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Beruhigende Klänge Wie Musiktherapie Schmerzen und Ängste mindert

Musik ist ein Zaubermittel in der Medizin. Beruhigende Klänge können Schmerzen lindern, Beziehungen festigen und Ängste nehmen – sogar in der Notaufnahme.

Von: Susanne Wimmer

Stand: 19.11.2024

Video: Wie Musiktherapie Schmerzen und Ängste mindert

Die Spanierin Neus Enrich Piris arbeitet seit einem guten Jahr als Musiktherapeutin im Herzzentrum in München. Das Lieblingsinstrument von Babys ist die Sansula, sagt sie.

"Diese Töne sind sehr entspannend. Für die Älteren nehme ich die Bongos oder interaktivere Musikinstrumente."

Neus Enrich Piris, Musiktherapeutin

Musiktherapie ist sehr wichtig, weil sie Schmerzen vermindern kann, sagt Neus Enrich Piris. Auch für die emotionale, psychologische, motorische und soziale Entwicklung spielen Klänge von Instrumenten eine große Rolle.

Musiktherapie beruhigt das Baby Lia

Die kleine Lia ist erst dreieinhalb Wochen alt. Wegen eines Herzfehlers kam sie nach der Geburt auf die Intensivstation und musste operiert werden. Sie war genau in der Phase von ihrer Mutter getrennt, in der Bindung so wichtig ist.

Musik kann diese Bindung festigen. Dass sanfte Töne Lia beruhigen, erkennt man an ihrer Herzfrequenz – und daran, dass sie immer wieder einschläft. Das entspannte auch ihre Mutter Katrin enorm.

"Man fühlt sich ein bisschen wie geerdet, man fährt runter, atmet durch. Das ist sehr entspannend – auch für mich."

Katrin, Mutter von Lia

Heißt mehr Musik denn gleichzeitig auch weniger Medikamente?

"Das ist tatsächlich so und auch die entspannteren Eltern, die sich auch mit Musik entspannen, tragen natürlich dazu bei, dass wir in der Situation häufig dann auf sedative, auf beruhigende Mittel verzichten können und dass wir auch Untersuchungen deutlich entspannter, deutlich besser durchführen können. Also das ist ein messbarer Effekt."

Dr. med. Nicole de Winkel, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Deutsches Herzzentrum München

Der kleine Rafaele spürt Nähe durch sanfte Klänge

Auch Rafaeles Start ins Leben war alles Andere als einfach. Zwar wusste Mutter Veronica bereits von seinem korrigierbaren Herzfehler. Doch bei der Geburt gab es unerwartete Komplikationen.

"Er hat einen Herzinfarkt bekommen, sein Kreislauf war zu niedrig und gleichzeitig mit der Reanimation hat er auch einen Herzkatheter bekommen. Es hieß noch, dass er es nicht geschafft hätte. Aber dann kam er hierher ins Herzzentrum."

Veronica, Mutter von Rafaele

Nach vier Wochen Intensivstation und einer siebenstündigen OP geht es jetzt aufwärts. Was genau bewirkt die Musik bei Rafaele?

"Es beruhigt ihn. Er spürt Nähe, glaube ich, was er nicht gehabt hat im ersten Monat."

Veronica, Mutter von Rafaele

Veronica selbst spricht von einem Gefühl von Freiheit und Entspannung durch die Musik. Ihr Stress und ihre Sorgen seien dann verschwunden.

Therapeutin Neus arbeitet auch viel mit Atmung, besonders mit betroffenen Eltern, um Anspannungen zu lösen. Da Neus Arbeit keine klassische medizinische Therapie ist, beteiligen sich die Krankenkassen nicht daran. Sie kann Kindern nur deshalb so vielseitig helfen, weil die "Stiftung Kinderherzen" dafür aufkommt.

Wie die "Stiftung Kinderherzen" kranken Kindern hilft

Die Zahl ist hoch: Eines von 100 Kindern kommt herzkrank zur Welt. Die Kinderherzen-Stiftung München sorgt sich um das Wohl herzkranker Kinder und ermöglicht Projekte am Deutschen Herzzentrum München. Die Stiftung finanziert sich zu 100 Prozent aus Spenden.

