Sport - Basketball


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Basketball in Bamberg Fast schon eine Religion

Die vielleicht besten, auf jeden Fall aber die lautesten Basketballfans in Deutschland sind die aus Bamberg. In "Freak City" ist dieser Sport Religion, vergleichbar mit Fußball auf Schalke. Kein Wunder bei der Erstligatradition.

Von: Wolfram Porr

Stand: 12.06.2017 | Archiv

Bostjan Nachbar mit Meisterschafts-Extrablatt | Bild: picture-alliance/dpa

1970 ging der Wahnsinn los. Man könnte auch sagen: Mit Jim Wade ging alles los - also das, was heute in und um Bamberg eine regelrechte Bewegung - ja sagen wir's ruhig: was heute eine "Religion" ist. Der Basketball-Enthusiasmus, der in Deutschland seinesgleichen sucht, ist ganz eng mit dem Namen des US-Amerikaners, aber auch mit Gerhard Brand und Wolfgang Reichmann, später Mike Jackel, Armin Andres oder Derrick Taylor und heute Casey Jacobsen, Anton Gavel oder Tibor Pleiß verbunden. Als der 1. FC 01 Bamberg im Jahr 1970 erstmals in die Bundesliga aufstieg, war es Wade, der den Unterschied ausmachte und die Domstadt in Oberfranken - damals ein großer Stützpunkt der US-Army - auf die Basketball-Landkarte brachte. Von dort ist sie bis heute nicht mehr verschwunden und auch nicht wegzudenken.

1. FC 01: Aufstieg und erster Nationalspieler

Der Aufstieg gelang am 11. April 1970. Fünf Monate später spielte der 1. FC 01 erstmals in der Bundesliga-Süd beim USC München. Das Spiel ging zwar mit 59:87 klar verloren, dennoch war die John-F. Kennedy-Halle beim ersten Heimspiel am 3. Oktober 1970 gegen Grün-Weiß Frankfurt ausverkauft. Auch die Heimpremiere ging mit 73:75 verloren. Trotzdem kann man sagen: Der Basketballvirus hatte die Bamberger erfasst. Den ersten Sieg landeten Wade & Co. am 3. Spieltag beim TSV 1860 München. Am Ende der Saison 1970/71 stand ein bemerkenswerter 5. Platz und die Halbfinalteilnahme im DBB-Pokal. Dazu absolvierte Gerhard Brand als erster Bamberger ein Länderspiel für Deutschland.

BR-Reporter Wolfgang Reichmann über ...

Jim Wade

"Die 'schwarze Perle' des damaligen 1. FC Bamberg, Verteiler und Symbolfigur in den Anfängen vor genau 40 Jahren, als die Bamberger von der Bayernliga bis in die Bundesliga aufstiegen. Die Spiele in der legendären Kennedy-Halle sind heute noch Kult."
(Jim Wade belegte von 1969 bis 1976 die Ausländerposition bei Bamberg und war maßgeblich am Bundesligaaufstieg 1970 beteiligt)

Mike Jackel

"Kanadier, Linkshänder und Europameister, erreichte mit der TTL Bamberg den ersten Titel, Pokalsieger 1992 und Topscorer. Unnachahmlich seine berühmt berüchtigten Drei-Punkte-Würfe!"
(Mike Jackel spielte von 1991 bis 1997 für Bamberg, wurde 1992 Pokalsieger)

Armin Andres

"Kleingewachsener Spielmacher, ebenfalls Linkshänder, zigfacher Nationalspieler und Garant für ausgeklügelte Spielzüge und zweistellige Punktausbeute."
(Armin Andres spielte zwischen 1985 und 1992 für Bamberg und wurde 1992 mit dem TTL Pokalsieger)

Casey Jacobsen

"Als bester Spieler des Bundesliga ausgezeichnet, Kapitän und kämpferisches Vorbild bei den Brose Baskets, maßgeblich an den jüngsten beiden Titelgewinnen beteiligt, ehemaliger NBA-Spieler, vielleicht sogar momentan der teuerste."
(Casey Jacobsen gehörte 2007, 2010 und 2011 zur Meistermannschaft und steht auch im aktuellen Kader der Brose Baskets. Zwischenzeitlich gab er ein Gastspiel bei ALBA Berlin)

