Basketball in Würzburg Mehr als nur Nowitzki
Ungeahnte Höhenflüge, überraschende Rückschläge und große Namen kennzeichnen die Bundesligazeit der Würzburger Basketballer. Dass Basketball in der Residenzstadt mehr ist als Nowitzki, beweist die jüngste Vergangenheit.
Einst Dirk Nowitzki, Demond Greene oder Robert Garrett, zuletzt Chris Kramer, John Little oder Jung-Nationalspieler Maxi Kleber, dazu Top-Trainer wie Gordon Herbert, John Patrick oder aktuell Douglas Spradley: Der Würzburger Basketball steht für viele prominente Namen und eines der besten Nachwuchsprogramme des Landes. Keine Frage, dass so ein Verein in die Basketball-Bundesliga (BBL) gehört.
Der vierte Anlauf der Unterfranken im Oberhaus in der Saison 2015/2016 soll nun endlich auch von Dauer sein. Dreimal schon standen Würzburger Mannschaften in der höchsten deutschen Spielklasse. Unterschiedliche Gründe sorgten dafür, dass es dreimal auch wieder runter ging.
1968/69: Überfordert in der Bundesliga Süd
Beim ersten Versuch fehlte schlicht die sportliche Qualität. Mit 1:35 Punkten verabschiedete sich die TG Würzburg 1969 nach nur einer Spielzeit wieder aus der damaligen Bundesliga Süd. Das Korbverhältnis von -512 aus nur 18 Partien spricht Bände. Bei einem Unentschieden (das gab es damals noch) setzte es 17 Niederlagen mit durchschnittlich 28 Punkten Differenz.
In den darauffolgenden Jahren tat sich nur in der Breite etwas. Bis zu vier Würzburger Teams spielten gleichzeitig in der Regionalliga - so eine Dichte gab es später nur noch im Großraum Bamberg. "Würzburg hatte die Universität und eine US-Army-Station", erzählt Wolfgang Malisch, später Manager des Klubs und DBB-Vizepräsident. Diese Faktoren hätten mit dazu beigetragen, dass der "Exotensport", der Basketball damals noch war, in Würzburg Fuß fasste. Dass die Würzburger fast 30 Jahre nach dem ersten Bundesliga-Abenteuer wieder Erstliga-Basketball zu sehen bekamen, ist auch ein Verdienst des "Basketball-verrückten Chemikers", wie Malisch in der Szene genannt wird.
Die DJK und der "verrückte Chemie-Professor"
Malisch, der sich vorher mehr für Fußball, Handball und Tischtennis engagierte und nebenbei auch noch im Musikbusiness mitmischte, ließ sich vom Basketballvirus infizieren und übernahm Verantwortung im Verein. Zwei seiner Studenten spielten damals hochklassig Basketball und fragten ihn, ob er sich das nicht mal ansehen wolle. 1987 war das.
Die Tatsache, dass Basketball ein schneller Sport ist, "in dem man schnell zum Abschluss kommen muss" und der schon damals vorhandene Eventcharakter der Heimspiele überzeugten ihn. Schnell arbeitete er sich in die Materie ein, übernahm vor allem administrative Aufgaben und sorgte dafür, dass sich der Klub bald professioneller aufstellte.
Erstes Basketballinternat in Würzburg
Erst gelang dem Damen- und dem Herren-Team der DJK zeitgleich der Aufstieg in die 2. Bundesliga, worauf der Klub aber noch gar nicht wirklich vorbereitet war. Malisch musste zunächst mit einem Etat von 40.000 D-Mark für beide Teams auskommen, steuerte bei Auswärtsfahrten sogar manchmal den Kleinbus selbst. "Das war ein Achtsitzer, da waren wir teilweise mit 14, 15 Leuten drin", erinnert er sich an diese verrückte Zeit. Eine Zeit, in der er aber die Weichen für die Zukunft stellte: Malisch schob ein Nachwuchsprogramm an, wie es das seinerzeit andernorts so noch nicht gab. Würzburg wurde bald darauf der erste Standort in Deutschland mit einem eigenen Basketballinternat.
Zweiter Anlauf mit Nowitzki
Das zahlte sich nur einige Jahre später aus: 1998 gelang der DJK s.Oliver Würzburg mit einem gewissen Dirk Nowitzki der Aufstieg. Mit im Kader auch zwei weitere spätere Nationalspieler: Demond Greene und Robert Garrett. Der junge Nowitzki - damals gerade 19 Jahre alt, aber schon ein Ausnahmetalent - war als bester Korbjäger und Rebounder seines Teams maßgeblich am Bundesligaaufstieg beteiligt. Im ersten Bundesligajahr absolvierte er allerdings nur noch 16 Spiele, ehe er von den Milwaukee Bucks gedraftet wurde und kurz darauf seinen ersten NBA-Profivertrag bei den Dallas Mavericks unterschrieb.
