Bayern erleben Im Holzland - Gedanken von Wolfgang Binder
Es sind nur gute 50 Kilometer von München aus hinein ins Erdinger Holzland und doch ist dies ein Landstrich, der wenigen vertraut ist. Dabei bietet es landschaftlich so viele traumhafte Eindrücke, dass man manchmal meint, man radelt in der Toskana...
Erst kürzlich kam wieder die Frage auf, wo man denn das "Holzland" verorten würde, in welcher Gegend denn der Landstrich "das Holzland" zu finden sei. Holzkirchen und die Gegend bis hin nach Miesbach war zum Beispiel eine beliebte Antwort. Aber auch die Landschaft rund um Holzhausen im Süden von München in Richtung Bad Tölz wurde häufig genannt. Alles falsch: Das Holzland ist eine Gegend, die sich von Erding aus in östlicher Richtung erstreckt, daher auch die genauere Bezeichnung: "Erdinger Holzland". Verwechslungen mit dem Thüringer oder Pfälzischen Holzland sind damit ausgeschlossen.
Jetzt sind es ja nur gute 50 Kilometer von München aus hinein ins Erdinger Holzland und doch ist dies ein Landstrich, der wenigen vertraut ist. Wenn man dagegen 50 Kilometer von München aus in Richtung Süden unterwegs ist, dann meint man, jeder kennt sogar den kleinsten Weiler noch und weiß, wie man dort hin kommt. Schon spannend.
Ich bin zum ersten mal auf das Holzland aufmerksam geworden, weil es sehr viele positive Beschreibungen und Erfahrungsberichte von Radlfahreren gibt, die das Erdinger Holzland als ideale Strecke für ihre Touren beschreiben. Und tatsächlich bietet die Landschaft rund um Steinkirchen, Hohenpolding, Kirchberg und Inning am Holz perfekte Voraussetzungen für Rennradfahrer und ihre wöchentlichen Trainingsrunden. Die Gegend ist von Erding aus schon mit dem Fahrrad erreichbar, die Strassen bieten ein wunderbares Auf und Ab – sind damit sehr anspruchsvoll – und landschaftlich bietet das Holzland so viele traumhafte Eindrücke, dass man manchmal meint, man radelt in der Toskana. Schwieriger wird es dafür für typische Familienausflüge. Dafür ist dann ein Radweg an der Isar vielleicht besser geeignet.....
Ein weiterer Hinweis auf das Erdinger Holzland war für mich ein kleiner Artikel über eine Skisprungschanze in Wartenberg. Wintersport im Holzland? Noch dazu Skispringen? Genauso ist es. Mitten drin im Wald stehen drei verschiedene Schanzen mit Weiten bis zu 11, 22 und 40 Metern, auf denen im Winter reger Trainings- und Wettkampfbetrieb herrscht. Eine Entdeckung.
Immer noch aber bleibt die Frage, warum dieser Landstrich nordöstlich von der Großstadt München relativ unbekannt ist, warum die Münchener lieber Stau und verstopfte Strassen auf sich nehmen, um in Richtung Süden an den Tegernsee, nach Bad Tölz oder ins Oberland zu kommen? Vielleicht bietet das Erdinger Holzland auf den ersten Blick nicht so viele kulturelle Sehenswürdigkeiten, vielleicht ist dieses wellige Hügelland für den Massentourismus nicht so attraktiv wie die Voralpenlandschaft zwischen Garmisch Partenkirchen und Berchtesgaden oder vielleicht folgen die Touristen ganz einfach dem Geschmack von allen anderen Touristen. Was daraus entstehen kann, erleben wir gerade an Orten, die unter dem Begriff "Overtourism" – im Grunde die Steigerung von "Massentourismus" – besonders leiden und daher die jeweiligen Stadtverwaltungen radikal durchgreifen. Im Amsterdam
beispielsweise dürfen keine neuen Geschäfte, die nur dem Tourismus dienen, aufgemacht werden und wer seinen Müll liegen lässt, muss Strafe zahlen. In der kroatischen Hafenstadt Dubrovnik ist der tägliche Ansturm so groß geworden, dass die Besuchermassen mit einem Art Einbahnstraßensystem durch die Altstadt geschleust werden. Schöne neue Urlaubswelt.
