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Das Floß Vom Last- zum Lustschiff

Heute ist Floßfahren auf der Isar eine Touristen-Attraktion. Lange Zeit davor war es Wasserfahrzeug für einen wichtigen Wirtschaftszweig: Die Flößer transportierten Holz, Bier und Gewürze – und Kurfürsten isarabwärts in den Krieg.

Von: Ernst Eisenbichler

Stand: 04.04.2012 | Archiv

Floßfahrt auf der Isar 1912 | Bild: Süddeutsche Zeitung Photo / Knorr + Hirth

Heute beinahe unvorstellbar, aber München hatte tatsächlich Jahrhunderte lang einen kleinen Hafen. Vor der Eisenbahn- und Auto-Ära nutzte man die Isar als Transportweg. Für Schiffe war der wilde Gebirgsfluss zwar ungeeignet, aber ab Mittenwald konnte man Flöße einsetzen. München war für sie die zentrale Anlegestelle, die Untere Floßlände lag unweit der Stelle, wo später das Deutsche Museum gebaut wurde. Dieser Umschlagplatz wurde Ende des 19. Jahrhunderts aufgegeben, aber eine verwitterte Tafel an einem Gebäude in der Steinsdorfstraße erinnert noch an ihn und die dazugehörige Hafeneinkehr: die Flößerwirtschaft "Zum Grünen Baum".

Als es in München eine Hafenkneipe gab: die alte Flößerwirtschaft auf einem Ölgemälde von 1767.

Die Tafel hat ein Ölgemälde aus dem 18. Jahrhundert zum Vorbild. Die Stapel im Bildhintergrund verraten, was vor allem transportiert wurde: Holz, Holz und nochmal Holz. Auf dem Gemälde (große Ansicht) ist auch der Münchner Dom zu sehen.

Als er im 15. Jahrhundert gebaut wurde, kamen die Baumstämme für seinen Dachstuhl aus den Karwendelwäldern per Floß an. Der Holzverbrauch war schon damals derart immens, dass im Karwendel das "Waldsterben" schon lange vor dem sauren Regen einsetzte.

Spediteure des Mittelalters

In Bayern wurde die Flößerei erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt. Auf Isar und Loisach wurden sowohl Baumaterial als auch Reisende transportiert. Waren kamen aber auch im Mittelalter schon aus dem tieferen Süden.

So wurde über den Brenner heraufgebrachter italienischer und Südtiroler Wein in Mittenwald auf Flöße umgeladen; Bier avancierte erst im 17. Jahrhundert zum bayerischen Chefgetränk. Begehrte Importgüter waren zudem Seide, Früchte, Gewürze oder auch Olivenöl, denn im katholischen Bayern waren bis zum Ende des 15. Jahrhunderts während der Fastenzeit auch Butter oder Butterschmalz tabu.

Abenteuer? Harte Arbeit!

Flößer, die ihre Ladung unversehrt ans Ziel brachten, konnten mit guten Gewinnen rechnen. Für Verluste mussten sie jedoch haften. Und Gefahren lauerten zwischen den vielen Kiesbänken der wilden Isar jede Menge. Die Steuermänner mussten jederzeit in der Lage sein, blitzschnell auf Wirbel und Stromschnellen zu reagieren oder plötzlich auftauchenden Felsbrocken und Baumleichen auszuweichen.

Per Floß in die Türkenkriege

Von München aus ging es weiter zur Donau bis nach Wien. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert verkehrten auf dieser Strecke die sogenannten "Ordinari-Flöße". Die zum Teil im Verbund von bis zu sechs Einheiten schwimmenden Fahrzeuge dienten auch dem Personentransport.

Sogar Küche und beheizte Hütten für kalte Reisetage waren mit an Bord. Dafür musste allerdings der doppelte Fahrpreis bezahlt werden. Den musste vermutlich Max Emanuel nicht berappen. Per Floß zog der bayerische Kurfürst 1683 nach Wien, um den Habsburgern erfolgreich bei der Abwehr der Türken beizustehen.

20 Ankünfte pro Tag

Bevor Carl von Linde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Kühlschrank erfand, hatte man Lebensmittel in Eis- und Erdkellern gekühlt – auch Bier, zum Beispiel das in Tölz gebraute. Dessen in Tuffstein gehauene Gewölbe eigneten sich besonders gut für die Lagerung des Gerstensaftes. Ihn brachten Flöße in rauen Mengen aus der damaligen "Bieramme" Tölz nach München.

Erinnerungstafel für die Untere Floßlände in München.

Überhaupt war jene Zeit der Höhepunkt der Isar-Flößerei. Allein zwischen 1860 und 1876 landeten in der Haupstadt fast jedes Jahr 8.000 der flachen Holzgefährte, also im Durchschnitt mehr als 20 täglich.

Künstlicher Wassermangel verdirbt das Gewerbe

Der Bau von Eisenbahnlinien sowie die Industriealisierung machten der Frachtflößerei jedoch den Garaus. So läutete 1924 der Bau des Walchensee-Kraftwerks deren Ende im Isarwinkel ein. In Krün bei Mittenwald wurden für die Stromerzeugung derart große Wassermengen abgezweigt, dass für das ursprüngliche Flussbett zu wenig übrigblieb, um in Lenggries oder Bad Tölz noch einen Regelbetrieb aufrechterhalten zu können.

Heute Touristen-Gaudi

Hatten einst tausende Flößer durch die Isar ihr Auskommen, mussten die meisten ihr ehrbares, von einer eigenen Zunft organisiertes Handwerk, nun aufgeben.

Das Floßen ist zu einer Touristenattraktion geworden.

Einige sattelten daraufhin auf Tourismus um. Begonnen hatte das bereits in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts, als Münchner Ausflügler mit der damaligen Isartalbahn nach Wolfratshausen tingelten, um auf dem Wasserweg zurückzukehren.

Bis heute bieten Nachkommen alter Flößerfamilien zwischen Mai und September ab Wolfratshausen für Touristen Gaudi-Fahrten an, die meist Monate im voraus ausgebucht sind. 60 Personen haben auf einem Gefährt Platz. Bier ist auch jetzt noch mit von der Partie, doch im Unterschied zu früher erreicht es auf den insgesamt 25 Kilometern heute nicht mehr München.


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