Wolfgang Malisch über ...
Dirk Nowitzki
"Über ihn muss man nicht viel sagen. Er steht über allem. Die Entwicklung, die er genommen hat, ist sensationell. Der beste deutsche Basketballer aller Zeiten. Ganz ohne Frage."
(Dirk Nowitzki kommt aus der Würzburger Jugend und stieg mit der Mannschaft 1998 in die Bundesliga auf. Danach führte ihn sein Weg in die NBA, wo er heute der siebtbeste Scorer aller Zeiten ist)
Demond Greene & Robert Garrett
"Beide stammen aus der eigenen Jugend, waren bzw. sind menschlich top, ohne Allüren, und haben sich nach ihrer Würzburger Zeit konsequent zu Nationalspielern und zu Leistungsträgern in führenden Vereinen entwickelt. Demond war ein Superverteidiger, "Robbi" war eine Rakete, schnell ohne Ende, nicht zu stoppen, mit einer sehr physischen Spielweise und dazu sehr vielseitig."
(Demond Greene wurde an der Seite von Dirk Nowitzki Vize-Weltmeister mit der Nationalmannschaft, spielte u.a. für ALBA Berlin und zuletzt den FC Bayern München, wo er bis heute eingebunden ist. Robert Garrett )
Igor Nakic
"Igor war der Garant für den Aufstieg 1998. Er ist Kroate, hatte vorher für Real Madrid gespielt und so ziemlich alles gewonnen. Ein Power Forward mit mit einem unglaublichen Ballgefühl und Spielverständnis sowie einem tollen Wurf. Unvergessen das Pokalspiel gegen Bayreuth, als er 40 Punkte machte. Es war damals unser erster Sieg gegen einen Erstligisten."
(Igor Nakic ...)
Olumide Oyedij
"Ein Center, der bis unter die Hallendecke springen konnte. Er war lange Kapitän der nigerianischen Nationalmannschaft und hatte es im Schatten von Nowitzki nicht so leicht, hat es aber immerhin auch in die NBA geschafft, wo er für Seattle, Orlando und Atlanta spielte."
(Olumide Oyedij ...)
Einmal Playoffs, danach Abstiegskampf
Das erste Bundesligajahr sollte mit Rang sechs in der Endabrechnung eines der besten in dieser Ära sein. Einmal - in der Spielzeit 2000/2001 - gelang unter Trainer Gordon Herbert (heute Frankfurt Skyliners) sogar der Sprung in die Playoffs, wo allerdings im Viertelfinale gegen Avitos Gießen Endstation war. In den folgenden Spielzeiten kam man nicht mehr in die Nähe der Playoffränge, sondern spielte regelmäßig gegen den Abstieg. Mit dem Ausstieg von Hauptsponsor s.Oliver und der daraus resultierenden Insolvenz der TSK Würzburg im Jahr 2005 war das Abenteuer Bundesliga dann wieder beendet.
Schockstarre und Neuanfang
Es folgten zwei Jahre Schockstarre. Dann taten sich der Würzburger Unternehmer Jochen Bähr und Klaus Heuberger, seines Zeichens Kaufmännischer Leiter des Mainfranken Theaters, zusammen. Sie entwickelten 2007 die gemeinsame Vision, in der traditionell Basketball-begeisterten Stadt wieder einen Klub in den Profibereich zu führen. In nur fünf Jahren sollten es die neu gegründeten s.Oliver Baskets von der Regionalliga auf Platz vier der Beko Basketball Bundesliga und in den Europapokal schaffen.
Zunächst noch in Kooperation mit dem SC Heuchelhof als SCH Würzburg Baskets starteten die Unterfranken 2007/08 in der Regionalliga Südost. Über die "ProB" ging es im Jahr 2010 in die "ProA". Gleich im ersten Anlauf gelang dann unter Cheftrainer Marcel Schröder am 23. April 2011 durch einen Sieg gegen Chemnitz sensationell der Bundesligaaufstieg. Die s.Oliver Baskets - so der bisher letzte Name des Klubs - schlossen die Runde hinter dem FC Bayern Basketball als Zweiter ab. Die Münchner wurden in eigener Halle geschlagen. Zum Rückspiel, das auch live im Bayerischen Fernsehen übertragen wurde, kamen 12.000 Zuschauer in die Münchner Olympiahalle - Rekord für ein Basketball-Zweitligaspiel.
