Weihrauch im Fass Unterwegs mit den Sternsingern von Heiligenblut
Um 1930 gab es in den Alpen noch an 100 Orten einen besonderen Brauch des Sternsingens: Gruppen von Männern zogen mit dem Stern von Hof zu Hof und überbrachten die Weihnachtsbotschaft. Heute wird der alte Brauch nur noch in Heiligenblut unterm Großglockner gelebt, weshalb er von der UNESCO ins immaterielle Kulturerbe der Menschheit aufgenommen wurde. .
Die ganze Nacht vom 5. auf den 6. Januar sind die sogenannten Rotten unterwegs, oft querfeldein durch tiefen Schnee und über Hunderte von Höhenmetern.
Gegen 23 Uhr sind sie schon vier Stunden unterwegs, kreuz und quer an den Berghängen unter der Großglockner-Hochalpenstraße. Plötzlich biegt der Sternträger steil ab in den tief verschneiten Wald – eine Abkürzung zum nächsten Bauernhof. Ohne gutes Schuhwerk geht da gar nichts. Im Gänsemarsch stapfen 15 Männer durch den knietiefen Schnee, mit Filzhut, Lodenumhang und Hirtenstecken, der Mann mit dem gelbleuchtenden Stern vorneweg. Den ganzen Tag hat es geschneit, dicke, weiche Flocken, die nun jeden Laut dämpfen und die Formen weichzeichnen. Kurz vor Mitternacht reißen die Wolken auf, es bleibt aber windstill und die schneeweiße Landschaft leuchtet im Mondlicht. Alle Gegenstände, die Wandernden mit den Stecken genauso wie die schwarzen Wetterfichten, werfen mystische Schatten.
In jedem Haus auf ihrer Route werden sie schon erwartet, wie jetzt beim „Seppnbauern“. Das Gehöft steht mit einsamem Lichtschein in der gläsern hellen Winternacht. Den Wetterfleck über die Schulter geworfen, setzen die Sternsinger Horn, Klarinetten und Tuba an die Lippen. Aus der Hoftür schaut erwartungsvoll die Familie des Seppnbauern, von der Oma bis zu den Enkeln. Die Melodie gehört zu dieser Nacht wie auch der Glück- und Segenswunsch. Drinnen in der Stube haben sie gedeckt für die 15 Sternsinger, nach Speck und Käse gibt es ein Stamperl Schnaps und ein kleines Extrakonzert. Die Bauernfamilie strahlt voller Zufriedenheit.
Im vorigen Jahrhundert wurden 37 der nur hier erhaltenen Weisen dokumentiert und aufgeschrieben. Die Anfänge des alpinen Brauchs, bei dem Männer der Gemeinde in sogenannten Rotten von Haus zu Haus ziehen und die Weihnachtsbotschaft im Lied überbringen, liegen im Dunkeln. Erste Aufzeichnungen stammen aus dem 16. Jahrhundert, Einflüsse kamen aus dem Salzburger und Kärntner Raum. Heute existiert der Brauch nur noch in Heiligenblut unterm Großglockner.
Auf dem Weiterweg am Berghang kommt der Zug mitten im Dunkeln ins Stocken, denn vor einigen Jahren kam hier einer der Männer beim Holzschlagen ums Leben. Ein Marterl mit weißem Bausch auf dem kleinen Dach ragt aus dem Schnee. Bis zum Morgen des 6. Januar werden die Sternsinger der Untertaurer Rotte knapp 50 Höfe besucht haben. Neun Rotten sind unterwegs, fast 150 Männer in der 1160-Seelen-Gemeinde Heiligenblut, und es ist ihnen egal, wie das Wetter ist, denn über der letzten Raunacht liegt immer eine ganz besondere Stimmung.
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Karte: Großglockner