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Der Montasio in den Julischen Alpen Auf das Wahrzeichen des Friaul

Es gibt Berge, die ganze Regionen der Alpen prägen und trotzdem wenig bekannt und begangen sind: Zu ihnen zählt der Montasio, das 2753 Meter hohe Wahrzeichen des Friaul. Seine Besteigung wird vor allem dann zum Abenteuer, wenn sie über die Nordwand erfolgt.

Von: Georg Bayerle

Stand: 11.07.2024

Auf das Wahrzeichen des Friaul | Bild: BR; Georg Bayerle

Die einsame Nordseite des Montasio ist so wild, zerklüftet, mit himmelhohen Wänden, dass das Auge lange über diese Szenerie gleitet. Dann entsteht ein Bild: Dieser Berg im Grenzgebiet von Slowenien und Friaul mutet an wie ein Riesenkristall aus Kalk. Problem: Der einzige Stützpunkt, das kleine Rifugio Grego steht auf schlappen 1300 Metern - und der Weg hinauf ist weit. Der beste Begleiter, den ich für diese Tour finden kann, heißt Ennio Rizotti.

Mit Bergführer Ennio auf seinen Herzensberg

Rifugio Grego

Er war hier selbst Hüttenwirt, ist um und mit dem Montasio aufgewachsen, weil das Rifugio Grego ein halbes Jahrhundert lang von seiner Familie bewirtschaftet wurde. Ennio ist Bergführer und ein ausgesprochen liebenswürdiger Mensch. Der Plan: Wir gehen den Weg der Cacciatori und Branconeri durch die Nordseite. Den Jäger- und Wilderersteig, dessen heutiger Name „Via Amalia“ der Bergsteigerin Amalia Zuani Bornettini aus Triest gewidmet ist, die hier tödlich abgestürzt ist. Gut 1600 Höhenmeter durch ein von Wind und Wetter wild zerklüftetes Bergmassiv liegen vor uns.

Die Julischen Alpen: Durch wilde Naturlandschaft

Anstieg zur Gletschermoräne

Auf Steigspuren erreichen wir die Moräne des schwindenden Kargletschers. Und schon jetzt reicht der Blick über die gezackten Bergkämme im Osten: die Julischen Alpen in Slowenien mit Mangart und Jalovec. Dann haben wir den Einstieg erreicht. In diesen Felswänden hat Ennio seine Jugend damit verbracht, die Kletterrouten zu erkunden. Dieses Unterwegssein auf den Spuren unserer Großväter, lässt ihn eine außerordentlich gute Energie spüren, sagt er. Auch Julius Kugy, der Erschließer der Julischen Alpen in der k.u.k.-Zeit, hatte die Gegend um den Montasio als sehr spezielles Gebiet mit besonderer Energie beschrieben. Ennio kommt jedes Mal mit großem Respekt hierher, mit einer besonderen Aufmerksamkeit, und er denkt an die Bücher, die er gelesen hat, von den frühen Pionieren, den Erstbesteigern, den Jägern und Wilderern.

Im inneren des Bergmassivs: Geologische Strukturen

Neugierige Geiß

Denk dran, dass die italienischen Wilderer hier mit der Gämse auf dem Buckel und ohne Seil geklettert sind, sagt er. Der stundenlange Aufstieg über Rampen, Bänder und Kamine führt immer tiefer ins Innere des Bergmassivs. Geschickt haben die frühen Entdecker die geologischen Strukturen genutzt, um sich hinaufzuschleichen. Immer neue überraschende Passagen halten uns in Atem. Jenseits der Bergschulter müssen wir mit Seilsicherung eine Stelle überwinden, wo der Steig durch einen Hangrutsch weggefegt worden ist. Schließlich erreichen wir auf einem einzigartigen Felsbalkon, 1000 Meter über dem Abgrund, die knallrote Biwakschachtel des Bivacco Suringar.

Der Montasio: Auf dem Dach des Friaul

Am Ziel

300 abschließende Höhenmeter führen uns durch den nach einem österreichischen Alpinisten benannten Canallone Findenegg auf den höchsten Berg des Friaul, das bei uns unbekannte Spiegelbild zum berühmten Triglav in Slowenien. Im Süden ist die Adria im zarten Blau zu spüren, im Osten das nackte, wild gezackte Gipfelmeer der Julischen Alpen, im Norden und Westen die dunkelgrünen Karnischen Alpen. Wir überschreiten den Montasio und kommen durch die Reste der Gipfelstellung aus dem Ersten Weltkrieg, der 1915 auch vor den höchsten Bergen nicht Halt gemacht hat. Den deutlich leichteren und kürzeren Leiterweg auf der Südseite nehmen wir für den Abstieg. Seinen Namen hat er von der langen Eisenleiter „Scala Pipan“, die vor Kurzem erneuert wurde. Als sich die Felsmauer des benachbarten Kanin am Ende dieses langen Sommertages rötlich färbt, ist es Zeit, Danke zu sagen für diesen Tag. Ennio tut es mit einer Madonuta, einem Marienvers der Madonna de Lusari

Sommerfrischler auf der Südseite

Abstieg über die Scala Pipan

Im Rifugio Brazzá, auf dem Altopiano di Montasio übernachten wir und wachen auf in einer anderen Welt: Der Alltag hat mit dem Ansturm der italienischen Sommerfrischler auf dieser berühmten italienischen Alm begonnen. In der Sennerei sind Simone und Adriano schon seit dem frühen Morgen dabei, den berühmten Montasio-Almkäse herzustellen. Die meisten genießen einfach die beeindruckende Umgebung, ohne die ganze Größe und Schönheit des Montasio zu kennen. So ist der verborgene Berg ein Ziel für Entdeckungen geblieben. 

Das Rifugio Brazzà auf der Montasioalm


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