur – ihm verschafft es Ergötzen, das zu beobachten." (Auszug aus "Der Tod kommt schnell")
Die Gänsehaut, die Goerz so gerne beim Leser hervorrufen will, stellt sich hier schnell ein. Mich gruselt es vor den abartigen Gedankengängen des Serienmörders, gleichzeitig kann ich mich der Faszination, die ja tatsächlich vom Tod, vom unwiderruflichen Ende des Lebens ausgeht, nicht entziehen. Eine gelungene Mischung, "Der Tod kommt schnell" ist die stärkste Geschichte im Buch und steht zurecht genau in der Mitte. Inspiriert dazu wurde Tommie Goerz von einem wahren Ereignis, das er auch in der Geschichte vorkommen lässt:
"Es ist bestimmt schon 20 Jahre her, Tagesschau – 20 Uhr: Es landet ein Hubschrauber. Ein Journalist steigt aus, ein Rotorblatt löst sich, und das hackt ihm den Kopf weg. Und das haben die so gezeigt. Und das hat mich lange beschäftigt. Ich fand das nicht richtig, dass das gezeigt wurde – ich glaube heute würde man es nicht mehr zeigen – aber das ist so ein Moment, wo man drüber nachdenkt, wie schnell so ein Leben vorbei sein kann, wo man so mit dieser – letztlich – Unfassbarkeit des Todes konfrontiert ist."
Tommie Goerz
Der Tod kommt schnell, die Auflösung auch
Der Tod kommt also schnell, ebenso schnell kommt aber in allen Kurzgeschichten des Buches die Auflösung am Ende. Nichts bleibt im Raum stehen. Tommie Goerz nennt das ein "Entgegenkommen für die Leser".
"Ich hab das versucht, eine Geschichte bis zum Schluss nicht aufzulösen. Das war der letzte Roman: ‘Einkehr‘. Und das gefällt manchen Lesern nicht. Leser wollen – das hab ich dadurch gemerkt, dass die Welt in Ordnung ist. Dann kommt was dazwischen, das ist der Kriminalroman, das ist spannend, aber dann muss wieder alles in Ordnung sein. Auch wenn die Welt so nicht ist, aber so wünscht man sich das."
Tommie Goerz
Das stimmt so nicht ganz, denn ich hätte mir das ein oder andere offene Ende gewünscht. Die Auflösungen sind zwar durchaus variantenreich, aber sie kommen unvermittelt und manchmal recht unmotiviert. Ein kleines Haar in der Suppe – den Lesespaß trübt das nur am Rande. „Der Tod kommt schnell“ ist ein perfektes Buch für den Urlaub oder ein ruhiges Sommerwochenende.