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Die erste Räterepublik Literaten an der Macht

Während der bayerischen Revolution von 1918/19 schwang das Pendel von Anfang an zwischen Parlamentarismus und Rätegedanken. Am 7. April 1919 schlug es zu Gunsten der Räterepublik aus - wenn auch nur für kurze Zeit.

Stand: 24.11.2008 | Archiv

Ernst Toller | Bild: picture-alliance/dpa

Kurzporträt Ernst Toller

Der 1893 in der Provinz Posen in eine jüdische Familie geborene Ernst Toller war als Kriegsfreiwilliger in Verdun an vorderster Front. Desillusioniert von dieser Erfahrung wandelte er sich zum radikalen Pazifisten, was auch in seinen literarischen Werken zum Ausdruck kommt. Als Mitglied der Münchner Räterepublik wurde er am 16. Juli 1919 zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, die er zum größten Teil im Gefängnis Niederschönenfeld verbüßte. 1933 emigrierte er in die USA, wo er 1939 Selbstmord verübte. Seine bekanntesten Theaterstücke: "Masse Mensch" (1920) und "Hinkemann" (1923). Die Autobiografie "Eine Jugend in Deutschland" (1936) enthält auch eine detaillierte Beschreibung seiner Rolle während der Revolution.

Anfang April 1919 überschlugen sich in München die Ereignisse. Am 6. wurde in der Tat die dritte Revolution vorbereitet. "Im Schlafgemach der ehemaligen bayerischen Königin fällt die Entscheidung für die Räterepublik", so die Historikerin Michaela Karl: Im Wittelsbacher Palais hatten sich Partei-, Gewerkschafts- und Bauernbund-Delegierte versammelt. Ergebnis: Die Führung des neugebildeten "revolutionären Zentralrates Baierns" übernahm der Schriftsteller und Pazifist Ernst Toller, USPD-Führer seit Eisners Ermordung.

Dreigestirn Toller-Landauer-Mühsam

Gustav Landauer

Neben Ernst Toller waren Gustav Landauer und Erich Mühsam die intellektuellen Leitfiguren dieser Initiative - alles schillernde Figuren der berühmten Schwabinger Bohème und Literatenszene. Am 7. April 1919 riefen sie die "Räterepublik Baiern" aus.

Es wurden keine Minister bestimmt, sondern "Volksbeauftragte", eine heterogene Gruppe mit völlig unterschiedlichen Sozialismus-Vorstellungen. So übernahm der Anarchist Landauer das Ressort für Volksaufklärung.

Erich Mühsam

Aus Wien wurde der Ökonom Otto Neurath als Kommissar für Sozialisierung engagiert. Für Finanzen war der parteilose Freiwirtschafts-Anhänger Silvio Gesell zuständig, nach dessen Theorie Geld ständig zirkulieren sollte - unter Verzicht auf Banken.

Kommunisten: "Schein-Räterepublik"

Viele bayerische Städte schlossen sich der Räterepublik an, unter anderem Rosenheim, Kempten, Lindau, Regensburg, Würzburg, Schweinfurt, Fürth oder Hof. Der Münchner Zentralrat, geführt im Wesentlichen von humanistisch geprägten Idealisten, blieb jedoch weitgehend wirkungslos und verzichtete, wie zuvor schon Eisner, auf einen institutionalisierten Umsturz der Gesellschaft. Von den Kommunisten erhielten sie so gut wie keine Unterstützung. Für sie war das neue Gebilde lediglich eine "Schein-Räterepublik".

Ministerpräsident Hoffmann weicht nach Bamberg aus

Johannes Hoffmann war noch am 7. April nach Bamberg geflohen, das in der Folge Regierungssitz in Bayern bis zum 16. August blieb. Von Franken aus versuchte er die Räterepublik zu bekämpfen - unterstützt von Friedrich Ebert. Der SPD-Parteifreund schickte am 12. April ein Telegramm nach Bamberg: Den Reichspräsidenten quälte die Sorge, Bayern könnte sich an das Rätesystem gewöhnen. Aber auf Hoffmann war Verlass - er bediente sich zur Durchsetzung seiner Ziele auch reaktionärer Kräfte: Er engagierte ein Freikorps aus Thüringen unter der Führung des Offiziers Franz Ritter von Epp, der noch eine wichtige Rolle bei der Niederschlagung der Räterepublik spielen sollte. Zunächst ließ Epp die Räte in den fränkischen Städten verhaften und half so mit, dass Nordbayern im Wesentlichen regierungstreu blieb.


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