"Unsere Stadt soll wieder lebenswert werden" heißt es in Amsterdam und da lohnt sich dann doch ein genauerer Blick auf das Erdinger Holzland im Nordosten von München. Lebenswert war es hier schon immer und wird es bestimmt auch in Zukunft bleiben. Denn die attraktive Landschaft mit ihren reizvollen Ausblicken, die Abwechslung von Wiesen, Feldern und Wald und dazwischen die vielen Kirchtürme ergeben ein friedliches und wunderbares Bild einer oberbayerischen Kulturlandschaft. Und gerade die Kirchen im Pfarrverband Holzland, der aus den Gemeinden Steinkirchen, Hohenpolding, Burgharting, Inning am Holz und Schröding besteht, sind sehenswerte Baudenkmäler, die den Vergleich mit anderen bekannten Gotteshäuser nicht scheuen müssen. Ein großes gelebtes Miteinander ist hier zu spüren in all den Gemeinden, Vereinen und Wirtshäusern, in denen sich die Einheimischen nicht nur am Stammtisch treffen.
Wie sieht es aber mit den wirtschaftlichen Verhältnissen aus, wie steht es mit den Arbeitbedingungen in dieser relativ unbekannten Gegen? "Seitdem wir die Landwirtschaft aufgegeben haben, fahren wir alle in die Stadt zum arbeiten", sagt ein junger Bursch aus Kögning und in dem Fall ist Dingolfing gemeint. Ist auch nachvollziehbar, denn Industrie gibt es hier nicht, Tourismus nur so wenig, dass man davon nicht leben kann und wenn dann auch noch die Landwirtschaft weg bricht bleibt nur dieser Weg. München auf der einen Seite, Landshut, Dingolfing oder Deggendorf im Osten heißen jetzt die Arbeitsorte. Die Anbindungen sind nicht schlecht, trotzdem ist ein Pendlerleben nicht zu vergleichen mit einer Arbeitstelle vor Ort.
Bleibt noch die Frage nach dem Namen. Woher kommt der Begriff "Holzland"? Eigentlich verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der gesamte Landkreis Erding – zu dem ja das Holzland gehört - mit nur 13,5 % Waldanteil der waldärmste Landkreis in ganz Bayern ist. Dafür ist natürlich besonderes der flache Westen des Landkreises – das sogenannte Erdinger Moos – verantwortlich. Denn dort liegt der Waldanteil deutlich unter 5 %, was wiederum für die Planung und den Bau des neuen Münchner Flughafens "Franz–Josef– Strauß" Ende der 1980iger von Vorteil war. Der östliche Teil des Landkreises, das tertiäre Hügelland und damit unser Holzland, weist dagegen einen deutlich höheren Waldanteil aus und trägt damit seinen Namen zurecht. Auch wenn ich bei meinem ersten Besuch im Holzland den Namen nicht unbedingt mit den Waldbeständen unter einen Hut bringen konnte. Aber die Nachricht, dass seit 1985 im Landkreis Erding mit staatlichen Fördergeldern wieder fast 1000 Hektar neue Laub- und Mischwälder angepflanzt wurden, trägt ja dazu bei, dass man sich beim Begriff "Holzland" nicht mehr wundern muss, woher der Name denn kommen könnte.
Damit bleibt zum Schluss die Feststellung, dass das Erdinger Holzland eine durchaus lebenswerte Gegend im Nordosten von München ist, die sich ihre liebenswerten Eigenschaften und ihre landschaftlichen Reize durchaus erhalten hat. Auch wenn man bei ungünstigen Winden durch die Einflugschneise des Münchener Flughafens mit ihren vielen Fliegern schon gestört wird, ist diese oberbayerische Kulturlandschaften vor den Toren Münchens immer einen Abstecher wert.