Halbfinale - das höchste der Gefühle

Schneller als erwartet etablierten sich die Bamberger im Oberhaus. In der zweiten Spielzeit belegte der 1. FC in der Abschlusstabelle schon Rang vier, ein weiteres Jahr später standen die Violetten unter dem damaligen Trainer Sergeant Robert Lewis erstmals im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft, wo allerdings gegen den MTV Gießen Endstation war. In der Spielzeit 1974/75, verstärkt mit dem aus Gießen gekommenen Nationalspieler Karl Ampt, gelang die Qualifikation für die eingleisige Bundesliga, wo im Jahr darauf ein sechster Platz heraussprang. Für Jim Wade war nach dieser Saison Schluss.

Mit Armin Andres geht's bergauf

Identifikationsfigur des Bamberger Basketballs: Armin Andres

Erst 1982, nachdem in der 2. Bundesliga der "Angriff" des Stadtrivalen BG um die Vorherrschaft in Bamberg erfolgreich abgewehrt worden war, gelang dank einer Punktstrafe gegen Mitkonkurrent TuS PAM Aschaffenburg der Wiederaufstieg. Trotz der Rückkehr des zwischenzeitlich geschassten Aufstiegshelden Kennith Sweet ging es gleich wieder runter in Liga zwei, ein Jahr später wieder hoch. Bei den "Violetten" begann die "Ära" Armin Andres, der neben Kennith Sweet und Ingo Mendel zur prägenden Figur avancierte. Das Erreichen des Halbfinals in der Saison 1986/87 war der letzte große Erfolg als 1. FC; 1987/88 musste der Stammverein dann mitten während der Saison Konkurs anmelden. So wurde der TTL Basketball Bamberg e.V. gegründet und der Bamberger Basketball gerettet.

Erster Titel: DBB-Pokalsieg 1992

Mike Jackel gehörte über Jahre zu den absoluten Leistungsträgern.

1990 erreichte der TTL das DBB-Pokalfinale gegen den TSV Bayer 04 Leverkusen und verlor. Auf den ersten Titel mussten die Oberfranken noch zwei Jahre warten. Mike Jackel hieß nun der Star der Mannschaft - der kanadische Linkshänder war in der Liga besonders für seine Distanzwürfe gefürchtet. Mit ihm erreichte Bamberg zweimal in Folge das Playoff-Halbfinale und holte schließlich 1992 in den Endspielen gegen die BG Ludwigsburg den DBB-Pokal. 74:68 hieß es im entscheidenden Rückspiel, nachdem es im Hinspiel eine 69:72-Niederlage gegeben hatte.

Große Konstanz in den 90-er Jahren

TSK uniVersa - einer von vielen Vereinsnamen im Laufe der Jahre

Jackel, Nationalspieler Kai Nürnberger, Keith Gray oder auch Jens-Uwe Gordon sorgten in den Jahren nach dem Pokalerfolg sportlich für weitere positive Schlagzeilen. So gelang in der Meisterschaft neunmal in Folge der Einzug in die Playoff-Halbfinals. Nur wirtschaftlich blieb der TTL uniVersa (unter diesem Namen firmierte der Klub ab 1995) ein "Problemkind". In der Saison 1999/2000 kam es dann zum nächsten großen Schnitt im Bamberger Basketball: Wegen finanzieller Engpässe - die Rede war von einem Fehlbertragh in Höhe von mindestens 400.000 Euro - war das Ende des TTL besiegelt. Nach bangen Wochen ging es aber mit neuem Sponsor unter dem Namen TSK uniVersa Bamberg in der Bundesliga weiter.

Bauermann und Heyder bringen den Erfolg

Mit ihm ging es sportlich steil bergauf: Trainer Dirk Bauermann

Wolfgang Heyder leitete inzwischen als Geschäftsführer und Manager die Geschicke im Bamberger Basketball mit. Heyder trieb nicht nur den Ausbau des "Forums" (heute: Stechert-Arena) voran, wo seit 2001 die Heimspiele ausgetragen werden. Er sorgte auch für ein zukunftsweisendes Jugendkonzept, bastelte ständig an einem wettbewerbsfähigen Kader und holte 2001 seinen Wunschtrainer nach Bamberg: Erfolgscoach Dirk Bauermann. Mit dem heutigen Headcoach des FC Bayern München, der zuvor mit Leverkusen sieben Meisterschaften in Folge eingefahren hatte, begann die erfolgreichste Ära im Bamberger Basketball. Ein Schreckensszenario musste jedoch noch abgewendet werden. In der Spielzeit 2002/2003 musste der Standort Bamberg wieder einmal um seine Bundesligalizenz bangen, weil der damalige Hauptsponsor lieber in Würzburg investieren wollte. Doch mit einem gemeinsamen Kraftakt von Sponsoren, Rathaus und dem neuen Namensgeber GHP wurde dies verhindert.