Kickstart in die BBL - Halbfinale
Der dritte Anlauf in der BBL in der Saison 2011/2012 begann verheißungsvoll: Unter Chefcoach John Patrick (Marcel Schröder trat als sein Assistent ins zweite Glied) gelang die beste Saison der Vereinsgeschichte. Nicht zuletzt dank der Neuzugänge Jason Boone, Ben Jacobson, John Little und Nationalspieler Alex King sowie der für John Patrick typischen aggressiven Defense spielten die s.Oliver Baskets eine bärenstarke Hauptrunde und qualifizierten sich mit einer Bilanz von 20:14 Siegen für die Playoffs. Dort räumte man im Viertelfinale sogar Top-Favorit ALBA Berlin aus dem Weg, ehe man am späteren Vizemeister ratiopharm Ulm scheiterte.
Diesen Erfolg konnten die Unterfranken in der darauffolgenden Saison nicht wiederholen. Nach der Trennung von John Patrick, die unter etwas dubiosen Umständen zustandekam, übernahm erneut Schröder den Posten des Cheftrainers. Er hatte mit einer unglaublichen Verletzungsserie zu kämpfen. Zeitweise fielen bis zu fünf Stammspieler, darunter Stützen wie Center Chris McNaughton und John Little, aus. Trotzdem hatte das Team bis zum letzten Hauptrundenspieltag die Chance auf den neuerlichen Playoffeinzug, landete am Ende aber auf dem undankbaren neunten Platz. Bei ihrer Premiere im EuroCup verkaufen sich die s.Oliver Baskets in einer schweren Gruppe mit drei Siegen und drei Niederlagen ganz hervorragend. Höhepunkt war der Heimsieg gegen Valencia Basket.
Unerklärlicher Leistungsabfall und erneuter Abstieg
In der Saison 2013/2014 kam es dann zu einem unerklärlichen Leistungsabfall. Nach schwachem Saisonstart - erst am 7. Spieltag gelang dem Team der erste Sieg - setzte sich eine Abwärtsspirale in Gang. Auch ein Trainerwechsel (der sehr erfahrene Stefan Koch kam für Schröder) brachte nicht den entscheidenden Kick. Letztlich fehlte den Würzburgern nach 34 Spieltagen ein Sieg - mitentscheidend war letztlich ein Zwei-Punkte-Abzug, den Lizenzliga-Ausschuss der BBL den s.Oliver Baskets wegen eines Verstoßes gegen die Regularien abgezogen hatte. Nach drei Jahren hieß es also: Bye-bye BBL, hallo Pro A!
#wueareback
Doch wer dachte, in Würzburg würde man nun den Kopf in den Sand stecken, der irrte. Das Gegenteil war der Fall: Mit der Verpflichtung des BBL-erprobten Trainers Douglas Spradley wurde direkt ein Ausrufezeichen gesetzt. Ihm folgten eine Reihe talentierter und schon profilierter Spieler mit Erstligaerfahrung. Nach einem "Durchmarsch" durch die Pro A (nur zwei Niederlagen) stand nach neun Monaten die Bundesligarückkehr fest. Das Motto #wueareback wurde mit Leben gefüllt.
"Wenn alle Versprechungen diesbezüglich eingehalten worden wären, hätten wir in Würzburg schon zehn neue Hallen."
Wolfgang Malisch
In der Aufstiegssaison spielten die Würzburger direkt wieder eine starke Rolle. Nach tollem Saisonstart erreichten die Baskets als Achter der Hauptrunde die Playoffs, wo man gegen Titelverteidiger Bamberg aber chancenlos blieb. Im Jahr danach durchlief die Mannschaft wieder ein Tief - Spradley musste gehen. Für ihn übernahm mit Ex-Bundestrainer Dirk Bauermann ein Trainer, der für seinen Ehrgeiz und seinen Erfolgshunger bekannt ist. Für die Playoffs reichte es indes nicht mehr.
Ziel ist es nun, auf Dauer in der Bundesliga zu bleiben und sich stetig zu verbessern. Die Rahmenbedingungen dafür stimmen. Diskussionen über eine neue Halle (die jetzige s.Oliver-Arena ist in die Jahre gekommen und bietet nur 3.000 Fans Platz) wurde zum x-ten Male wiederbelebt und ist in vollem Gange. Sollte diese "Baustelle" in naher Zukunft geregelt werden, steht den Baskets einer rosigen Zukunft im deutschen Basketball nichts im Wege.