25 Jahre Einheit Der Ostfußball liegt am Boden
Der schleichende Abstieg des Ostfußballs seit dem Mauerfall vor 25 Jahren ist unverkennbar - trotz RB Leipzig. Eine simple Formel macht dies deutlich: Aus 2+6 wurde 0+3.
Stellte der Osten nach der Zusammenlegung noch zwei Erstliga- und sechs Zweitligateams, sind es gegenwärtig gerade noch drei Zweitligisten aus den neuen Bundesländern. "Die Bewertung von 25 Jahren Fußball im Osten wird leider von der Entwicklung im Profifußball dominiert. Aktuell durchlaufen wir dabei ein kleines Wellental", sagt Präsident Rainer Milkoreit vom Nordostdeutschen Fußball-Verband (NOFV).
Zur ersten gemeinsamen Bundesliga-Saison 1991 gehörten Hansa Rostock und Dynamo Dresden, beide Klubs sind heute nur noch drittklassig. "Logischerweise sind wir mit dem gegenwärtigen Anteil im Profibereich nicht glücklich. Dazu reicht die Wirtschaftskraft in den Ländern unseres Regionalverbandes nicht", sagt Milkoreit und weist auf ein wesentliches Problem hin. Während die Klubs im Westen von Konzernen und Großunternehmen wie Bayer, VW, Audi und Telekom im großen Stil profitieren, kommen die Wirtschaftspartner im Osten wenn überhaupt aus dem Mittelstand.
Sammer: Es wurden grobe Fehler gemacht
Nach Einschätzung von Matthias Sammer wurden allerdings auch grobe Fehler in den Vereinen begangen. "Nach 25 Jahren glaube ich, dass es der ein oder andere Klub nicht geschafft hat, in seiner eigenen Struktur und Denkweise, Tradition und Entwicklung miteinander zu verbinden", sagte der heutige Sportvorstand von Bayern München dem MDR.
Sammer kritisiert, dass sich vor allem in den ersten Jahren Personen in die Ost-Vereine gedrängt hätten, die nur an sich gedacht hätten. Im Falle von Sammers Stammverein Dynamo Dresden war dies vor allem der Bauunternehmer Rolf-Jürgen Otto, unter dem es für den achtmaligen DDR-Meister abwärts ging. "Mit diesen Langzeitschäden haben die Klubs heute noch zu kämpfen", sagte Sammer.
"Das waren Blinde"
Trainer-Ikone Eduard Geyer wird noch deutlicher: "Wir haben fünftklassige Trainer und Manager geholt, weil wir dachten, die aus dem Westen sind die Heilsbringer. Aber das waren Blinde, die uns eigentlich erst richtig reingerasselt haben", sagte der 70-Jährige im kicker. Geyer hatte mit dem Bundesliga-Intermezzo von Energie Cottbus (2000 bis 2003) für eines der Ost-Highlights in den vergangenen 25 Jahren gesorgt. Seit Energies Abstieg im Jahr 2009 hat kein Ex-DDR-Klub mehr in der Bundesliga gespielt.
Aber es gibt auch positive Entwicklungen im Osten, etwa den Ausbau der Infrastruktur. In Magdeburg, Rostock, Dresden und bei Union Berlin entstanden komfortable Arenen. In Zwickau, Chemnitz, Erfurt und Aue zieht man nach. Als beispielhaft nennt Milkoreit die Entwicklung bei Erzgebirge Aue und Union Berlin, die sich als feste Größen in der 2. Liga etabliert haben. Angesichts der positiven Anstrengungen will Aues früherer Trainer Gerd Schädlich auch von einem Standort-Nachteil nichts wissen. "Es kann auch schnell zum Alibi werden. Dresden oder Leipzig müssten vom Standort eigentlich erste Liga spielen. Was ist da anders als in Augsburg oder Freiburg?"
RB Leipzig - kein Vorbild für die Ostklubs
Ein pikantes Gegenbeispiel zur allgemeinen Entwicklung bildet RB Leipzig. Der 2009 gegründete Klub hat den Großkonzern Red Bull im Rücken und muss sich mit den vielen Problemen der anderen Klubs nicht herumschlagen. Vor allem den Traditionsvereinen im Osten ist Leipzig ein Dorn im Auge, weil RB nicht zuletzt die besten Nachwuchsspieler der Region mit angeblich viel Geld an sich bindet. "RB Leipzig ist nicht der Ostfußball. Das geht nicht, das kann kein Vorbild für Rostock, Dresden, Aue oder Halle sein", sagte Präsident Michael Schädlich vom Drittligisten Hallescher FC: "Und es wäre ein großer Fehler, wenn man meinte, man könnte den ostdeutschen Fußball nach diesem Modell entwickeln."
Dresdens Sportdirektor Ralf Minge äußerte jedoch auch Anerkennung: "In Leipzig machen sie ja nichts Kriminelles. Sie haben nicht nur Geld, sondern auch einen sehr guten Plan und unheimlich viel Kompetenz. Und wenn wir ehrlich sind, ist die Entwicklung dort der Tatsache geschuldet, dass es Lok und Chemie über viele Jahre nicht auf die Reihe gebracht haben und deshalb in Leipzig ein großes Fußball-Vakuum entstanden ist." Und auch Sammer steht dem Projekt in der Gründungsstadt des DFB positiv gegenüber: "Das Projekt Leipzig bringt viele Arbeitsplätze. Ich glaube, dass die ganze Region davon profitieren wird."
Quelle: sid