Stille Nacht, Heilige Nacht im Lungau Weihnachts-Kultur und Weihnachts-Wanderung im Weißpriachtal
Ursprünglich wurde es NUR an Heiligabend gesungen, als schlichtes Lied für Gitarre und zwei Männerstimmen. Heute ist „Stille Nacht, Heilige Nacht“ weltweit in aller Munde und fast schon ein wenig inflationär geworden. 1818, vor 205 Jahren, wurde das Lied zum ersten Mal musikalisch aufgeführt, in der Kapelle von Oberndorf bei Salzburg.
Die Melodie stammt von Franz Xaver Gruber, doch der Text dazu wurde schon 1816, also zwei Jahre früher geschrieben, und zwar von Joseph Mohr, dem Hilfsvikar der Wallfahrtskirche Mariapfarr im Lungau. 1995 wurde durch Zufall das entsprechende Autograph gefunden - ein Dokument aus einer Zeit, die fast der heutigen ähnelt: Klimakrise, Kriege, Inflation und Armut.
Mariapfarr im Lungau ist die sonnenreichste Gemeinde in Österreich. Damals, 1816, aber sah es düster aus. Es war das Jahr ohne Sonne und Sommer, erklärt Christa Pritz vom Stille-Nacht-Museum in Mariapfarr. 1815 war in Indonesien der Tambora ausgebrochen und seine Aschewolke 1816 über ganz Europa gezogen. In der Folge gab es Missernten, Hungersnöte und eine schier unerträgliche inneralpine Winterkälte. Als Vikar war Joseph Mohr oft auch nachts auf Versehgängen unterwegs und kam dann zurück in seine bitterkalte Kooperatorenstube im kleinen Pilgerort Mariapfarr, wo er kaum etwas zu essen hatte, denn Rüben und Kartoffeln waren spät erntereif und erst im November aus der schon gefrorenen Erde gehackt worden. Als Kooperator, also Vikar, musste auch der kränkliche Joseph Mohr in der Landwirtschaft von Mariapfarr mithelfen, wodurch er sich ein Lungenleiden zuzog.
Nach seiner Priesterweihe 1815 war Jospeh Mohr wohl auf eigenen Wunsch nach Mariapfarr versetzt worden, lebte doch noch sein Großvater in der Scharglerkeusche und später Hasenkeusche, einer Art Armenhaus. Joseph Mohr selbst war ein uneheliches Kind, weshalb er auch keine theologische Karriere machen konnte, sondern zeitlebens Vikar blieb. Der Vater war Franz Mohr, ein Musketier in erzbischöflichen Diensten in Salzburg, die Mutter, Anna Scheuberin aus Hallein, eine Strickerin und Näherin, die dem Erzbischof die Wäsche machte und so Franz Mohr kennenlernte. Als Franz Mohr aus den Diensten des Erzbischofs desertierte, wusste er nicht, dass Anna schwanger war, und so wurde – wie in solchen Fällen üblich - der Henker von Salzburg Taufpate von Joseph Mohr.
