Die zwei Seiten der Medaille Dokumentation zu Olympia 2026 in den Dolomiten
2026 gibt es die nächsten Olympischen Winterspiele – und sie kehren in die Alpen zurück, unter anderem nach Antholz, Bormio und Cortina. Schon jetzt, zwei Jahre vorher, löst dieses Sportgroßereignis Erschütterungen aus.
In einem Moment der Stille streicht der berühmte italienische Cellist Mario Brunello zwischen abgesägten Bäumen über die Saiten seines Instruments: Er sei hier, weil er den Lärchen, die seit Jahrhunderten dastehen, eine Stimme geben will. Man sollte ihnen zuhören, sagt er. Stattdessen kreischt eine Motorsäge auf und kappt den nächsten Baum. So ist es diesen Mittwoch im Bergwald oberhalb von Cortina d’Ampezzo, direkt unter dem Felsmassiv der Tofana passiert. Mehrere hundert Bäume werden hier gerade für den Neubau der Bobbahn für die olympischen Winterspiele 2026 gefällt.
Monatelange Proteste in Cortina
Vorangegangen war eine schier unglaubliche Schleuderfahrt: Das ursprüngliche Versprechen, die alte Olympiabobbahn von 1956 zu renovieren, endete im Abriss. Dann wurde monatelang kein Unternehmen gefunden, die Bahn neu zu bauen. Nachdem das IOC einer Austragung der Bobwettbewerbe in Innsbruck zugestimmt hatte, verfügte Italiens rechte Regierung den Neubau. Und das ist bei weitem nicht die einzige Baustelle: Über 100 Bauvorhaben listet die Infrastrukturgesellschaft für Olympia Milano-Cortina auf: Kostenpunkt offiziell 3,6 Milliarden Euro. Kritiker sprechen schon jetzt von über 5 Milliarden Euro.
Steinbruch in Antholz auf 1600 Meter Höhe
Förderbänder schütten zermahlene Steinbrocken auf Haufen, Muldenkipper wirbeln Staubwolken auf: Im Talschluss von Antholz unter dem Staller Sattel wird in 1600 Meter Höhe das berühmte Biathlonstadion umgebaut - eine Großbaustelle direkt unter den gewaltigen Felsabstürzen des Hochgall. Konrad Renzler ist Altbürgermeister in Antholz und hatte einst mitgewirkt an der Entwicklung zum Sportstandort; jetzt hat er Schuldgefühle. Denn immer weiter greift der Bau in die Landschaft ein. Über sechs Millionen Euro gehen in die Beschneiung der Langlaufloipen. Das zeigt, wie massiv sich der Klimawandel auswirkt: Auf 1600 Meter Höhe rund um das Stadion braucht es eine Kunstschneeanlage.
Keine Naturzerstörung, keine neuen Sportanlagen?
Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher, der als Regierungschef auch im Organisationskomitee sitzt, hatte 2018 selbst bekräftigt, dass es Olympische Winterspiele nur geben könne, „ohne, dass man weiterhin Natur zerstört, keine neuen Sportanlagen und auch keine neuen anderen Strukturen baut“. Die Realität heute schaut anders aus. Es werde, so Südtirols Landeschef, „die Gelegenheit Olympische Spiele genutzt“. So sehen es viele, gerade unter denen, die seit Monaten in Cortina und anderen Orten auf die Barrikaden gehen: Die Olympischen Spiele sind der Vorwand, um das Gebiet unkontrolliert zuzubetonieren, sagt Roberta de Zanna, eine Gemeinderätin in Cortina.
Kein Nutzen für die Bevölkerung
Der Bau der Bobbahn ist das beste Beispiel dafür, dass Olympia keinen Nutzen für die Bevölkerung hat. Gleich eine ganze Kette von Baustellen sind entlang der Pustertalstraße geplant, darunter ein doppelstöckiger Kreisverkehr an der Straße nach Antholz. In der Region um Cortina liegen ebenfalls hunderte Millionen Euro für neue Straßen bereit. Sowohl die Natur als auch die Bedürfnisse der Bewohner in den Tälern bleiben dagegen auf der Strecke, sagt die streitbare Gemeinderätin: Seit 2012 ist das Schwimmbad geschlossen, Schulen und der öffentliche Nahverkehr werden vernachlässigt, Wohnungen für Einheimische fehlen. Und überhaupt gehe es um das größte Kapital, das die Menschen hier haben - um die wunderschöne Natur. Momentan sieht es so aus, als ob das kommende Großereignis wieder voll auf Kosten der Alpennatur geht.
Hör- und Fernseh-Tipps
Die ARD zeigt eine Dokumentation mit Felix Neureuther am Montagabend, 26. Februar, um 20.15 Uhr: „Spiel mit den Alpen“. Felix Neureuther spricht mit Menschen vor Ort und sucht nach Lösungen, damit Olympia nicht zum Desaster für die Dolomiten wird.
In der ARD Audiothek finden Sie das Radiofeature „Der Alpen-Kollaps“ sowie ein Gespräch mit Georg Bayerle.