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Rückenschmerzen Blockaden im Iliosakralgelenk lösen

Zu schwer tragen, zu lange sitzen, eine falsche Bewegung – schon sind die Beschwerden da! Fast jeder leidet einmal im Leben unter Rückenschmerzen. In vielen Fällen ist das Iliosakralgelenk die Ursache. Obwohl viele Menschen Probleme damit haben, wissen manche gar nicht genau, wo es sitzt. "Gesundheit!" begleitet zwei Patientinnen und zeigt, was bei ISG-Problemen hilft.

Von: Julia Richter

Stand: 06.05.2024

Noemi kennt das Ziehen im unteren Rücken nur zu gut. Der Schmerz macht ihren Alltag inzwischen immer öfter zur Qual.

"Ich habe starke Schmerzen im unteren Rücken, die eher linksseitig sind und ausstrahlen bis in die Beine – hinten am Ober- und Unterschenkel. Die sind meistens ganz schlimm, wenn ich aufstehe, oder wenn ich länger gesessen habe, z.B. im Auto nach einer längeren Fahrt. Oder wenn ich aufwache, ist es schwer in die Gänge zu kommen."

Noemi, Patientin

Auch Martina hat Probleme mit dem Iliosakralgelenk und zwar seit Jahren.  

"Besonders merke ich es beim langen Stehen, im Job zum Beispiel. Im Alltag auch, beim schweren Heben. Das bleibt ja leider nicht aus im Haushalt. Das ist so ein stechender Kreuzschmerz, rechts wie links. Manchmal ist die eine Seite schlimmer, manchmal die andere."

Martina, Patientin

Typisch sind einseitige Schmerzen: Diese können in die Leistengegend, ins Bein oder bis in den Fuß ausstrahlen. Oft kann man bei Betroffenen ein unruhiges Sitzen mit häufigen Positionswechseln beobachten. Die Beschwerden treten vor allem in Ruhepositionen auf und werden in der Bewegung besser.

Dysbalancen, Blockaden oder Entzündungen: Die Ursachen sind vielfältig

Die junge Frau hat eine lange Odyssee hinter sich, probiert es mit Wärme und Schmerzmitteln. Aber Noemis Schmerzen kommen immer wieder.

"Das Iliosakralgelenk ist diese breite Verbindung zwischen der Beckenschaufel, dem sogenannten Ilium und dem Kreuzbein, dem Sacrum und bildet eine große Verschiebeschicht, die von kräftigen Kapseln und Bändern zusammengehalten wird. Sie dient dazu, die Kraft zu übertragen zwischen der Wirbelsäule und dem Becken und letztendlich den Beinen. Der Schmerz wird meistens oben in diesem Kapsel-Band-Apparat ausgelöst."

PD Dr. med. Christoph Mehren, Orthopäde, Wirbelsäulenzentrum Schön Klinik, München Harlaching

Durch die Bildgebung können andere Ursachen wie ein Bandscheibenvorfall ausgeschlossen werden. Verschiedene Tests zeigen: Noemi hat unter anderem eine Beinlängendifferenz. Schon kleine Asymmetrien können problematisch sein. Iliosakral-Beschwerden haben verschiedene Ursachen.

"Das Häufigste sind funktionelle Beschwerden durch Überlastungen, durch Fehlhaltungen. Auch degenerative Veränderungen, vor allem im höheren Alter, können im Iliosakralgelenk zu Ausstrahlungen führen. Man muss aber natürlich auch diese ganze Fraktur-Tumor-Anamnese mit im Kopf haben, in seltenen Fällen auch der rheumatische Formenkreis, also sprich z.B. der Morbus Bechterew."

PD Dr. med. Christoph Mehren, Orthopäde, Wirbelsäulenzentrum Schön Klinik, München Harlaching

Konservative Behandlung von ISG-Problemen

Bei akuten Schmerzen hilft manuelle Medizin. Über Mobilisations- und Manipulationstechniken versucht der Arzt, Blockaden und Dysbalancen zu lösen. Durch den sogenannten Erlösergriff etwa können Verhakungen gelockert werden.

"In der Regel lassen sich mit manualmedizinischen Maßnahmen solche Blockaden vom Iliosakralgelenk sehr gut und auch nachhaltig lösen. Manchmal klappt es nicht gleich beim ersten Mal, da braucht man auch zwei, drei Sitzungen bis es sich vollständig eingependelt hat, weil hier nicht nur das Gelenk sondern auch die mitumgreifende Muskulatur sehr wichtig ist und mitspielt, und die muss man dann auch weiter behandeln."

