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Der ehemalige Psallierchor in Tegernsee Blick in eine Zeitkapsel

Der Innenraum der ehemaligen Klosterkirche Tegernsee war ursprünglich 16 Meter länger als heute. Hinter dem Hochaltar wurde 1824/25 eine Wand hochgezogen, die den Chor vom Rest der Kirche abtrennt. Nach über 180 Jahren öffnet sich dieser Raum - und offenbart einen Blick in die Vergangenheit.

Von: Petra Martin

Stand: 26.02.2014 | Archiv

Luftaufnahme ehem. Kloster Tegernsee | Bild: K.M. Einwanger, Thomas Plettenberg, Michael Heim

Der einzige Zugang zu dem ehemaligen Psallierchor befindet sich im ersten Stock des Tegernseer Gymnasiums. Zu Klosterzeiten war das der Wohntrakt der Mönche. Nach der Regel des Heiligen Benedikt mussten die Mönche siebenmal am Tag und einmal in der Nacht im Psalmengebet Gott danken. Kurze Wege waren da von Vorteil.

Hintergrund

Was ist ein "Psallierchor"?

Das Wort "Psallierchor" leitet sich von "Psallieren" ab, was "Psalmen singen" bedeutet. In diesem Raum kamen die Mönche sieben Mal am Tag und einmal in der Nacht zusammen, um Gott im Psalmengesang zu danken. Dabei saßen sie sich auf Bänken gegenüber und sangen abwechselnd.

Der Chorraum selbst war von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Allerdings konnten Kirchenbesucher die Deckenbemalung sehen. Der Freskenzyklus, den Hans Georg Asam an die Decke der Tegernseer Kirche gemalt hat, ging hinter dem Hochaltar weiter. Seit 1824/25 der Chorraum abgetrennt wurde, endet der Zyklus mit dem Kuppelbild im Hochaltar.

"Der Chor war deshalb ein wichtiger Bestandteil der Klosterkirche", erläutert der Kirchenhistoriker Roland Götz. Die Mönche saßen sich gegenüber und sangen abwechselnd. Als 1803 die bayerischen Klöster aufgehoben wurden, gab es auch in Tegernsee keine Mönchsgemeinschaft mehr, die den Raum nutzen konnte.

Der König kauft die Klostergebäude

Hinter dem Altar fehlen 16 Meter.

König Maximilian I. Joseph erwarb 1817 die Überreste des Tegernseer Klosters. Sein Baumeister Leo von Klenze gestaltete das Bauwerk 1823/24 zum Landsitz der Wittelsbacher um. Dabei wurde festgestellt, dass zwischen der Küche und dem königlichen Speisesaal keine direkte Verbindung bestand.

Deshalb fragte der königliche Hof an, ob eine Art Speisengang errichtet werden könne. Der Pfarrer von Tegernsee ließ den gesamten Chor kurzerhand abtrennen. Es handelte sich hier ohnehin um einen für die Pfarrkirche nutzlosen Raum.

Auch wenn die Kirchenbesucher den Chorraum an sich nicht betreten konnten, so konnten sie doch die Fresken sehen, die den Bilderzyklus der Kirche fortsetzen. Dieser Blick ist seit der Abtrennung nicht mehr möglich. Der Kirchenraum endet im Hochaltar.

Unbekannter Zwischenraum

Lage Zwischenraum

"Die Abtrennung des Chores ist doppelschalig", erklärt Kirchenhistoriker Götz. "Auf der Bibliotheksseite ist es eine gerade Holzwand, auf Seite der Kirche wurde jedoch eine neue Apsis erschaffen. Daraus ergibt sich ein Zwischenraum, der nach oben breiter wird."

In diesem Zwischenraum ist ein halbes Fresko von Hans Georg Asam zu sehen. Es zeigt die Köpfe fünf Heiliger, unter anderem den Kirchenpatron Quirinus, daneben die ersten Patrone Petrus und Paulus. Allerdings gingen die Handwerker mit dem Fresko wenig zimperlich um - Stützbalken bohren sich in die Wangen der Heiligen.

Standortbestimmung: Wo befindet sich der geheimnisvolle Hohlraum?

Fresko in der ursprünglichen Fassung

"Das Besondere an diesen Fresken ist, dass sie in der ursprünglichen Fassung von 1788 erhalten sind", erläutert Götz die Bedeutung. "Wir können die ursprüngliche Färbung der Rahmung sehen: Der Stuck ist zartrosa und gelb bemalt, und auch die Rahmen der Bilder sind vergoldet."

Gerade für Kunsthistoriker ist dieses "unbeschädigte" Fresko von großem Interesse, da es nie restauriert wurde.

Vom Möbellager zur Bibliothek

Raum wurde als Bibliothek genutzt.

Der abgetrennte Raum wurde von den Wittelsbachern zunächst wenig prunkvoll als Möbellager genutzt. Danach richteten sich die Herzöge in Bayern hier eine Familienbibliothek ein. Über Generationen kamen Buchbestände in Tegernsee zusammen. Mehr als 11.000 Bücher stehen in den Holzregalen. Die Themen sind vielfältig: Theologie, Recht, Verwaltung, Wirtschaft, Geschichte, Botanik, Zoologie, Romane und weitere Publikationen sind zu finden.

Der Schwerpunkt liegt auf dem 19. Jahrhundert. Allerdings umfasst die Bandbreite Bände seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Buchkurator ist derzeit damit beauftragt, einen Katalog zu erstellen. Die Bücher sollen über eine Online-Datenbank für Wissenschaftler zugängig sein.

Kirche hat Interesse an dem Raum

2010 hat die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee ein Dauernutzungsrecht von Herzog Max von Bayern für den ehemaligen Psallierchor gekauft. Da das Kreditinstitut den Raum wegen fehlender Fluchtwege nicht wie geplant nutzen kann, will sie ihn verkaufen.

Die Erzdiözese München-Freising hat Interesse an dem Chor, die Verhandlungen laufen noch immer und sind auch im Februar 2014 noch nicht abgeschlossen.

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