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Die Filme von Marcus H. Rosenmüller Eine Liebeserklärung ans Leben

Marcus H. Rosenmüller gilt seit dem Erfolg von "Wer früher stirbt ist länger tot" als Begründer des "neuen deutschen Heimatfilms". Jetzt kommt sein neuester Film "Beste Chance", der dritte Teil der Trilogie "Beste Zeit" und "Beste Gegend", in die Kinos.

Stand: 13.05.2014

Filmszene aus "Beste Chance" | Bild: BR/Meike Birck

Marcus H. Rosenmüller gilt seit dem durchschlagenden Erfolg von "Wer früher stirbt ist länger tot" im Jahr 2006 als Begründer des "neuen deutschen Heimatfilms". Auch die Bezeichnung "Kultregisseur" wird in seinem Zusammenhang gerne verwendet, beides sind Zuschreibungen, die Rosenmüller selbst lieber anderen zugesteht. Den Nerv der fast zwei Millionen  Zuschauer, den Rosenmüller und seine Mitstreiter damals getroffen haben, führt "Rosi" lieber auf die sympathische Art und Weise zurück, mit der die Komödie lustvoll mit Erwartungshaltungen bricht. Ein kleines Stück bayerische Anarchie steckt aber sicher auch in dieser zeitgemäßen Lausbubengeschichte, die ein eigentlich ernstes Thema mit viel verschmitztem und hintergründigem Humor anpackt.

Das Team bei den Dreharbeiten zu "Beste Chance"

Heimat selbst ist etwas, was in allen "Rosi"-Filmen mitschwingt, auch wenn die Definition dieses Begriffs für Rosenmüller etwas Abstraktes darstellt, das zugleich sehr subjektiv ist. Heimat sieht er nicht als das Hauptthema seiner Filme, eher als wiederkehrenden Hintergrund, als natürliche Umgebung seiner Filme.

Heimat und Sprache hängen bei Rosenmüllers Filmen dicht zusammen. Dabei sind sie nie nur deshalb unterhaltsam, weil in ihnen Dialekt gesprochen wird. Der bayerische Dialekt in seinen Filmen unterstreicht vor allem die Authentizität, überträgt direkt seinen besonderen Humor. Und zugleich macht der Dialekt seine Filme "erdiger", der filmische Blick auf die Wurzeln und Ansichten in einer überschaubaren Gesellschaftsstruktur fungiert dazu wie ein Brennglas und fokussiert zwischenmenschliche Beziehungen. Wenn man Rosenmüller nach Vorbildern fragt, fallen immer wieder Namen wie Franz Xaver Bogner, Helmut Käutner und österreichische Filme wie "Indien" oder "Silentium". Sie alle verbindet, dass sie ihre Wurzeln nicht verleugnen.

Dakini (Muskaan Khan, li.) und Kati (Anna Maria Sturm) in "Beste Chance"

Doch auch Namen wie Truffaut fallen mit gleicher Überzeugung. Das Postulat der filmischen Liebeserklärung ans Leben. Folglich sind es zuallererst die universellen Geschichten, die Rosenmüller interessieren: Ein erzählenswertes Thema, eine fesselnde Idee, etwas Globales, heruntergebrochen auf ein überschaubares Setting. Paradebeispiel für diese Haltung stellt seine Heimat-Trilogie "Beste Zeit" - "Beste Gegend" - "Beste Chance" dar. Der Hintergrund ist Bayern, der Dialekt ist bayerisch, die handelnden Personen sind dort verwurzelt … doch entgegen dem klassischen Heimatfilm wäre es ein leichtes, seine Filme in die norddeutsche Tiefebene zu verlagern, und sie würden den gleichen Charme entwickeln. Lediglich der Dialekt müsste geändert werden … Und schon fragt man sich, was wohl passieren würde, wenn Rosenmüller und Detlev Buck, der mit seinen ersten in Schleswig-Holstein gedrehten Filmen eine vergleichbare Lebenslust auf die Leinwand gebracht hat, gemeinsam einen Film drehen würden …

Nach fünf Jahren kommt Jo (Rosalie Thomass) in "Beste Chance" wieder nach Hause zurück und trifft dort ihre Freunde.

Der Wunsch nach Aufbruch und Freiheit in der Pubertät in einem ländlichen Umfeld, war das, was Marcus H. Rosenmüller an Karin Michalkes Buch "Beste Zeit" sofort fasziniert hat. Die Beschreibung der Jugend und der Freundschaften, Discothekenbesuche und das anschließende Heimtrampen mitten in der Nacht, die Sehnsucht nach der Ferne und der Zusammenhalt unter den Freunden, darin hat sich Rosenmüller sofort wiederfinden können. Auch Rosenmüllers Kindheit in Hausham war geprägt durch Freundschaften und die Natur, die Raum lässt für die Eroberung des Lebens. Dennoch spiegelt die Trilogie nicht sein Leben. Es ist eine Geschichte, die ihn fasziniert hat. Er selbst fand nie, dass er gegen die Eltern rebellieren musste. Doch es sind die Details in den beschriebenen Szenen und die Nebenfiguren der Trilogie, in denen Bruchstücke seiner eigenen Biografie zu finden sind.

