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jugendschutz.net-Studie Rechtsextreme fischen vermehrt im Social Web

Zunehmend verbreiten Neonazis im Social Web Hasspropaganda und rassistische Gewalt. Sie ködern Jugendliche mit trendigen Angeboten und gut getarnten rechtsextremen Botschaften. Dies zeigt der Jahresbericht von jugendschutz.net.

Stand: 10.07.2013 | Archiv

Symbolbild: Der Kopf eines Neonazis auf einem iPad, daneben verschiedene Social Media-Logos | Bild: colourbox.com, Facebook, Twitter, Youtube; Montage: BR

Die von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) unterstützte Organisation jugendschutz.net verzeichnet in ihrem Bericht "Rechtsextremismus online 2012" einen enormen Zuwachs rechtsextremer Inhalte auf Twitter, Facebook und Youtube.

Neonazis entdecken soziale Netzwerke

Insgesamt über 7.000 rechtsextreme Websites und Beiträge im Internet wurden gezählt, 5.500 davon – 1.800 mehr als im Vorjahr – in sozialen Netzwerken. Die Steigerung im Social Web um fast 50 Prozent zeigt, dass die zunehmende Bedeutung von Facebook und Co. für die junge Generation auch das Treiben von Rechtsextremen im Internet beeinflusst. So werden die klassischen statischen Websites zunehmend verdrängt durch eine wachsende Zahl von Propaganda-Videos, -Posts und -Tweets im jungen, interaktiven Social Web.

"Rechsextreme nutzen das Internet und soziale Medien intensiv, um vor allem Jugendliche zu erreichen."

Thomas Krüger, Präsident der bpb

Hasstiraden mit Tarnkappe

Nazis im Netz sind inzwischen sehr geschickt darin, ihre Hasspropaganda unter modernen Tarnkappen zu verstecken. "Werbewirksame Slogans, markantes Logo und kaschierter Rassismus – das ist das Erscheinungsbild einer neuen rechtsextremen Strömung", schreiben die Autoren des Berichts.

Die Neonazis folgen den modischen Trends und geben sich erlebnisorientiert. Mit cooler Musik, einprägsamen Sprüchen, hübschen Bildern und trendigen Videos kommen sie besser beim jugendlichen Zielpublikum an, zu erkennen an den vielen "Likes" bei Facebook, "Followern" bei Twitter und "Views" bei Youtube.

"Sie sind nicht auf den ersten Blick als Rechtsextreme zu erkennen, sondern sie nutzen das, was junge Leute sowieso interessiert, nämlich Events, Musik, Livestile."

Thomas Krüger, Präsident der bpb

Propaga per App und QR-Codes aufs Smartphone

Neuerdings setzen Rechtsextreme auch auf Apps für Smartphone und Tablet. So dokumentierte jugendschutz.net mehrere ausländische Versionen solcher Applikationen, die strafbare Symbole oder neonazistisches Gedankengut verbreiten. Auch deutsche Rechtsextreme brachten 2012 eine App für Gesinnungsgenossen heraus: Die FSN-App (FSN = Frei Sozial National) gehört zum gleichnamigen rechtsextremen Online-Radio und bringt mehrere Musikkanäle, Radiostreams und ein Mal wöchentlich ein "TV-Programm" auf mobile Geräte.

Neonazis nutzen für ihre Propaganda auch QR-Codes, die sich per Smartphone auslesen lassen. Die auf Websites und Profile in sozialen Netzwerken, aber auch auf Flyer und Aufkleber gesetzten QR-Codes führen nach dem Auslesen auf rechtsextreme Angebote.

Strafbare Inhalte meist auf Servern in den USA

Bei 80 Prozent der Jugendschutzverstöße im Netz handelte es sich gleichzeitig um Straftatbestände, also verbotene Kennzeichen, volksverhetzende Äußerungen oder Holocaustleugnung. Insgesamt wurden 13 Prozent mehr strafbare Inhalte als im Vorjahr dokumentiert, schreiben die Autoren von jugendschutz.net. Die verbleibenden jugendgefährdenden Angebote gingen vor allem auf die Verbreitung indizierter Musik über YouTube und Links zu indizierten Websites zurück.

Jugendschutzverstöße melden

Problematische Inhalte können gemeldet werden unter dem Link www.jugendschutz.net/hotline
oder der E-Mail
hotline@jugendschutz.net

In mehr als 90 Prozent der Fälle wurden unzulässige Inhalte aus dem Ausland eingestellt. Fast alle Verstöße im Social Web fanden sich auf international zugänglichen Diensten wie Facebook und YouTube, meist Profile und Videos. Auch 62 Prozent der unzulässigen Websites lagen auf US-Servern.

Facebook und Co. löschen verstärkt rechtsextreme Inhalte

In den großen Online-Netzwerken werde mittlerweile jedoch zunehmend gegen rechtsextreme Inhalte vorgegangen, sagt Stefan Glaser von jugenschutz.net und betont die gute Zusammenarbeit. Fast alle gemeldeten Fälle würden mittlerweile von den Anbietern gelöscht. Ein Problem sei jedoch, dass nur kurze Zeit danach dieselben Inhalte in leicht veränderter Form oder unter einem anderem Zugangskonto erneut eingestellt würden.

"Vor allem brauchen wir mehr Widerstand im Netz gegen solche Propagandaversuche."

Thomas Krüger, Präsident der bpb

Netzgemeinde soll Nazis Stirn bieten

"Facebook ist aktiver geworden", sagt auch Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Rechtsextreme würden deshalb zunehmend in Netzwerke ausweichen, in denen sie sich sicherer fühlen – beispielsweise ins russische vk.com.

Auch deshalb ist es Krüger wichtig, die Betreiber der Internet-Plattformen in eine besondere Verantwortung zu nehmen: "Wir brauchen Betreiber, die Hassinhalte und Gewaltaufrufe entschieden unterbinden." Aber auch die Netzgemeinde sieht Krüger in der Pflicht: Es seien User unerlässlich, so Krüger, "die sich mit Minderheiten solidarisieren, sich gegenseitig unterstützen und Naziparolen mit Argumenten die Stirn bieten".

Informationen zu Rechtsextremismus im Internet:


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