Neun Meisterschaften seit 2005

Kopf der ersten Meistermannschaft: Derrick Taylor

Als GHP Bamberg wurden nun endlich wieder ausschließlich sportliche Schlagzeilen geliefert. Bauermann baute um Derrick Taylor, Chris Ensminger, Steffen Hamann, Rick Stafford und andere eine Mannschaft auf, die wieder ganz oben in der Bundesliga mitspielen konnte. Mit zwei Vizemeisterschaften und dem Meistertitel im Jahr 2005 als Krönung war der GHP erstmals ganz oben angekommen. Doch Meister werden ist das eine, diesen Erfolg zu wiederholen ist das andere. Nur zwei Jahre später, 2007, gelang dies der Mannschaft, die nach dem Wechsel des Hauptsponsors Brose Baskets hieß. Die Erfolgsgaranten hießen diesmal Casey Jacobsen, der auch zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt wurde, Steffen Hamann, Darren Fenn und Vince Yarbrough.

Zwischen 2008 und 2014 schwang der heutige Bundestrainer Chris Fleming als Headcoach das Zepter (er kam vom 2007er-Finalgegner Artland Dragons). Nach einem Eingewöhnungsjahr schaffte er das, was im deutschen Basketball einmalig ist: erst der "Threepeat", also drei "Doubles" in Folge, schließlich noch der vierte Meistertitel in Serie.

Erfolgreiche Jahre mit Fleming

Chris Fleming

Ein Erfolgsrezept war bis zur Saison 2011/2012 ganz sicher, dass sich der Kader in den letzten Spielzeiten jeweils nur geringfügig veränderte, dass die Mannschaft eingespielt war. Dies änderte sich in Flemings fünfter Saison als Cheftrainer. Etliche Leistungsträger (u.a. PJ Tucker, Brian Roberts, Tibor Pleiß, Predrag Suput) mussten ersetzt werden. Die Neuen schlugen nicht auf Anhieb ein (Bostjan Nachbar), entpuppten sich als Flops (Jeremiah Massey) oder verletzten sich (Matt Walsh). Dass es trotzdem zur Meisterschaft reichte, ist ganz klar ein Verdienst von Fleming.

Stoschek duldet kein Mittelmaß

Ein Jahr später, in der Saison 2013/2014, gab es dann erstmals seit vielen Jahren keinen Titel. Die Folge: Nicht nur Fleming musste gehen, auch Manager Wolfgang Heyder. Der neue Headcoach Andrea Trinchieri sollte eine neue, hungrige Mannschaft aufbauen und möglichst schnell wieder in die Erfolgsspur kommen. Denn Brose-Chef Michael Stoschek, der Macher im Hintergrund, duldet kein Mittelmaß, sondern will bei den ganz Großen mitmischen, am liebsten europaweit.

Und Trinchieri lieferte prompt: In einer spannenden Finalserie gegen Titelverteidiger Bayern München feierten die Bamberger 2014/2015 ihren siebten Meistertitel. Ein Jahr später wurden die Oberfranken, angeführt von ighrem Spielmacher Brad Wanamaker, noch überlegener Deutscher Meister, verloren in den Playoffs kein einziges Spiel. 2017 stotterte der Motor nach einer anstrengenden Saison in der BBL und der neuen, 16 Teams umfassenden Euroleague nur im Viertelfinale gegen Bonn ein wenig (3:1). Anschließend hatten weder die Bayern noch die EWE Baskets Oldenburg eine Chance, verloren jeweils 0:3 in der Serie.

Der Coach und seine rechte Hand: Andrea Trinchieri und Brad Wanamaker

In der Bischofsstadt Bamberg erlebt die "Religion" Basketball ihre nächste Hochphase. Ein Ende ist nicht abzusehen ...


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