Die Sannyasin-WG in "Sommer in Orange" freut sich über ihr neues Zuhause.

Schaut man auf Rosenmüllers Kinofilme, fällt der große Facettenreichtum seines Filmschaffens auf. So reiht sich die Komödie "Schwere Jungs" über ein paar scheinbar chancenlose aber idealistische Bobfahrer im Garmisch der 1950er Jahre an historische Stoffe wie "Räuber Kneissl", die Geschichte des 1902 hingerichteten bayerischen Outlaws Mathias Kneißl, die unter der Nazi-Diktatur angesiedelte Romanverfilmung "Die Perlmutterfarbe" an die Ende des 18. Jahrhunderts spielende Komödie um Emanuel Schikaneders Theaterkompagnie "Sommer der Gaukler". Mit der Culture-Clash Komödie "Sommer in Orange" kehrt Rosenmüller wieder zurück in die 1980er Jahre und die Hoch-Zeit der Bhagwan-Bewegung, wohingegen er in "Wer's glaubt, wird selig" seinen typisch gutgelaunten, kritischen Blick auf den Glauben lenkt. Es sind die Unwägbarkeiten des Lebens, die ihn faszinieren, und in all seinen Filmen mitschwingen.

Sebastian (Markus Krojer) in "Wer früher stirbt ist länger tot"

Dabei entwickelt er einen immensen filmischen Output, der ihn als absoluten Teamplayer definiert, und die Grundlage für seine ganz persönliche Filmfamilie geschaffen hat: Stefan Biebl hinter der Kamera und Gerd Baumann als Komponist, um nur zwei zu nennen. Auch bei der Wahl seiner Schauspieler greift Rosenmüller gerne auf seine Filmfamilie zurück, ist sich aber bewusst, dass das auch Gefahren birgt und so finden sich unter altbekannten Gesichtern immer wieder namhafte Neuzugänge im Rosenmüller-Kosmos. Rosenmüller selbst bezeichnet seine Arbeitsweise als unorthodox und impulsiv, was Schauspieler und Stab eine Menge abfordere. Was dabei aber niemals auf der Strecke bleibt, ist der besondere Humor und die Lust am Erzählen, die sich nicht nur durch die Rosenmüller-Filme selbst, sondern wie ein rotes Band bereits durch die Produktionsphase ziehen.

Stephan Zinner

Rosenmüllers Vielseitigkeit beschränkt sich nicht auf das Medium Film, an der Seite von Stephan Zinner steht er bereits 2007 mit eigenen Gedichten vor Publikum, mit Gerd Baumann entdeckte Rosenmüller die gemeinsame Faszination für den Schreibstil von Ringelnatz, Gernhardt und Morgenstern. Im März 2014 ist ihr Gedichtband "Wenn nicht wer Du" erschienen, dessen Gedichte die Gesetze des Lebens, des Seins und der Gesellschaft hinterfragen und mit dem die beiden auf Lesereisen dem Publikum die Tränen vor Lachen in die Augen treiben.

Nockherberg Singspiel 2014 - "Fast Faust": Angelika Ascher als Ilse Aigner und Christoph Zrenner als Horst Seehofer.

Marcus H. Rosenmüller ist ein engagierter Mensch, ob als Mitglied im Gemeinderat (bis 2008) oder als Regisseur des Anti-Gewalt-Spots "München schaut hin". Dieses genaue Hinschauen hat ihm, nach dem umjubelten Einstand mit "Waldesruh" 2013, in diesem Jahr mit "Fast Faust" zum zweiten Mal das legendäre Singspiel auf dem Münchner Nockherberg beschert, zusammen mit Thomas Lienenlüke und der Musik von Gerd Baumann. Eine Adelung der besonderen bayerischen Art. Auch wenn Rosenmüller 2013 mit der "Bayerischen Sprachwurzel" und in diesem Jahr mit dem "Ernst Hoferichter-Preis", einem Förderpreis für Schriftsteller aus München und Umgebung, ausgezeichnet wurde, sieht sich Rosenmüller nicht als der Hüter des Bayerischen, es ist immer die Suche nach Authentizität, die ihn leitet.

Das genaue Hinschauen und das besondere Gespür für das große Ganze im scheinbar Alltäglichen, die Verbindung von Humor, der nie in den Klamauk abrutscht oder seine Figuren bloßstellt, und den ernsten Seiten des Lebens, das ist vielleicht das, was die besondere Handschrift von Rosenmüllers Schaffen ausmacht.


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