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Ludwig I. von Bayern Künstlerkönig mit Widersprüchen

Aufgeschlossen und rückwärts gewandt, freiheitsliebend und autokratisch, großzügig und knickrig, schöngeistig und rüde: Bayernkönig Ludwig I. war ein Mann der Widersprüche - und ein Bewunderer der Antike.

Stand: 02.12.2011 | Archiv

Er sprach Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Griechische und lateinische Klassiker las er im Original. Und kaum ein Tag verging, ohne dass Ludwig I. ein selbst verfasstes Gedicht zu Papier gebracht hätte, wiewohl sich die deutsche Sprache seinem poetischen Wollen so häufig wie nachhaltig widersetzte. Ein britischer Leser merkte spitz an, die Gedichte seien "ins Englische übersetzt worden, obwohl sie (...) eher ins Deutsche übersetzt werden müssten."

Reißaus nach Italien

Auch sonst war der zweite König von Bayern ein rastloser Geist: "Ruhe kann mein Wesen nicht ertragen", bekannte er, "feurig muss das Leben mir schäumen, … sehnen will ich und schwärmen und träumen". So reiste Ludwig I. allein 30 Mal nach Italien. Die nationale Erhebung der Griechen gegen die Türken machte er sich zur Herzenssache, seinen erst 16-jährigen Sohn Otto 1832 zum griechischen König. Der passte das Blau der Hellenenflagge dem der bayerischen Rauten an - und hinterließ eine zwiespältige Bilanz: Wie 1848 beim Vater beendet 1862 ein Volksaufstand Ottos Regierung.

"Ich will aus München eine Stadt machen, die Teutschland so zur Ehre gereichen soll, dass keiner Teutschland kennt, wenn er nicht München gesehen hat."

König Ludwig I. von Bayern

Mit schöner Form zu schönem Sinn

Ludwigs Antikenbegeisterung trägt dazu bei, dass man heute manchmal glauben möchte, Bayern läge am Mittelmeer: Die Walhalla bei Donaustauf zitiert den berühmten Poseidon-Tempel von Paestum, das Pompejanum in Aschaffenburg orientiert sich an einem vornehmen Haus der Antike, das 1828 im Schatten des Vesuv ausgegraben wurde, und die Münchner Ludwigstraße beschwört den Geist florentinischer Palazzi und römischer Piazze.

Beseelt von der Überzeugung, Kunst und Geschichte erzögen die Menschen und bänden sie an die Monarchie, initiierte er - größtenteils mit privatem Geld - eine ambitionierte Bau- und Kunstpolitik, die München zu einem europäischen Zentrum der Musen und der Museen machte.

Museen statt Wohnungen und Kasernen

Mit seinem volksbildenden Anspruch ist Ludwig I. allerdings gescheitert. Anstelle der Museen hätten manche Landsleute lieber Kasernen und Irrenanstalten gesehen; die unvermindert große Wohnungsnot in München, zahlreiche Unglücksfälle beim forcierten Bau der Prestigeprojekte und die Intrigen unter den Architekten des Königs mindern die Begeisterung der Münchner weiter.

Gefangen zwischen Eros und Reaktion

Mit dem Fortschreiten seiner Regierungszeit verdunkelt sich der weißblaue Himmel: Ludwigs zunehmend reaktionäre Innenminister haben kein Konzept gegen die besonders in der Pfalz oft drückende Armut; das berühmte Hambacher Fest von 1832 ist auch ein Protest gegen die bayerische Administration. Die masochistisch gefärbte Liebesbeziehung Ludwigs zu Lola Montez befremdet ab 1847 auch und gerade Königstreue und bringt Ludwig in Gegensatz zu seinen Ministern.

Abdankung 1848

Im Spätwinter 1848 - in Paris tobt die Revolution - lassen die Affäre um die "falsche Andalusierin" Lola Montez, ein Aufstand der Studenten und die Erhöhung des Bierpreises in der Haupt- und Residenzstadt das Fass überlaufen: Ein "Unterschreiberkönig" aber will Ludwig nicht sein und dankt am 20. März 1848 ab. Sein Charakterbild bleibt ambivalent: aufgeschlossen und rückwärts gewandt, freiheitsliebend und autokratisch, großzügig und knickrig, schöngeistig und rüde.


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