"Wohnraum für Alle" Wie die Kirche Migranten bei der Wohnungssuche hilft
50 Bewerbungen, drei Besichtigungen, keine Wohnung: Xenias Familie will in Deutschland heimisch werden, doch auf dem Wohnungsmarkt haben es Migranten besonders schwer. Ein Projekt der Kirche hilft, ihnen den Weg zu ebnen.
Seit Oktober lebt Xenias Familie in Deutschland. Sie sind Spätaussiedler aus Kasachstan, wollen hierbleiben, arbeiten und sich integrieren. Aktuell wohnt die Familie noch zu viert in zwei Zimmern in einer Gemeinschaftsunterkunft. Wohnung, Küche und Bad mussten sie sich bis vor Kurzem mit vier weiteren Personen teilen. Kaum Platz, keine Privatsphäre. Jederzeit kann wieder eine neue Familie einziehen. "Wir waren viel Spazieren", erzählt Xenia. "Es war schwierig, den ganzen Tag im Zimmer zu bleiben und immer zusammen zu sein."
Platz zum Arbeiten für vier Leute gibt es hier nicht. Zusätzliche Möbel wie Schreibtische oder Schränke sind nicht erlaubt. Xenias Eltern schlafen auf ausgemusterten Matratzen. Die Familie braucht dringend eine neue Wohnung und sucht seit Monaten – bisher vergebens. Schon 50 Bewerbungen haben sie geschrieben. "Aber sehr oft antworten die Vermieter uns nicht einmal", sagt Xenia.
Spätaussiedler wollen in Deutschland ankommen
Drei Besichtigungstermine gab es immerhin. Aber aus den Wohnungen wurde nichts – auch, weil sie nicht den Vorgaben des Jobcenters entsprachen. Denn bis die Eltern arbeiten können, erhalten sie Bürgergeld. Im Moment besuchen sie einen Integrationskurs und lernen Deutsch. In Kasachstan haben sie beide studiert und einen Hochschulabschluss. Die Familie will so schnell wie möglich wieder auf eigenen Beinen stehen – ohne Wohnung kaum möglich.
In Deutschland wollen sie heimisch werden. Denn Xenias Urgroßmutter wurde 1941 von Deutschland nach Kasachstan deportiert. Dort gehörte die Familie nie richtig dazu. "Es gab Missverständnisse wegen der Kultur, den Traditionen, der Religion", sagt Xenia. "Denn wir gehören eben zu einer anderen Nation."
Migrantinnen und Migranten haben es auf dem angespannten Wohnungsmarkt besonders schwer. Laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes erlebt jeder dritte Migrant bei der Wohnungssuche Diskriminierung. Viele werden etwa wegen eines ausländisch klingenden Namens abgelehnt. Außerdem kennen viele sich mit der deutschen Bürokratie nicht aus.
Hilfe des Projekts "Wohnraum für Alle"
Hier helfen evangelische Kirche und Diakonie mit dem Projekt "Wohnraum für Alle". Anlaufstellen gibt es in Bayern an 13 Standorten von verschiedenen Trägern. Im Landkreis Neustadt an der Waldnaab und in Weiden in der Oberpfalz ist Ulla Roscher-Geuss von der Diakonie als Wohnungslotsin tätig. Sie erstellt mit den Familien Bewerbungsmappen, setzt Anschreiben auf, informiert über Versicherungen und erklärt, was sonst noch wichtig ist. Außerdem begleitet sie die Bewerber zu Wohnungsbesichtigungen.
Lehnen Vermieter Migranten ab, stecken ihrer Erfahrung nach oft Sorgen dahinter. "Die Vermieter haben Probleme, wenn der Müll nicht richtig getrennt ist oder nicht richtig geheizt ist." Die alltäglichen Kleinigkeiten seien oft die größten Probleme. Wenn sie aber unterstütze, fände sich oft doch ein Vermieter. "Die freuen sich, wenn sie bei mir anrufen können und einfach einen Ansprechpartner haben."
"Mieter-Führerschein" erklärt Verhaltensregeln
Um ihre Chancen zu erhöhen, erhalten Xenia und ihre Familie von Roscher-Geuss nicht nur Unterstützung bei der Suche, sondern sie nehmen auch an einer Mieterschulung teil, in der Verhaltensregeln vermittelt werden: zum Beispiel richtig Heizen, Energiesparen, Mülltrennung oder Umweltschutz stehen auf dem Plan.
Mit diesem "Mieter-Führerschein" ließen sich viele mögliche Stolpersteine im Voraus vermeiden, erklärt die Wohnungslotsin – und berichtet von einer syrischen Familie, die die Heizung immer sehr hoch aufdrehte, bis der Vermieter sich beschwerte. Die Lösung: Die Familie kannte keine warmen Federbetten, sondern hatte nur dünne Decken. "Das ist in Syrien normal, man kennt das nicht anders", erklärt Roscher-Geuss. "Und das sind diese Kleinigkeiten. Wir haben eine Decke gekauft, die Heizung wurde runtergedreht und alles war wunderbar."
Mehrere Tausend Wohnungen vermittelt
Das Konzept geht auf: Allein im letzten halben Jahr konnte sie in ihrem Zuständigkeitsgebiet 15 Wohnungen vermitteln. In ganz Bayern waren es in den letzten sechs Jahren sogar mehr als 4300. Für sie nicht nur ein Auftrag der Kirche, sondern auch ein persönliches Anliegen. "Ich bin Pfadfinderin und was Baden-Powell, unser Gründer, uns mitgegeben hat, ist, die Welt besser zu verlassen, als wir sie vorgefunden haben. Das lebe ich Gott sei Dank in meinem Beruf, und das finde ich ganz toll."
Xenias Familie sorgt sich manchmal, ob sie wohl eine Wohnung findet. Aber dennoch sind die vier optimistisch, mit Unterstützung der Diakonie bald umziehen zu können – um in der Oberpfalz richtig heimisch zu werden.