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Skandal im Hause Wittelsbach Wie Lola Bayerns König vom Thron schmuste

Was muss sich ereignen, damit bayerische Untertanen ihren König stürzen? Not? Willkür? Bierpreiswucher? Frauengeschichten - ein Anschlag aufs sittliche Empfinden. Hätte König Ludwig I. in seinem 60. Lebensjahr sein Intimleben besser im Griff gehabt - er hätte zu jenen deutschen Herrschern gehören können, die auch nach der Revolution von 1848 ungerührt weiterregierten.

Von: Michael Kubitza

Stand: 02.12.2011 | Archiv

Galerie: Die Afäre Lola Montez | Bild: picture-alliance/dpa

Dann freilich hätte eineinhalb Jahre zuvor jene Begegnung im Audienzsaal der Residenz nicht stattfinden dürfen: Hier der König (60), dort eine junge Dame von 25 Jahren im eng geschnürten schwarzen Samtkleid. Lola Montez, so stellt sie sich vor, logierend im "Goldenen Hirschen", geboren in Spanien und Tänzerin von Beruf - ob sie diesen wohl in München ausüben dürfe? Dass sie kaum spanisch kann (und mittelmäßig tanzt) fällt dem König nicht auf, dafür ihr pralles Mieder. "Natur oder Kunst?" will der König wissen, worauf Lola mit einer Schere ihr Korsett zerlegt und die Frage umfassend beantwortet haben soll. Danach darf sie tanzen. Muss sie aber bald nicht mehr.

König Ludwig in Uniform und Dichterpose

Aus dem "Goldenen Hirschen" zieht Lola erst in ein Appartement, das der König ihr einrichten lässt, dann in ihr Geschenk, ein Palais in der Barer Straße 7, wo sie den König - und nicht nur ihn - empfängt. Dass Ludwig die Frauen liebt, ist bekannt; seine Favoritinnen lässt er vom Maler Joseph Stieler in einer "Schönheitengalerie" in der Residenz verewigen. Diesmal aber ist es ernst. Der König zahlt Lola das Mehrfache eines Ministergehalts, ändert sogar sein Testament zugunsten der Gräfin von Landsfeld - unter diesem Namen lässt er Lola einbürgern.

Und er schreibt ihr Gedichte.

"Süße Düfte streut die Linde
in dem schönen Brückenau.
Unter Zweigen, die sich neigen
wallt die allerschönste Frau:
...
Lola Montez, der im Herzen
brennt des Südens Leidenschaft,
mit den Trieben, die im Lieben
und im Hassen gleich an Kraft."

König Ludwig I. von Bayern über Lola Montez

Waldfee mit Reitpeitsche

Heute eine Touristenattraktion: Des Königs Liebeslinde in Brückenau.

So heftig Ludwig seine "Lolitta" liebt - außer ihm tut es kaum einer. Ludwigs konservative Minister sind über die Erhebung der königlichen Mätresse in den Adelsstand so erbost, dass das Kabinett geschlossen zurücktritt. Auch im Volk hat jeder einen Grund, die Montez zu verachten, und jeder einen anderen:

Den einen missfällt, dass die angebliche spanische Tänzerin als Tochter eines schottischen Offiziers unter dem Namen Elizabeth Gilbert in Kalkutta zur Welt gekommen ist, die sie später unter diversen Namen bereist, um die Königshöfe Europas und die Pariser Halbwelt mit ihren Tänzen erröten zu machen. Andere fürchten ihren schädlichen Einfluss auf des Königs Politik. Manchen schließlich missfällt schlicht ihr Auftreten: in Männerkleidung, begleitet von einer riesigen Dogge und bewaffnet mit Reitpeitsche und Zigarre.

Lola-Studenten gegen Anti-Lola-Studenten

Die Situation eskaliert, als Lola beschließt, sich einige Studenten des Corps "Alemannia" als persönliche Leibstandarte zuzulegen. Bei anderen Burschenschaften führt das zu teilweise handgreiflichem Protesten. Dass der König die Universität daraufhin komplett dichtmachen lässt, bringt weitere Teile der Bevölkerung gegen ihn auf. Das schließlich unterscheidet den März 1848 in München von den revolutionären Unruhen in anderen deutschen Ländern: Hier wenden sich nicht nur nationale, liberale und linke Kräfte gegen den Träger der alten Ordnung, sondern auch die Konservativen. Und die Gegenwehr des liebeskranken Monarchen ist schwach: "Da war's mir unausstehlich, länger auf dem Thron zu sein", erklärt Ludwig am 20. März 1848 und dankt zugunsten seines Sohnes Maximilian ab.

Für die Bayern ist der Störfall Lola Montez so gesehen ein Glücksfall: Maximilian reagiert sein Land in den nächsten Jahren mit weit mehr Umsicht, als von seinem zunehmend starrsinnigen Vater zu erwarten gewesen wäre, sorgt auch dafür, dass, anders als etwa im benachbarten Württemberg, nicht alle Errungenschaften der Revolution wieder einkassiert werden. Auch das eben noch verbotene Rauchen auf offener Straße ist und bleibt jetzt gestattet. Frauen mit Zigarre freilich werden weiterhin eher selten gesehen - wenn doch, könnte das auch an der falschen spanischen Gräfin Landsfeld liegen.

Bayerns königliche Jahre


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