Zwölfuhrläuten Thiersheim in Oberfranken
Nur ein knapper Kilometer Luftlinie trennt die A93 vom übersichtlichen Thiersheimer Ortskern. Die Marktgemeinde selbst ist nicht die größte im Fichtelgebirge: knapp 1800 Einwohner verteilen sich auf 15 Ortsteile.
Kaiser Friedrich Barbarossa schenkt den Ort 1182 urkundlich dem Benediktinerkloster Reichenbach. Das genaue Alter von St. Ägidien liegt im Dunkeln, die Kirchenanlage zeigt, dass es sich ursprünglich um eine Wehrkirche spätromanischer Zeit handelt. Turm und Taufkapelle datieren um das späte 13. Jahrhundert, der dreiseitig geschlossene Chor um 1400. Am Thiersheimer Gotteshaus haben die Menschen mehrfach gebaut und erweitert. Evangelisch wurde man erst 1529 durch markgräflichen Beschluss.
Flügelaltar von 1649
Schon damals war die Kirche im Ortskern nicht allzu prunkvoll, doch vergleichsweise ansehnlich ausgestattet. Künstlerische Aspekte machen den Bau besonders reizvoll: zwei Türme, zwei Chöre, ein achteckiger Helm in Zwiebelform sitzt seitlich verschoben auf dem sechseckigen Glockenturm.
Im Inneren entdeckt das Auge schnell unterschiedliche Bau- und Ausstattungsepochen, nirgendwo wird es da monoton. Förmlich den Blick fesselt der schlichte Flügelaltar von 1649 mit fünf Bildtafeln. Die in der Mitte zeigt vorn Jesus und die Jünger beim Abendmahl, im Hintergrund betet der Messias schon im Garten Getsemane vor der Gefangennahme. Die Emporenbrüstung bildet drei Männer ab, die das fränkische Christentum geprägt haben: den Germanenapostel Wulfila, den Reformator Martin Luther - und natürlich Kirchenpatron Ägidius, den französischen Abt griechischer Abstammung - an der Empore gewandet im lutherischen Talar!
Zum Gottesdienst rufen in Thiersheim vier bei Bachert in Heilbronn gegossene Glocken, gestimmt in e, g, a und c. Die zweite trägt passend als Symbol die Lutherrose.