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Berg Heil! Das Ötztal und der Nationalsozialismus

Mitte Dezember feiert das Alpine Museum München sein 100jähriges Bestehen und dazu gibt es auch eine Jubiläums-Ausstellung. Sie wurde bereits jetzt eröffnet, heißt durchaus provozierend „Berg Heil“ und widmet sich einem dunklen Kapitel der Alpingeschichte, nämlich den Alpenvereinen und dem Bergsteigen zwischen 1918 und 1945.

Stand: 26.11.2011 | Archiv

Berg Heil! Alpenverein und Bergsteigen von 1918 bis 1945 | Bild: Deutscher Alpenverein

Die Ausstellung ist bis zum 1. Juli 2012 zu sehen. Es geht um die alpinistischen Leistungen in dieser Zeit, um die deutschnationale Ideologie, den alpinen Heroismus der Nazi-Zeit sowie um den Rassismus und die Ausgrenzung jüdischer Bergsteiger. Er arbeitet wurde die Ausstellung gemeinsam vom Deutschen, Österreichischen und Südtiroler Alpenverein in dreijähriger Forschungsarbeit. Dennoch wurde da nicht alles eruiert, was durchaus möglich gewesen wäre im Rahmen einer alpingeschichtlichen Aufarbeitung des Dritten Reichs, zum Beispiel das sogenannte Ötztal-Projekt.

Auf dem Schneegrat

Wäre im Archiv der Sektion Berlin nicht mehr oder weniger zufällig eine rund 1000seitige Gesamtausgabe des „Ötztaler Bergboten“ entdeckt und dieses Material dem Ötztaler Forscher und Volkskundler Prof. Dr. Hans Haid zur Verfügung gestellt worden, dann würde eine tiefbraune Episode der Alpingeschichte noch immer im Dunkel der Geschichte schlummern.

Anschlag an Alpenvereinshütten in den 1920er Jahren

Der von 1922 bis 1942 erschienene „Ötztaler Bergbote“ verdeutlicht die alpenweit einzigartige Rolle, die damals der AV-Sektion Mark Brandenburg zukam. Die Verbandszeitschrift dieser Sektion ist durchaus als „Stürmer“ der Berge zu bezeichnen angesichts der alpinen Blut-und-Boden-Ideologie und des Judenhasses, der in diesem Blatt zum Ausdruck kommt. Hier ist auch nachzulesen, warum den Nationalsozialisten das Ötztal so wichtig war, sagt Hans Haid. Neben dem Salzkammergut als elitärem Rückzugsort der Nazi-Bosse war auch das Ötztal ein Teil der „Alpenfestung“. Die Idee zur Alpenfestung hatte der berühmt-berüchtigte Tiroler Gauleiter Hofer an Hitler mit Erfolg herangetragen. So sollte das hinterste Ötztal, eine Kernzone der Alpen, als militärisches Rückzugsgebiet dienen bis neue Wunderwaffen greifen würden. Deshalb war geplant die Martin-Busch-Hütte zu einem militär-strategischen Zentrum mit alpiner Forschungsstelle auszubauen. Aus der Hütte wurde das Hermann-Göring-Haus. Wolldecken mit der Aufschrift „Hermann-Göring-Haus“ sind auch in der Ausstellung „Berg Heil“ zu sehen.

Wolldecke aus dem ehemaligen Hermann-Göring-Haus

Hermann Göring war Ehrenmitglied der AV-Sektion Mark Brandenburg und hat „seine“ Hütte im Herbst 1943 zum letzten Mal besucht, wie sich ein noch rüstiger Zeitzeuge vor Ort in Vent erinnert. Der fettleibige Reichsfeldmarschall wurde für den Aufstieg zur Hütte auf ein Maultier gehievt. Göring verfügte zudem, dass die Südtiroler Familie Platzgummer neue Pächter der Hütte werden sollten, da sie auch schon Pächter der Similaunhütte waren. Nicht nur das Brandenburger Haus, auch die Weißkugelhütte und das Hochjochhospiz wurden von der wohl radikalsten AV-Sektion vereinnahmt. Somit war der Weg nach Süden, nach Südtirol und in Richtung Schweiz, über drei wichtige Jöcher frei.

Erstbegehung der Eiger-Nordwand

Auch andere Pläne gehörten zu dieser politischen Strategie. Im Ötztal sollte Wind- und Wasserkraft in großer Menge produziert werden. Die Überreste des alpinen Größenwahns sind noch heute am Eingang ins Ötztal sehen. Hier wurde mit dem Bau der damals weltweit größten Windkraftanlage begonnen, um neue Raketen zu testen. Die militärstrategische Energiegewinnung war aber auch aus Wasserkraft vorgesehen und geplant, das Ötztal ab dem Längenfelder Becken mit einem riesigen Stausee unter Wasser zu setzen. Das Potenzial war gewaltig, denn die Ötztaler Ache entwässert ein Drittel der österreichischen Gletscherfläche. Die Längenfelder Bauern, unter ihnen auch der Vater von Hans Haid, mussten sich bereits andere Hofstellen suchen, zum Beispiel auf dem Mieminger Plateau.

Abzeichen der Hitlerjugend im Alpenverein.

Um diese größenwahnsinnigen Vorhaben – Windkraftanlage, Staussee, militärstrategisches Zentrum Hermann-Göring-Haus - zu realisieren, wurden vom NS-Regime Zwangsarbeiter eingesetzt. Insgesamt 6800 Häftlinge aus dem KZ Dachau wurden auf Anweisung von Heinrich Himmler in Richtung Ötztal in Marsch gesetzt und mit LKWs zu den Baustellen transportiert, sogar noch Anfang 1945. Hinter vorgehaltener Hand ist noch heute die Rede vom „Todesmarsch durch das Ötztal“.


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