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Heuschrecken im Höhenflug Ein Spurensuche im Nationalpark Berchtesgaden

Der Nationalpark Berchtesgaden ist für viele Tiere ein lebensnotwendiger Rückzugsort. Der Biologe Sebastian König erfährt das immer wieder, wenn er für seine Forschung nach Heuschrecken am Berg unterwegs ist.

Von: Georg Bayerle

Stand: 26.09.2024

Heuschrecken: Auf der Bindalm leben 20 Heuschreckenarten. | Bild: BR/Georg Bayerle

Ähnlich wie ein Vogelkundler nutzt Sebastian König für seine Feldforschung zunächst einmal die Ohren: Wo Laien nur ein eintöniges Schnarren hören, erkennt er den typischen Gesang, der bei jeder Heuschreckenart anders ist. Er weiß also schon beim Betreten einer Almwiese auf 1.500 Metern Höhe, mitten im Nationalpark Berchtesgaden, dass wir hier verschiedene Heuschrecken finden werden. Im September sind sie noch einmal besonders „wepsig“, denn wie viele andere Insekten sterben sie im Herbst. Jetzt paaren sie sich und legen ihre Eier ab, die oft mehrere Jahre im Boden überdauern.

Seltener Gebirgsbewohner: die Alpine Gebirgsschrecke

Alpine Gebirgsschrecke

Ziemlich lautstark genießt ein grüner, circa zwei Zentimeter langer Grashüpfer das große dunkelgrüne Blatt eines Alpendosts. Es ist die seltene Alpine Gebirgsschrecke. Sie fühlt sich ziemlich wohl, stellt der Forscher fest. Anhand dieser charakteristischen Art möchte Sebastian König in den kommenden Jahren feststellen, ob es durch den Klimawandel Veränderungen gibt. Er glaubt, dass dieser Grashüpfer in tieferen Lagen seltener wird, weil andere Heuschreckenarten sich dort ausbreiten.

Solche Entwicklungen kann Sebastian König mit seinen Forschungen zukünftig genau beschreiben - auf einer Höhenstufung von 600 Meter im Tal bis hinauf in die Gipfelregion über 2.000 Meter. In der geschützten Landschaft des Nationalparks können die Heuschrecken mit der Klimaerwärmung bis zu einem gewissen Grad mitwandern. Überhaupt ist Deutschlands einziger Alpen-Nationalpark eine Oase für die Tiere, die durch Verbauung und Spritzmittel aus dem Flachland immer mehr verdrängt werden.

Heuschreckenhotspot Gebirge

Rotflügelige Schnarrschrecke

Niedrig gelegene Almen wie die Bindalm sind wahre Hotspots für die Insekten: 20 verschiedene Heuschreckenarten hat Sebastian König hier kartiert, rund ein Viertel aller in Deutschland vorkommenden Arten. Es ist ein eindrucksvolles Beispiel, welche Bedeutung intakte Gebirgsökosysteme mit ihrer landschaftlichen Diversität auf kleinem Raum für den Naturschutz und den Erhalt von Arten spielen können.

Unter der mächtigen Kulisse der Mühlsturzhörner steigt der Heuschreckenforscher durch nacktes Geröll. Eine rotflügelige Schnarrschrecke entfaltet beim Wegspringen ihre grellroten Flügel.

Alpen-Nachtigall-Grashüpfer

Jetzt geht es dem Forscher aber um noch eine andere Rarität, die er auch zuerst an ihrem Gesang erkannt hat: um den Alpen-Nachtigall-Grashüpfer. Bisher war dessen Verbreitung nur in den Südalpen bekannt, aber Sebastian König hat ihn auch im Nationalpark Berchtesgaden identifiziert. Für den Biologen war es eine Sternstunde, eine neue Tierart im Artenspektrum des Nationalparks Berchtesgaden nachweisen zu können. Auch jetzt bei unserem Streifzug findet er das Tierchen.  So öffnet der junge Forscher die Tür zu einer Lebenswelt, die sonst kaum beachtet wird, und er fügt unserem Bild von der Gebirgsnatur der Berchtesgadener Berge wichtige Facetten hinzu.

Video

Der Sound des Sommers: Heuschrecken im Nationalpark Berchtesgaden


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