Auf den Spuren der Römer Unterm Horizont im Forggensee
„Hinterm Horizont geht’s weiter“, singt Udo Lindenberg - „unterm Horizont“ auch, zum Beispiel, wenn man zwischen Spätherbst und Frühjahr im Forggensee unterwegs ist. Genau: IM Forggensee. Nasse Füße bekommen Sie da nicht, denn Bayerns fünftgrößter See wird im Winterhalbjahr großflächig abgestaut, und da kommt dann so manches zutage, das sonst verborgen ist, nicht nur Grundmauern der beiden im Stausee versunkenen Dörfer Deutenhausen und Forggen, sondern auch Reste der römischen Via Claudia Augusta, sozusagen „unterm Horizont“.
Bei einer gut fünfstündigen Wanderung lassen sich die Spuren der Römer auf der Westseite des Forggensees erkunden.
Bester Ausgangspunkt ist der Via-Claudia-Kunstpark bei Roßhaupten. Genau hier vorbei führt die Römerstraße vom Auerberg kommend weiter in Richtung Füssen. Die gut ausgeschilderte Wanderroute leitet an der Illasbergschlucht entlang zur Mangmühle. Die Illasbergschlucht, durch die der Lech fließt und die trotz massiven Widerstands von Seiten der Naturschutzverbände im Zuge des Forggensee-Aufstaus 1956 geflutet wurde, war einst die schönste und wildeste Voralpenschlucht in Bayern.
Nahe der Mangmühle befinden sich die Reste einer alten Wallanlage – ein sagenumwobener Platz, erklärt der Füssener Heimatforscher Magnus Peresson, denn hier soll einst der heilige Magnus mit dem Drachen gekämpft haben. Der Drachenkampf gilt dabei als Symbol für die Überwindung des Heidnischen. Wir passieren Mangmühle und Wallanlage ohne Begegnung mit einem Fabelwesen und erreichen das Tiefe Tal – heute ein schmaler, wassergefüllter Graben am Westufer des Forggensees, einst ein Hohlweg, der noch im Mittelalter frequentiert wurde. Links davon liegt etwas erhöht die Trasse der Via Claudia Augusta.
Als dann 1956 der Lech zum Forggensee aufgestaut wurde, verloren an die 2000 Menschen ihre Heimat, und die Wiesen- und Auenlandschaft mit ihren Umlagerungsstrecken ging sozusagen den Bach runter. Vom Tiefen Tal geht es am Campingplatz vorbei nun weiter in Richtung Dietringen und vorbei an einer römischen „Mansio“. Die ehemalige Straßenstation von 15 vor bis 47 nach Christus ist heute ein schmucker Rastplatz mit Infotafel. Viele römische Münzen kamen hier ans Tageslicht. Der abgestaute Forggensee ist eine wahre Fundgrube, vor allem auch für skurril anmutende Baumstümpfe, Wurzeln und Steine. Es lohnt sich durchaus, am wasserfreien Seeboden nach schön geformten Lechkieseln und anderen Naturkunstwerken zu suchen. Doch Vorsicht – je nach Witterung kann das auch in einer kleinen Schlammschlacht enden ...
Am Dietringer Toteisloch vorbei führt die Wanderung weiter nach Süden. Am Horizont rücken nun der Säuling und die Gehrenspitze in den Blick, zwei wichtige römische Landmarken, die bei gutem Wetter sogar schon vom Perlachhügel in Augsburg zu sehen sind und den Römern den Weg in die Alpen hinein gewiesen haben. Ab Dietringen macht die Wanderroute nun einen seefernen Bogen, führt auf einem kleinen Teersträßchen durchs wellige Moränenland nach Osterreinen und wieder hinab zum Forggenseeufer - mit grandiosem Blick in den Ostallgäuer Königswinkel nach Füssen und Schwangau.
Von Osterreinen blickt man quasi aus der Vogelperspektive direkt hinab in die Schlamm- und Kieswüste des jetzt noch abgestauten Sees und erkennt gut den Verlauf der alten Bundesstraße nach Füssen, gesäumt von Baumstümpfen. Links davon führt V-förmig die Via Claudia Augusta durch den jetzt trockengelegten See. Wer den Blick wieder hebt, sieht im Hintergrund die Schlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau, das Hohe Schloss zu Füssen sowie die Pfarrkirche von Waltenhofen direkt am Ostufer des Sees und weiter hinten im Feld die Kirche St. Coloman. Der Name Osterreinen kommt übrigens von „Ostrain“, also vom Rain, der sich nach Osten hinneigt.
Viele Wasservögel tummeln sich auch jetzt am Forggensee: Möwen und Stockenten, Blesshühner und Haubentaucher, Fischreiher und Schwäne. Auch Flamingos haben schon mal einen Zwischenstopp am winterlichen Forggensee eingelegt. Dass gebratene Flamingo-Zungen zur Römerzeit eine begehrte Delikatesse waren, wie dem berühmten Kochbuch des Apicius zu entnehmen ist, vergessen wir jetzt lieber. Im Cafe Maria - am Südende von Osterreinen und direkt am See gelegen - gibt es keine Flamingo-Zungen, aber feine Brotzeiten und köstlichen Kuchen. Nach der Einkehr geht es wieder zurück nach Roßhaupten, zunächst in einer kleinen Runde auf dem Uferweg direkt unten am See entlang und vorbei an zahlreichen Steinmandln auf der Uferböschung bis zur Osterreiner Badebucht. Von hier führt der Weg dann wieder über Dietringen und das Tiefe Tal zurück zum Ausgangspunkt.