Auch wenn die Lebensumstände wahrlich kein Zuckerschlecken waren, erhielt Joseph Mohr eine musikalische Ausbildung, konnte gut Gitarre spielen und hatte wohl auch eine poetische Ader. Die Inspiration zum Liedtext „Stille Nacht, Heilige Nacht“, ursprünglich ja nur ein Gedicht, fand Joseph Mohr in der Wallfahrtskirche Mariapfarr, ist doch auf einer Altartafel ein „Knabe mit lockigem Haar“ abgebildet. Vor allem aber wird es die Sehnsucht nach Frieden und nach einer Familie gewesen sein, die ihn 1816 diese anrührenden Zeilen dichten ließ. Umso tragisch ist aber auch die Tatsache, dass weder Liedtexter Franz Mohr noch Komponist Franz Xaver Gruber vom Siegeszug ihres Liedes rund um die Welt etwas mitbekamen. Zillertaler Sänger haben „Stille Nacht, Heilige Nacht“ hinaus in die Welt getragen und schon 1839 erfolgreich in New York aufgeführt. Hätte es damals schon Tantiemen gegeben, wäre auch Joseph Mohr steinreich geworden. So aber hat er ganz bescheiden und in aller Stille gewirkt. Das sehenswerte Wallfahrts- und Stille-Nacht-Museum in Mariapfarr hat jeden Montag und Donnerstag von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
Mariapfarr ist auch ein guter Ausgangspunkt für eine besinnliche Wanderung im Weißpriachtal, das sich an der Lonka entlang bis hin zum Kamm der Schladminger Tauern zieht. Auch der Lungauer Kulturwanderweg führt durch dieses stille Tal. Das erste Wegstück verläuft auf dem Sonnenlehrpfad, schließlich ist Mariapfarr ja der sonnenreichste Ort in Österreich. Kurz nach der Wintersonnenwende auf dem Sonnenlehrpfad zu wandern, hat seinen ganz eigenen Reiz, sagt Barbara Miedl, die Wirtin vom Gasthof Häuserl im Wald, direkt am Sonnenlehrpfad gelegen. Nach dem Gasthof quert man das Weißpriachtal hinüber nach Fanning und steigt auf Winterwanderwegen gut 500 Meter hoch zur Sauschneideralm am Fanningberg. Der Name kommt nicht von ungefähr, war doch noch der Urgroßvater der Besitzer ein „Sauschneider“, der von Hof zu Hof zog, um die Eber zu kastrieren. Heute sind Schweinsbraten und Schweinswürstl übrigens ein typisches Weihnachtsessen auf der Sauschneideralm.
Von der Alm ist noch der Abstecher auf die Fanningberghöhe zu empfehlen. Von hier oben hat man einen großartigen Blick auf den Lungau. Das rund 1100 Meter hochgelegene, sonnige Hochplateau bildet topographisch eine „Spinne“. Wie Spinnenbeine ziehen sich von der Mitte aus verschiedene Täler in alle Himmelsrichtungen. Von der Fanningberghöhe bzw. Sauschneideralm geht es dann wieder hinab ins Weißpriachtal nach St. Rupert und zu einer der ältesten frühromanischen Kirchen des Lungaus mit byzantinischen Fresken - sicher auch ein alter Kultort, da durch das Weißpriachtal schon in Römerzeit der alte Tauernübergang verlief. Der Name Lungau ist allerdings slawischen Ursprungs und kommt von der „Lonka“ oder „Longa“, die durch das Weißpriachtal fließt.
Von St. Rupert führt der Lungauer Kulturwanderweg wieder hinüber auf die andere Talseite ins Sonndörfl und oberhalb der unter Naturschutz stehenden Lonka-Mäander zurück durch lichten Wald nach Mariapfarr.
Zuvor lockt aber noch die Einkehr bei Barbara Miedl im Gasthof Häuserl im Wald. Der Lungauer Rahmkoch, auch bekannt als Lungauer Marzipan, ist eine kalorienreiche Süßspeise und ebenso speziell wie die grüne, also ungeselchte Wurst, oder der Lungauer Erchtling, eine langsam reifende geschmacksintensive Kartoffelsorte, oder das weihnachtliche Schmalzgebäck namens „Hühnersteigen“. Besondere Speisen in einer ganz besonderen Zeit: Der 24. Dezember hat für Barbara Miedl immer auch eine einzigartige Stimmung draußen in der Natur – heimelig, aber auch ein wenig unheimlich. Früher gab es nur drei Raunächte: Heiligabend, Silvester und Dreikönig. An Heiligabend pflegt Barbara Miedl auch noch das Räuchern des Hauses mit Weihrauch, um Frieden, Glück und Segen für das neue Jahr zu erbitten.
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Karte: Mariapfarr im Lungau