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Studierte Hebammen Mütter bei der Geburt unterstützen mit Bachelor-Studium

Wer in Zukunft Hebamme werden will, muss ab 2020 studieren, das sieht eine EU-Richtlinie vor. Wir begleiten Hebammen in ihrem Berufs- und Studienalltag – was erhoffen sie sich von einer akademischen Ausbildung?

Von: Lisa Schurr

Stand: 11.12.2018 | Archiv

Frau Dr. Hebamme - Bald führt der Weg in den Kreißsaal nur noch über die Uni

In anderen Ländern ist es längst Usus: Wer Hebamme werden will, muss studieren. Weil das eine EU-Richtlinie so vorsieht, muss Deutschland bis 2021 nachziehen. Der Hebammenverband begrüßt die Regelung und hofft auf eine Aufwertung des Berufs. Auch die ersten Absolventinnen sind froh um ihr Studium, müssen aber darum kämpfen, dass ihr Abschluss die Anerkennung findet, die er verdient.

Die gute Nachricht vorneweg: Wer sich für ein Studium in „Angewandte Hebammenwissenschaften“ entscheidet, der kann sich danach vor Stellenangeboten kaum retten. Der Grund: Es gibt zur Zeit viele unbesetzte Stellen, vor allem in der Geburtshilfe der Kliniken. Einen Studienplatz zu ergattern, ist allerdings gar nicht so einfach. In Baden Württemberg bietet den Studiengang zum Beispiel die Hochschule Ulm an, in Bayern ist das Studium noch in Planung.

Das Studium soll auch den Beruf aufwerten. Denn in ganz Deutschland herrscht Hebammen-Mangel. Allerdings bleibt das Gehalt ein Knackpunkt, denn auch Hebammen mit Master sollen nicht mehr verdienen als bisher.

Corinna Harrer hat sich in Ulm eingeschrieben und ist im vierten Semester. Eigentlich wollte sie BWL studieren, aber dann hat sie gemerkt, da wird sie nicht glücklich. Hebamme zu werden, schien ihr sinnhafter, eine große Verantwortung und eine ehrenvolle Aufgabe. 

Interview Corinna Harrer

Warum hast du dich für das Studium entschieden?

"Ich erhoffte mir von dem Studium, dass es mir in der Praxis eine riesen Stütze ist, ich kann in der Praxis wirklich auf Studien zurückgreifen und kann genau begründen, wieso die Arbeit, die ich mache, wichtig und richtig ist. Wenn man den Hebammenmangel anschaut, ist es auch wichtig zu sagen, wir Hebammen haben auch studiert, wir haben die Handhabe, wir können begründen, wieso wir wichtig sind."

Corinna Harrer, Hebammenstudentin

Die Arbeitsbelastung in den Kreißsälen ist groß, viele Hebammen leiden darunter. Bist du darauf vorbereitet?

"Ich bin da ziemlich offen, kann mir vorstellen auch langfristig in der Klinik zu arbeiten, nur nicht in einer so großen. Ich würde gerne eigenverantwortlich die gesunden Frauen betreuen, das Thema Klinik ist für mich an sich aber nicht ausgeschlossen."

Corinna Harrer, Hebammenstudentin

Das Studium dauert länger als die Ausbildung, die Bezahlung hat sich nicht verbessert. Findest du das gerecht?

"Bei großer Verantwortung in der Geburtshilfe und in Schichtsdiensten sollte jeder besser bezahlt werden und deswegen ist auch das Studium gut. Wenn man irgendwann sagen kann, schaut mal eure Belegschaft an, wir haben alle studiert und verdienen einen Appel und ein Ei für die Arbeit die wir leisten. Alleine hier sinds über 3000 Geburten im Jahr, wenn man sich das überleg,  kann man schon kämpfen dafür, ich denke, das ist es schon wert."

Corinna Harrer, Hebammenstudentin

Hebamme: Handwerkerin und Wissenschaftlerin

Bislang sind die Rollen im Kreißsaal klar verteilt: Die Hebamme ist zuständig für die praktische Geburtshilfe, den physiologischen Vorgang. Solange es keine Komplikationen gibt, kann sie eigenverantwortlich arbeiten. Sobald wissenschaftliche Erkenntnisse und medizinische Expertise verlangt sind, kommen die Ärztin oder der Arzt ins Spiel. Das wird sich jetzt wohl etwas ändern, denn auch Hebammen sollen künftig einen wissenschaftlichen Background haben. Und das in unterschiedlichsten Bereichen.

Interdisziplinäres Studium 

Im Lehrplan der Akademie für Gesundheitsberufe in Ulm zum Beispiel steht Biologie, Anatomie, Physiologie neben Psychologie, Chemie und Arzneimittellehre. Parallel machen die Studentinnen von Anfang an eine Ausbildung mit Aufenthalten in der Klinik und bei freien Hebammen. Das soll sie vorbereiten auf einen Berufsalltag, der es in sich hat. Denn der Hebammenmangel ist groß, die Belastung im Schichtdienst enorm, die Bezahlung nicht sonderlich gut. Wer studiert, bekommt nicht mehr, als jemand, der einfach nur eine Ausbildung gemacht hat. Obwohl das Studium länger dauert.

Symbolische Aufwertung und neue Perspektive

Trotzdem ist der Deutsche Hebammenverband überzeugt, dass sich die Akademisierung der Hebammen-Ausbildung langfristig auszahlt:

"Es gibt dann die Möglichkeit akademischer Karrieren und auch beispielsweise die Besetzung von Leitungsfunktionen in Kliniken. Hebammen können mit Studium auch einen Master oder eine Promotion abschließen."

Deutsche Hebammenverband

Corinna Harrer will nach dem Studium am liebsten in einer kleinen Klinik anfangen. Ihr macht die praktische Arbeit mindestens so viel Spaß wie die Hebammenwissenschaft. Dass sie für eine bessere Bezahlung kämpfen muss, ist ihr bewusst, aber das Studium ist eine gute Argumentationsgrundlage dafür, davon ist sie überzeugt.




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