Wie Vanessa trotz Handlähmung Klavierspielen lernt

Auch Vanessa ist eine Kämpferin: Sie hat trotz einer spastischen Handlähmung Klavierspielen gelernt. Die Finger ihrer linken Hand kann sie nur mit Mühe einsetzen. Klavierspielen macht ihr dennoch großen Spaß. Ihre Klavierlehrerin Isabel Melendez-Alba motiviert Vanessa, die Finger, die sie kaum spürt, zu benutzen.

"Wir haben mit der rechten Hand begonnen und uns dann immer mehr rangetastet, auch die linke Hand einzusetzen. Ich muss mich extrem konzentrieren, wenn der Einsatz für die linke Hand kommt."

Vanessa, Betroffene

Die Hartnäckigkeit der beiden zahlt sich aus – auch im Alltag.

"Als ich Vanessa kennengelernt habe, war mein Eindruck, dass sie die linke Hand manchmal ein wenig versteckt hat. Ich habe mich irrsinnig gefreut, als ich mal bemerkt habe, dass sie versucht hat, mit der Linken die Tür aufzumachen."

Isabel Melendez-Alba, Klavierlehrerin

Studien: Musik hat eine heilende Wirkung

Hat Musik eine heilende Wirkung? Gibt es dafür eine wissenschaftliche Erklärung? Professorin Renée Lampe erforscht an der TU München, was Musik bei Menschen mit Bewegungseinschränkungen bewirkt und entwickelt Hilfsmittel.

"Musik kann heilen, das haben wir in allen unseren Studien gesehen. Das führt zu einer Verbesserung der Handmotorik, etwa durch das regelmäßige Klavierspielen. Alles, was man neu lernt, führt zu neuroplastischen Veränderungen im Gehirn. Auch diese konnten wir feststellen – interessanterweise genau in dem Bereich, wo auch die Handmotorik verortet ist."

Prof. Dr. med. Renée Lampe, Kinderorthopädin, Markus-Würth-Stiftungsprofessur, Leitung der Forschungseinheit für Zerebralparesen und Kinderneuroorthopädie, Buhl-Strohmaier-Stiftung, TUM

Es gibt auch Hilfsmittel: Eine Lichtleiste, die man auf jedes Klavier stecken kann, erleichtert den Einstieg. Was eine Lehrerin vorspielt, erscheint als Lichtsignal über den Tasten. Auch per App kann ein Schüler so jedes Stück nachspielen – ganz ohne Notenkenntnis. Ein schnelles Erfolgserlebnis, das Menschen mit Einschränkungen hilft, die Anfangshürden zu überwinden.

Beruhigende Musik in der Notaufnahme

Beruhigende musikalische Klänge kommen tatsächlich auch in der Notaufnahme zum Einsatz. Hier sind viele Menschen angespannt, haben Angst. Vor allem Ältere oder Demente nehmen die Umgebung oft als bedrohlich wahr, weiß der Leiter der Notaufnahme Großhadern, Professor Matthias Klein.

"Dann geht es sehr schnell in Situationen, wo gerade verwirrte Patienten aufstehen wollen, sturzgefährdet sind, sich Zugänge ziehen und sich dadurch selbst in Gefahr bringen."

Prof. Dr. med. Matthias Klein, Intensivmediziner und Leiter der Zentralen Notaufnahme, LMU München

Oft müssen dann Beruhigungsmittel verabreicht werden. Doch jetzt gibt es eine weitere Möglichkeit: beruhigende Bilder und Töne aus einem kleinen Projektor. Eine Studie unter älteren Patienten ergab: Die Agitation, also die Unruhe, ging deutlich zurück.

"Gleichzeitig haben wir gesehen, dass in der Gruppe der Patienten, die die Videoprojektion gezeigt bekommen haben, auch deutlich weniger beruhigende Medikamente eingesetzt werden mussten."

Prof. Dr. med. Matthias Klein, Intensivmediziner und Leiter der Zentralen Notaufnahme, LMU München

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