Kultur


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Klick!Jörg Koopmann fotografiert Schafabtrieb in Tirol

Zum großen Schafabtrieb in Tarent finden sich jedes Jahre viele Schaulustige ein, Touristen wie Tiroler. Das interessiert sogar die Haustiere; und was Hermes mit dem bunten Treiben zu tun hat, erzählt der Fotograf Jörg Koopmann.

Von: Susanne Lorenz

Stand: 26.09.2013 | Archiv

Hören und sehen: Jörg Koopmann über einen besonderen Schafabtrieb

Jörg Koopmann ist Fotojournalist und Reisefotograf

Der gebürtige Münchner studierte an der dortigen Fachakademie für Fotodesign und arbeitete anschließend zwei Jahre lang als Fotograf für die Städtische Galerie im Lenbachhaus. Seine Arbeiten werden unter anderem im ZEIT-Magazin veröffentlicht.

BR.de: In Ihren Bildern sind öfter Tiere "versteckt", die man erst beim näheren oder zweiten Hinsehen entdeckt. Geraten die alle so zufällig ins Bild wie der Schäferhund, der den Schafabtrieb beobachtet?

Jörg Koopmann: Dass Tiere wirklich zufällig ins Bild geraten, ist eher selten. Mir fallen solche Situationen auf, ich hab da so gewisse Antennen, das wahrzunehmen. Ich finde es sehr spannend, in welchem Zustand, in welcher Situation, in welcher Art der Annäherung ich oder man in seiner Umgebung auf Tiere trifft.

BR.de: Tiere stehen bei Ihnen aber auch häufig im Mittelpunkt, nicht nur beim Schafabtrieb. Fotografieren Sie Tiere anders als Menschen?

Jörg Koopmann: Ja. Ich dachte anfangs nein, aber langsam wird mir klar, dass es Unterschiede gibt, und die bilden sich auch immer mehr heraus. Ich versuche immer, mich mit der Kamera zurückzunehmen, damit ich den Fotografierten kein Gegenüber werde und keine Blicke auf mich fallen in den Bildern. Inzwischen gibt es eine virulent anwachsende Anzahl von Fotos, aber gleichzeitig auch dieses stärkere Bewusstsein, dass Bilder irgendwo auftauchen können. Das schafft Argwohn – "was will der, was passiert mit dem Bild?"
Das Schöne bei Tieren ist, dass man sich ihnen nicht erklären muss. Wenn ein Tier auftaucht, kommt es darauf an, welches Tier, wo und in welcher Situation, wie nah ich rankomme und wie schüchtern und ängstlich man gegenseitig ist.

BR.de: Sie reisen viel und machen Fotoreportagen, warten Sie beim Fotografieren auf den berühmten "decisive moment"?

Jörg Koopmann: Warten insofern, als dass ich teilweise wirklich Zeit investieren muss. Und zwar indem ich einfach nur präsent bin, bis das Interesse an mir als Person abflacht.
Was aber den "decisive moment" betrifft, ist die Situation eine Mischung daraus, einen Moment soweit zuzuspitzen, dass da etwas Besonderes passiert, und einer rein grafischen Lösung. Zum Beispiel das Mann-springt-über-Pfütze-Bild von Cartier-Bresson ("Behind the Gare Saint Lazare" Anm. d.Red.) – hier steht eine grafische, ästhetische Sache im Vordergrund. Dass der Mann über die Pfütze springt, wäre eine Sekunde oder eine Minute später natürlich die gleiche Geschichte, aber so ist sie ein ästhetischer Höhepunkt.
Für mich entscheidet, ob es funktioniert oder nicht, dass verschiedene Faktoren zusammenkommen, die eine Erzählung ergeben, wie in meinem Beispielbild, wo ich die Kontrolle überhaupt nicht mehr habe über DEN entscheidenden Moment.

BR.de: "Soft-Fact Photography" steht auf Ihrer Website. Wie ist das zu verstehen, gehören die Schafe dazu?

Jörg Koppmann: So ungeschoren wie sie sind – ja: very soft facts. Wenn man Fotografie betreibt, die sich als dokumentarisch versteht, dann schwingt da immer mit, dass man mit realen Bildern und Geschichten, also hard facts, arbeitet und ein Bild der Welt kreiert, das sie erklärt. Das führt fast zu einem didaktischen Anspruch an Dokumentarfotografie. Ich will nicht verneinen, dass es hard facts gibt, aber die Umbenennung zu soft facts soll ausdrücken, dass die Grenzen weich sind, die Fakten weicher sind, dass diese Fotografie eine Annäherung ist.

BR.de: Nach dem Studium haben Sie als Fotograf im Lenbachhaus gearbeitet. Wie haben Sie diese beiden Jahre im Kunstbetrieb geprägt?

Jörg Koopmann: Mich hat ganz sicher geprägt, dass ich nach dem Studium ganz angewandt und handwerklich orientiert war. Im Lenbachhaus zu landen, wo Fotografie ein Teil der Kunst war, hat Vieles für mich sichtbar gemacht. Die Neugierde ist zwar da nicht erst entstanden, aber es hat sie durchaus gefüttert.
Es gab damals so einen Grabenkampf zwischen angewandter und freier Arbeit: Die Kunst galt als frei und die Jobs und die journalistischen Sachen als angewandt, weil es hier eine Aufgabenstellung gibt und in der Kunst nicht. Das ist aber auch so ein hard-fact-Denken, und seit dem Studium wollte ich diese engen Reglements immer hinterfragen.

BR.de: Sie gehören zu den Organisatoren des Dokumentarfotografie-Festivals Fotodoks in München. Das Motto lautet in diesem Jahr "Stranger World" – nach welchen Kriterien haben Sie die Arbeiten für die Ausstellung im Stadtmuseum ausgesucht?

Jörg Koopmann: Wir haben uns gefragt, ob das Befremdliche, Seltsame, Skurrile in der Welt daher kommt, dass sie uns in ihrer Komplexität immer skurriler und seltsamer vorkommt, oder ob die Art, über die Welt zu erzählen immer stärker stilisiert wird - dass man sich gar nicht mehr traut, das Normale, Alltägliche zu erzählen, sondern immer auf das Absonderliche abzielt, um noch ein Publikum zu finden.

Eine der Geschichten in der Ausstellung ist eine visuelle Auseinandersetzung mit dem Hochstapler Christian Gerhartsreiter alias Clark Rockefeller und der Frage nach der Identität einer Person, deren Identität eben nie genau definiert war. Vor ein paar Monaten erst war die Geschichte aktuell in den Schlagzeilen, weil Gehartsreiter in Amerika wegen Mordes verurteilt wurde. Und da gibt es über ihn schon seit zwei oder drei Jahren eine künstlerische Arbeit. Solche Sachen treffen da aufeinander, und es macht wahnsinnig Spaß, sie in einen Kontext zu bringen, der fragt: Wie seltsam ist es, wie seltsam verstehen wir’s und wie seltsam machen wir’s uns?


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