Zwölfuhrläuten Selb in Oberfranken
Wer diese Stadt nicht kennt, möge doch einmal vorsichtig den Geschirrschrank öffnen. Selb – das steht für ungezählte Kaffeetassen, Teller, Kannen, Krüge und Vasen. Das Porzellan ist das große Kapital der Stadt im äußersten Nordosten Bayerns.
Anno 1281 erstmals urkundlich erwähnt, war der Ort lange Zeit eher unbedeutend; zumeist arme Weber gingen hier ihrem Handwerk nach.
Klassische Moderne
1856 verwandelte ein Großbrand Selb in Schutt und Asche. Mit dem Neuaufbau entstand die erste Porzellanfabrik. Gleichzeitig hielt die klassische Moderne in der Stadt Einzug. Fabriken und Stadtbild tragen die Handschriften des italienischen Konstruktivisten Marcello Morandini, des genialen Bauhaus-Architekten Walter Gropius oder auch des Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Und noch ein bedeutender Architekt seiner Zeit hat sich hier ein Denkmal gesetzt: August von Voit, Regierungsbaumeister und Planer des damals berühmten Münchener Glaspalastes, schuf nach dem Stadtbrand die evangelische St.-Andreas-Kirche, deren schöne Westfassade mit dem markanten Turm sich über dem Marktplatz erhebt.
Vier Erdinger Glocken
August von Voit nahm die Stilelemente der Gotik auf und brachte sie hier in einen neuen Zusammenhang - beispielsweise in den Brüstungen der Emporen; ihre Muster finden sich sonst nur in alten Kirchenfenstern.
Anrührend ist das Altarbild im Chorraum: Es zeigt den Auferstandenen, aus dem Grab tretend und Licht bringend – als Hoffnungszeichen für die Gemeinde, dass sich aus der Asche des Stadtbrandes neues Leben erheben sollte.
Vier Glocken hat St. Andreas. 1948 in Erding gegossen, begleitet ihr Klang die Bewohner und Besucher von Selb auf Schritt und Tritt – ebenso wie das Porzellan, das Gassen, Plätze und Brunnen der Stadt in vielen Farben schmückt.