Dr. med. Quirin Hartmann, Orthopäde, Manuelle Medizin u. Chirotherapie Schön Klinik, München Harlaching

Manchmal hört man ein richtiges „Einrast-Geräusch“, ein Knacken. Der Effekt ist oft sofort nach der Behandlung spürbar, bestätigt Noemi: "Es hat kurz gezwickt und ich habe gemerkt, oh, da ist der richtige Punkt getroffen worden. Dann war es ein bisschen leichter mit dem Schmerz und dann war es so ein bisschen Muskelkater-ähnlich.“

Ein wichtiger Baustein der Therapie ist Bewegung. Sind die Schmerzen akut, helfen Dehn- und Lockerungsübungen, um das ISG zu mobilisieren. Um vorzubeugen, sind Kräftigungs-Übungen wichtig, die man alleine zu Hause machen kann. Dazu gehören etwa die sogenannte „Bridging-Übung“ bei der die Patientin in Rückenlage das Becken anhebt und senkt. Im Vierfüßlerstand muss man das Bein erst ausstrecken, dann senken.

Wichtig ist bei all den Übungen, die Spannung zu halten und sauber zu arbeiten, ohne ins Hohlkreuz zu gehen. Wer einen Effekt haben möchte, sollte regelmäßig, am besten täglich, trainieren. Eine starke Bauch- und Rumpfmuskulatur können helfen, um neuen ISG-Problemen vorzubeugen. Hier bieten sich sogenannte Plank-Übungen an, bei denen man mit dem eigenen Körpergewicht arbeitet.

Nicht konservative Behandlung

Bei Martina hat all das nicht dauerhaft geholfen. Die ISG-Beschwerden sind bei der dreifachen Mutter inzwischen chronisch.

"Was wirklich das Thema bei der Patientin ist, sind die Mehrfachschwangerschaften. Davon eine Zwillingsschwangerschaft, zwei Jungs, die ziemlich groß waren und sowohl während dem Geburtsvorgang natürlich zu Problemen führen, weil das den Beckenring einfach aufsprengt. Danach natürlich die Belastung über die Kinder – das Tragen und so weiter. Das verstärkt natürlich die vorbestehende Problematik und führt dann dazu, dass wir wirklich so einen Dauerbrenner da haben."

Dr. med. Wolfgang Luppa, Facharzt f. Physikalische u. Rehabilitative Medizin, München

Martina entscheidet sich am Ende für eine sogenannte Infiltration. Das ist ein minimal-invasives Verfahren. Unter Röntgenkontrolle und sterilen Bedingungen wird ein entzündungshemmendes Schmerzmittel in der Nähe des ISG gespritzt. "Der Schmerz ist wirklich relativ schnell besser geworden. Ich kann mich wieder besser bewegen und stehen ist auch besser auf jeden Fall, also es geht auch wieder länger", freut sich Martina.

Kommen die Schmerzen trotzdem wieder, kann man noch ein weiteres Verfahren ausprobieren. Steht nach der Testung fest, dass wirklich das ISG Grund für die Beschwerden ist, kann man eine Thermo-Denervierung ausprobieren. Dazu führt der Arzt eine dünne Radiofrequenzsonde über eine Kanüle an die Gelenkflächen und verödet die Nervenfasern mit Hitze. 

"Dabei werden die schmerzleitenden Nerven, also die Informationen, die von dem Kreuzdarm-Gelenk zur Wirbelsäule und nach oben gehen, unterbrochen – also gekappt. Das macht man mit Hitze. Bei der Denervierung werden 80 Grad an diese Nerven angelegt. Vorher wird das getestet, das ist gefahrlos. Es werden keine Nerven verletzt, die man noch benötigt hinterher. Danach hat man ein bis zwei Jahre Ruhe."

Dr. med. Wolfgang Luppa, Facharzt f. Physikalische u. Rehabilitative Medizin, München

Einige Krankenkassen übernehmen die Kosten für den minimal-invasiven Eingriff. Patienten sollten sich allerdings vorab genau erkundigen. In den Kliniken werden die Kosten in der Regel sowieso übernommen. Übrigens: Ein Hexenschuss ist oft nicht anderes als eine ganz akute ISG-Blockade. Da helfen meist Schmerzmittel und Wärme: Im Notfall auch eine schmerzlindernde Spritze.


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