Zwölfuhrläuten Schildthurn in Niederbayern
Wenn man den Turm der Schildthurner Wallfahrtskirche von weitem sieht, drängt sich ein recht profaner Vergleich aus der Weltraumfahrt auf: der Turm schaut aus wie jene riesigen, weißen Saturn-Raketen, die von Cape Canaveral aus die Apollo-Kapseln in Richtung Mond getragen haben.
Dieser gewaltige Turm, der so gar nicht zu dem ursprünglich schon aus dem 13. Jahrhundert stammenden Kirchengebäude passen will, wurde erst in der Spätgotik errichtet. Er gilt mit seinen 77,7 Metern Höhe als der höchste Turm einer Dorfkirche in ganz Deutschland. Von seiner Spitze aus sieht man weit hinaus ins Hügelland zwischen Rott- und Inntal. Kurz vor der Jahrtausendwende musste dieses Schildthurner Wahrzeichen aufwendig restauriert werden. Seine Verkleidung aus hellem Tuffstein drohte ebenso zu verwittern wie die vielen dekorativen Ornamente, zu denen auch die Sonnenuhr an der Südseite und das alte herzoglich bairische und das Wappen des Bischofs von Salzburg gehören.
Schutzheiliger der "Stillenden Mütter"
Die Kirche selbst ist dem Heiligen Ägidius geweiht, dem Schutzheiligen der "Stillenden Mütter". Noch heute kommen Gläubige zum Teil von weit her, um hier ihrem Kinderwunsch Ausdruck zu verleihen. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts war es sogar Brauch, mit Hilfe kleiner - vergoldeter oder versilberter - Modellwiegen um Nachwuchs zu bitten. Auch eine größere, hölzerne Wiege unter der Empore zu schaukeln gehörte zum Ritual. Das "Wiegenschutzen" hat die geistliche Obrigkeit schließlich verboten.
Heute ist nur noch eine einzige Votiv-Wiege in Sankt Ägidius zu sehen, der im Barock umgebauten, alten Wallfahrtskirche mit der Rosenkranzmadonna am Hochaltar, den schönen Fresken im Chor und den vielen Votivtafeln dankbarer Eltern, denen die Wallfahrt hierher gesunde Kinder geschenkt hat.